Alle Jahre wieder: Bei den Rettungsorganisationen und in den Krankenhäusern ist gerade um Weihnachten und Neujahr nicht die sprichwörtlich ruhige Zeit angesagt. Die Anästhesiologie-Assistentin und Notärztin Dr. Terezia Novotná berichtet über weihnachtliche Einsätze und Erfahrungen. Prim. Helmut Trimmel, Vorsitzender der ÖGARI-Sektion Notfallmedizin, kommentiert die Herausforderung „Feiertagsdienst“.

„Der Arbeitsalltag an einer Anästhesie- und Intensivabteilung stellt sich auch zu Weihnachten im Grunde nicht anders dar als an anderen Wochenenden oder Feiertagen, denn gerade unser Fach ist ja rund um die Uhr mit der Bereitstellung lebensrettender Akutversorgung befasst, sei es im Operationssaal, an der Intensivstation, in der Notfallversorgung an den Stationen oder Ambulanzbereichen sowie natürlich auch im Rettungsdienst, wo Anästhesistinnen und Anästhesisten im Notarztwagen oder am Hubschrauber zum Einsatz kommen“, sagt Prim. Priv.-Doz. Dr. Helmut Trimmel, MSc, Vorstand der Abteilung für Anästhesie, Notfall- und Allgemeine Intensivmedizin am Landesklinikum Wiener Neustadt und Vorsitzender der Sektion Notfallmedizin der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI).

Natürlich sei die Bereitschaft, an diesen „besonderen Tagen“ Dienst zu versehen, bei jenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern höher, die keine oder keine kleinen Kinder haben, soch „in einem Fach wie der Anästhesie und Intensivmedizin, welches sich durch hohe Teamorientierung auszeichnet, stellt eine kollegiale Diensteinteilung aber in der Regel kein Problem dar“, weiß Prim. Trimmel. „Wenn es die Zeit und das Patientenaufkommen erlauben, wird am Heiligen Abend sicher versucht, ein wenig Ruhe in den Arbeitsalltag zu bringen und vielleicht gemeinsam zu Abend zu essen.“ Aber selbstverständlich habe die Patientenversorgung immer  oberste Priorität. Für die Weihnachtsfeier der Abteilung war schließlich in den meisten Fällen schon Tage vorher Gelegenheit.

„Ich denke, dass am Ende eines solchen ‚Feiertagsdienstes‘ bei den meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchaus das Gefühl vorhanden ist, neben seinem normalen ‚Job‘, an diesen besonderen Tagen auch etwas Besonderes geleistet zu haben“, so Prim. Trimmel. „Und das zu Recht!“

Wie sich Weihnachtsdienste gestalten

Es ist zum Teil wie in sonstigen Diensten, zum Teil etwas anders – jedenfalls keine besonders idyllische „Weihnachtsgeschichte“, wie Assistenzärztin Dr. Terezia Novotná von der Abteilung für Anästhesie, Notfall- und Allgemeine Intensivmedizin am Landesklinikum Wiener Neustadt schildert. „Vergangenes Jahr hatte ich am 24. und am 26. Dezember Dienst. Heuer ist es genauso“, erzählt Dr. Novotná.

Das hat seine Gründe. Ohne Kinder und mit einem Partner, der diese Tage auch in der Arbeit und nicht unter dem Weihnachtsbaum verbringt, ist die Übernahme solcher Dienste natürlich auch ein für andere Mitglieder des ärztlichen Teams in Wiener Neustadt in anderer familiärer Situation geschätztes Entgegenkommen. „Für uns ist Weihnachten kein so besonderer Feiertag, wir schwimmen gegen den Strom und nehmen uns eine gemütliche Auszeit in der Woche vor Weihnachten“, schilderte die Notärztin kurz vor dem Heiligen Abend 2019.

Kaum Unterschiede bei den Diensteinteilungen

Niedergelassene Arztpraxen mögen zu einem guten Teil geschlossen haben am 24. Dezember, die Dienste im notfallmedizinischen Bereich bzw. auf der Anästhesie und Intensivmedizin in einem Schwerpunktkrankenhaus sind nicht viel anders als sonst an Wochenenden oder anderen Feiertagen. „Die Notarztdienste fahren bei uns mit  dem Roten Kreuz von 7.00 Uhr bis 7.00 Uhr, also 24 Stunden. Im Spital fängt der Dienst – wie an Wochenenden – statt um 7.00 Uhr früh um 8.00 Uhr an“, sagt Dr. Novotná.

