Von 20. bis 23. März fand in Brüssel das 38. International Symposium of Intensive Care and Emergency Medicine statt. ÖGARI-Präsident Prof. Rudolf Likar fasst einige wichtige Themen des Kongresses zusammen.

Qualität auf der Intensivstation

Qualitätsmessung und Qualitätssicherung sind auch auf der Intensivstation von zunehmender Bedeutung – das zeigen immer mehr Daten, die auf dem ISICEM 2018 in Brüssel präsentiert wurden.

Ein interessanter Aspekt, bei dem die Intensivmedizin einiges von der Palliativmedizin lernen kann: Der Einsatz von Haustieren, zu denen kritisch Kranke einen engen Bezug haben, fördert nachweislich ihr Wohlbefinden – eines von verschiedenen Elementen, die zu einer „Humanisierung“ der Intensivstation beitragen soll. In manchen Arbeiten konnte auch durch tiergestützte Therapie mit speziell ausgebildeten Besuchshunden gute Ergebnisse bei Intensivptienten erzielt werden.

Wichtig ist, so eine Reihe anderer Arbeiten, das „ABCDEF-Bundel“ in der Behandlung von Intensivpatienten, vor allem hinsichtlich des Auftretens von Delir. Hier hat die Analgesie eine zentrale Bedeutung, wobei diese eng mit dem Sedierungsmanagement verknüpft ist. Die Sedierung sollte nicht zu tief sein, damit der Patient kontaktfähig bleibt, mobilisiert werden und schmerzmedizinisch gut betreut werden kann. Eine zentrale Rolle spielt auch die Angst, welche einen Risikofaktor für Delir darstellt. Hier ist nicht nur medikamentöse, sondern auch psychologische Unterstützung wesentlich.

Gezeigt wurde auf dem Kongress auch, dass zu viel Diagnostik und Therapie auf der Intensivstation durchaus schädlich sein kann. So lassen sich durch ein „Overtesting“ regelmäßig auch Diagnosen finden, die bei aller Korrektheit klinisch keine Bedeutung haben. Die Frage ist, ob solche Diagnosen dem Patienten nicht eher schaden. Auch das Ausmaß der Invasivität auf einer ICU ist zu hinterfragen, es gilt nicht „je invasiver, desto besser“, sondern gerade in diesem Kontext oft eher der Grundsatz „weniger ist mehr“.

Dass Kommunikation von entscheidender Bedeutung für die Betreuungsqualität auf der Intensivstation ist, zeigte eine andere aktuelle Arbeit, die in Brüssel vorgestellt wurde:  Intensivmediziner, die auf eine neue, ihnen noch unbekannte Intensivstation rotierten, haben eine höhere Patientenmortalität als die eingearbeiteten Kollegen vor ihnen. Dies liegt nicht an der medizinischen Qualität per se, sondern vor allem an der Kommunikation mit Normalstationen im Zusammenhang mit den zugewiesenen Patienten.

Die Obergrenze von Patienten, für die ein Intensivmediziner zuständig sein soll, dürfte bei sieben bis acht liegen. Mehr als zehn sind jedenfalls zu viel und der Behandlungsqualität abträglich, zeigen aktuelle Daten.

Management multiresistenter Erreger

„Antimicrobial Stewardship“ und insbesondere das Management von Infektionen mit multiresistenten Erregern auf Intensivstationen war in mehreren Sitzungen des Kongresses ein wichtiges Thema. Hier ist unter anderem eine rezente Arbeit von De Waele et al. zu nennen. Diese hat gezeigt, dass in vier Bereichen besondere Bemühungen gesetzt werden müssen:

  1. Risikostratifizierung: Es gilt, spezifische Risikofaktoren für Infektionen mit multiresistenten Erregern zu identifizieren. Die Wirkung verschiedener Antibiotika auf die die Multiresistenz-Entwicklung muss untersucht werden. Die Kenntnis der Epidemiologie im eigenen Haus und der eigenen Station sind dafür eine wichtige Voraussetzung.
  2. Diagnostik: Die Entwicklung und Evaluierung von Tools zur frühen und exakten Identifikation von multiresistenten Erregern und zur phänotypischen Empfindlichkeitstestung ist von großer Bedeutung.
  3. Therapie: Pharmakokinetische Daten von ICU-Patienten sind wichtig, der Kombinationstherapie kommt eine besondere Rolle zu, und das therapeutische Drug-Monitoring (TDM) sollte optimiert werden.
  4. Prävention: Hier geht es um Barriere- und Dekontaminationsmaßnahmen und um Screening auf Kolonisation mit multiresistenten Erregern.

In diesem Zusammenhang wurde mehrfach diskutiert, wie Antibiotika bei kritisch kranken Patienten richtig einzusetzen sind. Die lokale Epidemiologie muss bekannt sein. Dann erfolgt eine Risikostratifizierung. Kombinationstherapien sind in Betracht zu ziehen. Sehr wichtig ist die Deeskalation der Therapie, sobald der Erreger bekannt ist. Schließlich muss eine adäquate Dauer der antimikrobiellen Therapie sichergestellt sein.

