Anästhesiegesellschaft: Notärztliche Einsätze nur für kritische Fälle, Ressourcenmanagement für die ärztliche Notfallversorgung dringend erforderlich
Mit zunehmenden Fallzahlen schwer erkrankter COVID-19-Patientinnen und -Patienten könnte die notärztliche Versorgung außerhalb der Spitäler rasch an ihre Grenzen stoßen. Hier müsse dringend vorgesorgt werden, warnt die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), deren Sektion Notfallmedizin heute ein Positionspapier zu diesem Thema veröffentlicht hat. Notärztliche Einsätze sollten strikt auf kritische Fälle beschränkt werden – derzeit gibt es noch zu viele Einsätze, bei denen keine unmittelbare ärztliche Intervention erforderlich ist. Weitere Appelle für entsprechende Maßnahmen zur Absicherung der ärztlichen Notfallversorgung gehen an Betreiber von Notarztdiensten, an Kliniken und die gesundheitspolitischen Verantwortlichen.
„Wir verfolgen die aktuelle Entwicklung der Corona-Pandemie in Österreich mit großer Sorge. Insbesondere könnte mit zunehmenden Fallzahlen von schwer Erkrankten auch die Verfügbarkeit qualifizierter ärztlicher Notfallversorgung in Frage stehen“, betont Prim. Priv.-Doz. Dr. Helmut Trimmel, MSc, Leiter der Sektion Notfallmedizin der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI). Die Sektion Notfallmedizin hat heute ein Positionspapier veröffentlicht, in dem Maßnahmen zur Absicherung der notärztlichen Versorgung eingemahnt werden.
„Aus Sicht unserer Fachgesellschaft ist es besonders wichtig, jetztdie Indikation zum Einsatz von Notärztinnen und -ärzten sehr kritisch zu stellen und diese ausschließlich auf vermutet lebensbedrohliche Notfälle zu beschränken, alle anderen Notfälle sollten durch den qualifizierten Rettungsdienst versorgt werden“, betont ÖGARI-Präsident Univ.-Prof. Dr. Klaus Markstaller. „Aktuell werden noch immer viele Einsätze gefahren und geflogen, bei denen eine unmittelbare ärztliche Intervention nicht erforderlich ist.“
Dies sei als die effektivste Maßnahme zu werten, um einem drohenden Zusammenbruch der ärztlichen Notfallversorgung möglichst lange entgegenzuwirken, heißt es in dem neuen Positionspapier der Notfallmedizinerinnen und -mediziner. Selbstverständlich stellen alle Rettungsorganisationen ihren Teams adäquate persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung, auch werden laufend entsprechende Schulungen durchgeführt. Dennoch sei zu erwarten, sagt Prim. Trimmel, dass die besondere Exposition von Notärztinnen und -ärzten, die sowohl im Rettungsdienst wie auch in den Kliniken aktiv sein müssen, zu einer größeren Anzahl von Ausfällen führen werde. „Aufgrund der Struktur der österreichischen Notarztdienste, die zu einem wesentlichen Teil auf das Engagement von Anästhesistinnen und Anästhesisten abstellen, wird ein Engpass unvermeidlich“, so Prim. Trimmel. „Wir werden bald auch einen stark zunehmenden Bedarf an intensivmedizinischer Kompetenz in den Kliniken haben, daher wird in der aktuellen Situation auch ein vermehrter Einsatz anderer Fachdisziplinen für die prähospitale Patientenversorgung sinnvoll sein.“
In dem Positionspapier ergeht ein „dringender Appell“ an Leitstellen, Betreiber von Notarztdienste, Kliniken und gesundheitspolitisch Verantwortliche, in ihren Bereichen entsprechende Maßnahmen zu setzen. An Leitstellenverantwortliche ergeht das Ersuchen, „mit den gegebenen Ressourcen äußerst sorgfältig umzugehen, ihre Abfrageschemata in Hinblick auf eine entsprechende Anamneseerhebung zu überprüfen und die Ausrückordnungen entsprechend zu adaptieren“.
Die Betreiber von Notarztdiensten sollen potenziellen Ausfällen „durch Schaffung von größeren Koordinationskreisen für die Dienstplangestaltung“ begegnen. In der Koordination der Dienstpläne wie auch in den Räumlichkeiten der Dienststellen sollte, so das Positionspapier, Vorsorge getroffen werden, auch den Kontakt der Einsatzmannschaften untereinander zu reduzieren.
An die Kliniken als Träger der überwiegenden Anzahl von Notarztstandorten appelliert die ÖGARI, weiterhin Ärztinnen und Ärzte für den prähospitalen Einsatz freizustellen „und alle Disziplinen durch geeignete Maßnahmen zu motivieren, sich hier zu beteiligen.“
Die gesundheitspolitisch Verantwortlichen sollen, „Vorgaben hinsichtlich bundeslandüberschreitender Tätigkeiten für überregional eingesetztes Fachpersonal definieren bzw. anpassen“, heißt es im Positionspapier. (Redaktionsteam)