Update zu den Aktivitäten der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) von ÖGARI-Präsident Univ.-Prof. Dr. Klaus Markstaller in den Anästhesie Nachrichten 3/2020

Sehr geehrte Leserinnen und Leser der Anästhesie Nachrichten, liebe ÖGARI-Mitglieder, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wie bereits in der letzten Ausgabe der Anästhesie Nachrichten ausgeführt, hat die COVID-19-Krise uns in allen Kliniken und Abteilungen im Land sehr beschäftigt. Im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober zum bisherigen Management der COVID-19-Pandemie im Bereich der Intensivmedizin konnten wir eine positive Zwischenbilanz ziehen. Dank der gewissenhaften Vorbereitung in Österreichs Spitälern – unter besonderer Mitwirkung der Fachabteilungen für Anästhesie – wurden die intensivmedizinischen Kapazitäten hierzulande frühzeitig entlastet und ausgebaut. So gab es im bisherigen Verlauf der Pandemie zu keinem Zeitpunkt eine Überlastung unseres Versorgungssystems – wenn auch mit zum Teil regional herausfordernden Belegungszahlen von intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten. Es war uns trotzdem immer möglich, weiterhin jene bewährte Individualmedizin zu betreiben, wie wir sie auch sonst gewährleisten, und immer individuelle therapeutische Entscheidungen treffen zu können. Wir waren auch auf eine mögliche Triage-Situation, wie sie in vielen anderen Ländern eingetreten ist, gut vorbereitet, mussten sie bislang aber zum Glück nicht einsetzen.

Die im gesamten Land erbrachten Leistungen unseres Faches sind beachtlich, da eine professionelle Vorbereitung auf eine krisenhafte Situation gleichermaßen herausfordernd ist, ob nun eine Krise (im Sinne der Überlastung unserer Intensivstationen) eintritt oder nicht. Hierfür darf ich mich nochmals ganz herzlich bei Ihnen bedanken!

Zu Recht wird derzeit viel über die Lehren aus der aktuellen Pandemie und über Präventionsmaßnahmen diskutiert. Wir sollten die vielleicht etwas ruhigere Zeit jetzt dafür nutzen, um uns auf erneute Anstiege der Infektionszahlen vorzubereiten. Ich sehe das als eine Pflicht für alle, die in der Verantwortung sind, unabhängig von Wahrscheinlichkeiten oder Einschätzungen, ob – und in welcher Dimension – sie tatsächlich kommen. Sollte das nicht geschehen, werden die Vorbereitungen trotzdem nicht „umsonst“ gewesen sein. Vieles davon wird in anderen, vergleichbaren Krisenszenarien, die in Zukunft vor unserer Tür stehen können, nutzbar und verwertbar sein.

Nicht übersehen werden darf dabei, dass wir auch einem möglichen Mangel an Fachärztinnen und -ärzten für Anästhesiologie und Intensivmedizin vorbeugen müssen. Eine von der ÖGARI beauftragte Studie zeigt eindeutig, dass ein solcher Mangel droht, jedenfalls in einigen Regionen und Spitalstypen. Es wird ein Bündel an Maßnahmen erforderlich sein, um gegenzusteuern – auf gesundheitspolitischer Ebene, auf Ebene der einzelnen Spitalsträger und auf Ebene der Abteilungen. Zentral ist jedenfalls, dass sich alle Träger und Abteilungen in Österreich an der Ausbildung unseres Nachwuchses beteiligen. Wir diskutieren die Ergebnisse der Studie derzeit mit verantwortlichen Politikern auf kommunaler, Landes- und Bundesebene. Die Präsentation des Projekts „Acute Community Nurse“ durch die Leitstellenorganisation „Notruf 144 Niederösterreich“ hat unterschiedliche, zum Teil auch sehr kritische Reaktionen hervorgerufen. Im Rahmen des Projektes sollen im Bezirk Bruck/Leitha diplomierte Pflegepersonen mit Notfallsanitäter-Ausbildung in der Akutversorgung im Rahmen des Rettungsdienstes und in der extramuralen Versorgung zum Beispiel chronisch kranker Menschen eingesetzt werden.

Im Zusammenhang mit begrenzten Ressourcen wird in regelmäßigen Abständen über die Delegation von Tätigkeiten, die laut Ärztegesetz Ärztinnen und Ärzten vorbehalten sind, an nichtärztliche Gesundheitsberufe diskutiert. Das ist legitim und sinnvoll. Aus Sicht der ÖGARI braucht es in der Organisation der extramuralen Akut- und Notfallversorgung allerdings mehr als ein Flickwerk einzelner öffentlichkeitswirksamer Projekte. Wir bekennen uns dazu, zweckmäßige Effektivitäts- und Effizienzsteigerungen im System zu nutzen, zum Beispiel durch eine Verbesserung von Organisationen oder Strukturen im Behandlungsalltag, um Ressourcen freizusetzen und an anderer Stelle zweckmäßiger einzusetzen. Hier können zur Delegation aber nur medizinisch sinnvolle Maßnahmen in Betracht kommen, nicht aber ärztliche Kernaufgaben wie der Einsatz von zentral wirksamen Medikamenten. Wir begrüßen die Idee einer umfassenden Ausbildungsreform für das Sanitätspersonal mit erweiterten klinischen Praktika und daran anschließend auch eine allenfalls sinnvolle Erweiterung der Kompetenzen nichtärztlicher Gesundheitsberufe – jedoch nicht umgekehrt!

Ihr
Univ.-Prof. Dr. Klaus Markstaller
Präsident der ÖGARI