Im Lichte der aktuellen Situation fasst der Präsident Elect der ÖGARI, Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder, wichtige Fakten zu COVID-19 zusammen.

Im Dezember 2019 wurde erstmals ein Anstieg unerklärlicher Fälle von Pneumonien in der Provinz Wuhan, China, beobachtet. Kurz darauf konnte, als Verursacher, ein neuartiges Coronavirus nachgewiesen werden, das am 12. Jänner 2020 von der WHO den Namen „2019-novel Coronavirus (2019-nCoV oder SARS-CoV-2)” erhielt. Seit 11. Februar dieses Jahres wird die Erkrankung offiziell als „Corona Virus Disease 2019″ (COVID-19) bezeichnet.

Was wir bisher wissen ist, dass das Virus genetisch eng mit den Erregern des „Severe Acute Respiratory Syndrome (SARS)“ und des „Middle East Respiratory Sydrome (MERS)“ verwandt ist. Die genetische Ähnlichkeit der drei ß-Corona-Viren liegt bei ca. 80 Prozent. Der primäre Wirt des COVID-19 Erregers dürfte eine chinesische Fledermausart sein. Die erstmalige Übertragung auf den Menschen in einem Lebensmittelmarkt in Huanan, in der Provinz Wuhan, könnte über einen Zwischenwirt, möglicherweise aus der Gruppe der Reptilien, erfolgt sein. Seit diesem Ereignis breitet sich das Virus, durch Tröpfchen und Schmierinfektion, rasch und das weltweit von Mensch zu Mensch aus.  

Aus den Daten aus China wissen wir, dass die mediane Inkubationszeit der Erkrankung bei 4 Tagen (IQR: 2-7 Tage) liegt. Von über 1.000 auf COVID-19 positiv getesteten Patientinnen und Patienten waren 58 Prozent Männer (medianes Alter: 47 Jahre).  Insgesamt mussten 5 Prozent an Intensivstationen behandelt werden, 2,3 Prozent der Erkrankten wurden invasiv beatmet und 1,4 Prozent verstarben. Hier wurden nur positiv getestete Patientinnen und Patienten berücksichtigt.

Gerade zu Beginn der Erkrankung musste ein geeigneter PCR-Test zum Erregernachweis entwickelt werden und dieser wurde gerade in der Anfangsphase sehr restriktiv verwendet, da oligo- und asymptomatische Personen gar nicht getestet wurden. Aus neueren Untersuchungen wissen wir, dass solche Personen als Krankheitsüberträger (Multiplikatoren) ebenso in Frage kommen. Derzeit rechnen wir, dass ein Erkrankter durchschnittlich 2,3 andere Personen ansteckt. Dies erklärt die derzeit beobachtete exponentielle Ausbreitung der Infektion.

Die bisherigen Erfahrungen aus den betroffenen Gebieten in Italien zeigen das wahre Ausmaß und die medizinischen sowie wirtschaftlichen Implikationen der COVID-19-Pandemie. Die hohe Infektiosität des 2019-nCoV beruht auf seiner hohen Affinität zum „Angiotensin Converting Inhibitor II“ Rezeptor, der auf Alveolar Typ-I und Typ-II Zellen die Andockstelle für das Virus bildet. Die Affinität zum Rezeptor ist beim 2019-nCoV um das 10-20-fache höher als beim SARS Virus. Bindet sich das Virus erst an seinen Rezeptor in der Lunge, kommt es zur weiteren Expression von „Angiotensin Converting Inhibitor II“ Rezeptoren und damit zur weiteren Interaktion von Virus und Wirt.

Wir kennen derzeit natürlich noch nicht die Zahl der asymptomatischen Überträgerinnen und Überträger, aber wir haben Daten über die Symptome und deren Häufigkeit bei Erkrankten: Zirka 87 bis 98 Prozent aller Patientinnen und Patienten entwickeln Fieber. 75 Prozent entwickeln Temperaturen über 37° C. 67 bis 80 Prozent leiden an Husten; etwa 55 Prozent an Atemnot; 28 Prozent an Auswurf. Patientinnen und Patienten klagen auch über Muskelschmerzen (40 bis 45 Prozent); Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen Diarrhoe (<10 Prozent). Eine Myokarditis mit teilweise stark erhöhten hs-Troponin I Werten wird bei 10 bis 15 Prozent der Patienten diagnostiziert. Bei Erkrankten mit Pneumonie werden Milchglas-artige Infiltrate im CT beschrieben. Mit Fortschreiten der Erkrankung kann es, wie bei vielen Pneumonien, zu massiven Atelektasenbildungen in abhängigen Lungenpartien mit Notwendigkeit zu intensiven Lagerungstherapie kommen. 

Zurzeit können wir Komplikationen von COVID-19 Infektionen wie das ARDS, Multiorganversagen, die Myokarditis und sekundäre bakterielle Infektionen nur symptomatisch, nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft und Kunst behandeln. Einzelne Erfolge mit verschiedenen Virostatika (z.B. Oseltamivir, Remdesivir) oder altbekannten Malariamedikamenten wie dem Chloroquin werden berichtet.

In diesen Zeiten erscheint es ratsam, dass verantwortliche Intensivmediziner der einzelnen Bundesländer sich eng vernetzten und im freien Meinungsaustausch Erfahrungen untereinander austauschen. Dies kann in Form von Internet- oder WhatsApp-Gruppen sofort realisiert werden. Wir in Tirol, haben das bereits umgesetzt.

Einige unserer Kollegen sind im engen Kontakt mit Intensivmedizinern der an den schlimmsten betroffenen italienischen Regionen. Auch aus dieser Quelle können wichtige Informationen zur Therapie-Prognose und den Triage-Kriterien bei massivem Patientenaufkommen gewonnen werden.      

Doch die allerwichtigsten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sind politischer Natur. Persönlich denke ich, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den Sozialpartnern und den Landesregierungen derzeit die richtigen Maßnahmen zur Verringerung der Anzahl von Neuinfektionen gesetzt haben. Bis wann diese Maßnahmen greifen, können wir im Moment nicht abschätzen.  Expertinnen und Experten berechnen, dass wir mit einem Erkrankungshöhepunkt in ein bis zwei Wochen rechnen müssen. Ich hoffe sehr, dass wir mit unseren Intensivkapazitäten, die im europäischen Vergleich gut sind, den Ansturm schwer erkrankter Patientinnen und Patienten bewältigen können.