Neue Betalaktam/Betalaktamaseinhibitor-Kombinationen

Um multiresistente Erreger wirksam zu bekämpfen, ist nicht zuletzt auch der Einsatz neuer Antibiotika erforderlich. Besonders neue Kombinationen von Betalaktamen (BL) mit Betalaktamaseinhibitoren (BLI) sind hier von Bedeutung. Zwei der neuen Kombinationen, die auf dem Kongress diskutiert wurden, sind derzeit in Österreich bereits verfügbar: Ceftolozan/Tazobactam (C/T) und Ceftazidim/Avibactam (CZA).

Eine rezente Studie untersuchte die Wirksamkeit dieser beiden BL/BLI-Kombinationen auf Isolate von Meropenem-resistentem Pseudomonas aeruginosa (MEM-NS-PSA) aus US-amerikanischen Krankenhäusern. 290 Isolate, davon 195 aus dem Respirationstrakt, 60 aus Wunden und 35 aus Blut wurden getestet. Untersucht wurde einerseits die Wirksamkeit der Medikamente in vitro, andererseits wurden die Erreger genotypisiert, um mögliche Ursachen für eine Nichtwirksamkeit der Antibiotika zu finden.

Die Empfindlichkeitsrate der getesteten Stämme auf C/T lag bei 91 Prozent, auf CZA bei 81 Prozent. Sowohl für die Gesamtzahl der Isolate als auch für jede Ursprungsgruppe war C/T signifikant wirksamer als CZA.  Die genaue Natur der Resistenzmechanismen gegen die genannten BL/BLI-Kombinationen bleibt unklar; der Großteil scheint jedoch nicht-enzymatischen Ursprungs zu sein.

Ernährung von kritisch Kranken

Die aktuelle Datenlage gibt Hinweise, dass im Rahmen einer kritischen Erkrankung eine zu frühe Ernährung negative Folgen haben kann, wie in einem Symposium dargestellt wurde. Dies dürfte an potenziell negativen Folgen der zugeführten Proteine liegen, da sie eine vorhandene Muskelschwäche kritisch kranker Patienten eher verstärken können.

Sinnvoll ist es, so der Tenor der Diskussionen und Präsentationen, die Ernährung, je nach intensivmedizinischem Status, erst am dritten Tag nach Beginn der kritischen Erkrankung zu beginnen und langsam aufzubauen. Dabei ist sinnvoll, zunächst hypokalorisch zu beginnen und dann den Kaloriengehalt der Nahrung schrittweise zu steigern. Eine zu frühe Zufuhr von Fett und Eiweiß steigert eher die Autophagie.

Konkret sollte bis zum dritten Tag nicht mehr als 0,8 bis 1 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Köropergewicht und Tag gegeben und dann langsam auf 1,5 bis 2 Gramm gesteigert werden. Bei nicht mangelernährten Patienten kann von Tag 1 bis 4 der Ernährung ein Energiegehalt von <18kcal pro Kilogramm Körpergewicht und Tag verabreicht werden, dann bis zum Tag 7 20 bis 25kcal und erst ab dem achten Tag mehr als 25kcal.

Eine frühe enterale Ernährung sollte bei unkontrolliertem Schock, Hypoxämie, Azidose, unkontrollierter gastrointestinale Blutung, abdominellem Kompartmentsyndrom oder Fisteln im Bauchraum vermieden werden.

Nasensonden sind wichtige Instrumente zur Durchführung einer enteralen Ernährung bei Intensivpatienten. Wird jedoch eine Nasensonde irrtümlich ins Bronchialsystem eingeführt, ist die Letalität mit bis zu 20 Prozent hoch. Deshalb werden zunehmend  Nasen- bzw. Magensonden unter endoskopischer Sicht appliziert.

Neue Prokinetika sind in Entwicklung. Hier sind unter anderem neue 5-HT4-Agonisten zu nennen, ebenso auch Ghrelin-Agonisten.

Literatur und Quellen:

  1. Curtis RC und Angus DC (Moderators). Quality of Care. 38th ISICEM Meeting 2018.
  2. Ely, E W et al. The ABCDEF Bundle: Science and Philosophy of How ICU Liberation Serves Patients and Families.Critical care medicine:2017 vol:45 iss:2 pg:321 -330
  3. Kahn J und Lepper P (Moderators). We sometimes do too much. 38th ISICEM Meeting 2018.
  4. De Waele JJ et al.: Antimicrobial resistance and antibiotic stewardship programs in the ICU: insistence and persistence in the fight against resistance. A position statement from ESICM/ESCMID/WAAAR round table on multi-drug resistance. Intensive Care Med 2018;44(2):189-196. doi:10.1007/s00134-017-5036-1
  5. Deane A und Oudemans-Van H (Moderators). Feeding: How much is enough? 38th ISICEM Meeting 2018.
  6. Grupper M et al.: Multicenter Evaluation of Ceftazidime-Avibactam and Ceftolozane-Tazobactam Inhibitory Activity against Meropenem-Nonsusceptible Pseudomonas aeruginosa from Blood, Respiratory Tract, and Wounds. Antimicrob Agents Chemother 2017;61(10). doi:10.1128/aac.00875-17