Fünf Jahre nach Erstveröffentlichung der Empfehlungen zum Management der Sepsis und des septischen Schocks durch die Surviving-Sepsis-Campaign gibt es nun eine Reihe von neuen Erkenntnissen, die in der aktualisierten Version der Leitlinie zusammengefasst sind. 

Die internationale Gruppe von insgesamt 60 Autorinnen und Autoren weicht nach neuesten Erkenntnissen in zwei Punkten von den bisherigen Empfehlungen ab: Vom Einsatz von Vitamin C in der Sepsis beziehungsweise beim septischen Schock wird explizit abgeraten. Als Volumenersatz sollten nach aktuellem Stand der Empfehlungen nur noch balancierte Kristalloidlösungen verwendet werden, weil diese in einer Reihe von Studien mit weniger Nebenwirkungen und einer verbesserten Überlebenschance der Patienten einhergehen als Kochsalzlösungen.

Die neuesten Erkenntnisse sind parallel in Critical Care Medicine und Intensive Care Medicine publiziert worden. Im Unterschied zur Fassung aus dem Jahr 2016 wird nun auch die Gabe von Vasopressoren über einen peripheren Zugang empfohlen. Die Autorinnen und Autoren wenden ein, dass durch das Legen eines zentralvenösen Zugangs ein zu großer Zeitverlust bei dieser zeitkritischen Behandlung entstehen kann. Auch die Empfehlung zum Einsatz von intravenösem Hydrocortison wurde geändert. Während sich in der Vergangenheit die Expertinnen und Experten noch gegen einen Einsatz von Hydrocortison entschieden, wenn sich mit Vasopressoren ein ausreichender Mitteldruck herstellen ließ, so wird jetzt ein Einsatz von Hydrocortison immer dann empfohlen, wenn eine Vasopressor-Therapie über längere Zeit notwendig ist. 

Die Empfehlungen zum Beginn der antiinfektiven Therapie sind jetzt präzisiert worden: Damit sollte innerhalb der ersten Stunde nach Diagnosestellung begonnen werden, wenn mutmaßlich eine Sepsis vorliegt oder im Rahmen einer wahrscheinlichen oder möglichen Sepsis ein septischer Schock auftritt. Besteht jedoch eine mögliche Sepsis ohne septischen Schock, soll zunächst eine Abklärung zwischen infektionsbedingter und nicht infektionsbedingter Erkrankung durchgeführt werden. Gelingt dies nicht innerhalb von drei Stunden und besteht weiterhin ein Infektionsverdacht, so soll die Antiinfektiva-Therapie umgehend eingeleitet werden. 

Grundsätzlich bestätigt haben die Autorinnen und Autoren die Empfehlungen zur Beatmungstherapie aus dem Jahr 2016 bezüglich der protektiven Beatmung mit Begrenzung des Plateaudrucks und dem Versuch einer Bauchlagerung zur Verbesserung des Gasaustauschs. Hier wird jetzt allerdings eine schrittweise Steigerung des Mitteldrucks – der positive endexspiratorische Druck, der nach dem Ausatmen in der Lunge verbleibt – als sogenanntes Recruitment-Manöver nicht mehr empfohlen.  

Die überarbeiteten Empfehlungen sehen vor, dass der Nachsorge von Patientinnen und Patienten, die eine Sepsis oder einen septischen Schock überlebt haben, mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die Leitlinie empfiehlt jetzt physische, kognitive und emotionale Probleme auch nach Entlassung aus dem Krankenhaus weiter zu beobachten. 

Alle Details zur überarbeiteten Leitlinie: https://link.springer.com/article/10.1007/s00134-021-06506-y?utm_source=toc&utm_medium=email&utm_campaign=toc_134_47_11&utm_content=etoc_springer_20211027 

Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) vom 2. November 2021