Wobei es der Notarztdienst zu den letzten Weihnachtstagen für die junge Ärztin durchaus „in sich“ hatte. „Ausgefahren sind wir am Heiligen Abend mehr als zehn Mal. Angefangen hat es in der Früh mit einer 49-jährigen Patientin, die einen Herzinfarkt zu Hause erlitten hatte. Bei unserem Eintreffen trat ein Herz-Kreislauf-Stillstand auf. Wir konnten die Frau nach dreimaliger Schockabgabe erfolgreich reanimierten und mit einem ROSC ins Krankenhaus bringen. Anfang Januar hat  sie das Spital weitgehend wiederhergestellt verlassen können. Das ist einer der schönen Fälle, der uns Notärztinnen und Notärzten die Bestätigung gibt, dass unsere Arbeit Sinn macht und wir das Leben von Menschen retten oder positiv beeinflussen können“, berichtet die Ärztin.

Was schon zu bemerken sei: Psychische Probleme und Krisen können zu den Feiertagen recht oft kulminieren. „Die zweite Ausfahrt ging zu einem Mann nach einem Suizidversuch. Er hatte ein halbes Glas Tabletten geschluckt, glücklicherweise aber einem Freund ein Abschieds-SMS geschickt. Diesen Patienten haben wir natürlich sofort auf die Intensivstation gebracht“, sagte die Notärztin und Anästhesiologie-Assistentin.

Sonst sei zu den Feiertagen zu beobachten, dass psychische oder psychosoziale Konflikte – meistens unbewusst – somatisiert werden. So treten vermehrt PaniKattacken, Beklemmungsgefühle oder Hyperventilationssyndrome auf, welche dann scheinbar einen „Ausweg“ aus der oft komplizierten privaten bzw. familiären Situation bieten können.

Spielen Infektionen und die Grippe vermehrt eine Rolle? „Die klassischen COPD-Exazerbationen, grippalen Infekte oder Lungenentzündungen sind in der Weihnachtszeit genauso häufig anzutreffen wie sonst. Die richtige Influenzawelle mit teilweise schwerwiegenden Verläufen bis hin zur Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Versorgung kommt üblicherweise erst im Jänner, Februar vor“, erklärt Dr. Novotná.

Zu Hause überfordert

„Wir hatten auch noch einige Einsätze wegen Krampfanfällen und sonstigen neurologischen Notfällen“, sagt die Notärztin. Ein Spezifikum gibt es für die Notarztdienste zu Weihnachten aus ihrer Sicht durchaus: „Immer wieder kommt es vor, dass Angehörige von bettlägerigen Pflegepatienten bereits wegen leichter Zustandsverschlechterung oder sonstigen „Kleinigkeiten“ die Rettung alarmieren – hier hat man oft das Gefühl, sie seien – gerade zu Weihnachten – mit der Gesamtsituation einfach überfordert.“, sagt die Medizinerin. Hier spielt bzw. hier muss die Medizin ihre soziale Komponente ausspielen, um – eventuell auch durch eine vorübergehende Spitalsaufnahme – eine heraufdämmernde Krise zu entschärfen.

Weniger Besonderheiten zu Feiertagen gäbe es hingegen auf der anästhesiologischen Abteilung im Spital. „Man versorgt natürlich die akut eingelieferten Patienten mit intensivmedizinischem Bedarf. Ähnlich ist es in der Anästhesie – hier geht es vorwiegend um akut notwendige Operationen wie Blinddarmentzündungen, Darmverschlüsse, Unfälle etc.“, erklärt die Anästhesistin in Ausbildung. „Katastrophen kündigen sich nicht an. Es kommt wie es kommt in einem Dienst, auch zu Weihnachten. Mit der Dienstmannschaft im Krankenhaus oder auf der Rotkreuz-Dienststelle versucht man trotzdem, den Weihnachtsdienst möglichst gemütlich zu gestalten und wenn es die Arbeitslast  erlaubt, sich zu einem gemeinsamen Weihachtsessen zu treffen und die wenigen ruhigen Minuten miteinander zu genießen“.