Mit 29. März habe ich die Präsidentschaft der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) von Univ.-Prof. Dr. Klaus Markstaller übernommen. Ich möchte mich im Namen des Vorstandes für seine ebenso umsichtige wie kompetente Führung unserer Fachgesellschaft in der letzten Periode bedanken. Als Professor Markstaller damals die Präsidentschaft übernommen hatte, ahnte niemand von uns, durch welch aufgewühlte See er das ÖGARI-Schiff zu steuern haben würde. Wie er es geschafft hat, uns mit ebenso großem Engagement wie sachlicher Unaufgeregtheit durch die Krise zu führen, dafür gilt ihm ausdrückliche Anerkennung. Wie befinden uns gegenwärtig in der massivsten internationalen Gesundheitskrise seit Jahrzehnten. Die SARSCoV-2-Pandemie stellt für alle Angehörigen unseres Fachs eine große Belastung dar – und sie wird uns leider noch geraume Zeit unter Druck setzen. Durch sachliche und offene Kommunikation gegenüber Medien und Ministerium konnten Expertinnen und Experten der ÖGARI zahlreiche Missverständnisse in Bezug auf die Verfügbarkeit von Intensivbetten in der Pandemie klären. Der ORF hat in der Darstellung der verfügbaren Intensivkapazitäten die erklärenden Empfehlungen unserer Fachgesellschaft übernommen. Die ÖGARI beschäftigt sich abgesehen von den aktuellen Herausforderungen für die Intensivmedizin auch intensiv mit deren Zukunft. Wir sollten die Tatsache, dass in der Krise unser Fach verstärkt in das Rampenlicht getreten ist, dafür nutzen, Unterstützung für wichtige Zukunftsthemen zu gewinnen. Sie werden auch die prioritären Arbeitsschwerpunkte im Rahmen meiner Präsidentschaft sein. Ich will sie kurz skizzieren:
Es besteht die dringende Notwendigkeit, einer drohenden Personalknappheit in allen Säulen unseres Fachgebietes aktiv entgegenzusteuern. Die in diesem Bereich bereits eingeleiteten Aktivitäten werden wir engagiert weiterführen, denn fehlende Anästhesistinnen und Anästhesisten würden verschobene Operationen, nicht bespielbare Intensivbetten, fehlende Schmerzambulanzen, Knappheit in der präklinischen Notfallmedizin oder Ressourcenmangel in der Palliativversorgung bedeuten. Dem müssen wir vorbeugen.
Ein wichtiges Anliegen ist mir auch eine stärkere Verankerung von „Advanced Care Planning“ in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern. Damit können die Wertvorstellungen unserer Patientinnen und Patienten zum Lebensende mit den medizinischen Therapiezielen besser harmonisiert und sowohl den Patientinnen und Patienten als auch deren Angehörigen Ungewissheit und Leid erspart werden. Somit bildet dieses Konzept eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Behandlerinnen und Behandler mit den Patientinnen und Patienten gemeinsam wesentliche Entscheidungen für deren Therapieplanung treffen können. Jede und jeder ist aufgerufen, sich zu überlegen und auch zu dokumentieren, ob und in welchem Ausmaß sie oder er im Fall des Falles intensivmedizinisch behandelt werden möchte. Eine stärkere Etablierung von „Advanced Care Planning“ wäre ein wichtiger Erfolgsfaktor bei unseren gemeinsamen Bemühungen, unser Fach fit für eine stetig alternde Gesellschaft zu machen.
Die Krise hat uns auch deutlich gezeigt, dass eine erweiterte Intensivdokumentation, die spezifische intensivmedizinische Diagnosen und Komplikationen besser abbildet, wünschenswert ist. Wir sollten unser Dokumentationssystem auf eine praktikable Weise so ausbauen, dass wir österreichweit Schlüsse über die demographische Zusammensetzung unserer Patientinnen und Patienten, über ihre Krankheiten, Komplikationen und unsere Therapieerfolge ziehen können. Das hätte uns jetzt in der Pandemie bereits massiv geholfen, würde aber auch darüber hinaus für die Zukunft nützlich sein.
Ich möchte mich bei Ihnen allen für Ihren täglichen beruflichen Einsatz und Ihr Verantwortungsbewusstsein gegenüber den uns anvertrauten Patienten und Patientinnen bedanken! Ich hoffe, dass mit der Steigerung der Durchimpfung unserer Bevölkerung die Belastungen durch diese schreckliche Pandemie bald abnehmen.
Quelle: Kommentar des ÖGARI-Präsidenten Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder erschienen in AN 2/21