Anästhesie- und Intensivmedizin-Fachgesellschaft: Spielentscheidend sind Prophylaxe und Impfung – Stärkere Infektiosität spiegelt sich an Intensivstationen wider
Mit Sorge registriert die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) den starken Anstieg der Zahl von COVID-19-Patientinnen und -Patienten, die an Österreichs Intensivstationen behandelt werden. Diese stieg in den vergangenen zwei Wochen (vom 22. Februar bis 7. März) um mehr als 23 Prozent an, und damit deutlich stärker als die Zahl der Personen, die mit einer COVID-19-Diagnose in Spitalsbehandlung aufgenommen wurden – bei ihnen war ein Plus von knapp 11 Prozent zu verzeichnen.
„Die zunehmende Dominanz insbesondere der sogenannten britischen Virus-Variante B.1.1.7 spielt dabei zweifellos eine wichtige Rolle“, sagt ÖGARI-Präsident Univ.-Prof. Dr. Klaus Markstaller (Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie, MedUni Wien/AKH Wien). „Die deutlich leichtere Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch und die höhere Reproduktionszahl dieser Variante ist inzwischen durch wissenschaftliche Evidenz umfassend belegt. Und ein Mehr an Infektionen führt naturgemäß auch zu einer stärkeren Belastung der Intensivstationen.“
Laut am Wochenende veröffentlichten Daten des Gesundheitsministeriums macht der ursprüngliche SARS-CoV-2-„Wildtyp“ nur noch 36,3 Prozent aller Infektionen in Österreich aus. Parallel dazu hat die Variante B.1.1.7 einen Anteil von 58,4 Prozent erreicht.
Zur Frage, ob diese Variante auch schwerere Krankheitsverläufe und eine höhere Sterblichkeit im Vergleich zum ursprünglichen Virus verursacht, ist die Datenlage noch sehr begrenzt. Anekdotische Evidenz und noch nicht veröffentlichte Studien aus Großbritannien könnten Hinweise darauf liefern.
„Die Situation wird wieder deutlich angespannter, wenn auch regional durchaus unterschiedlich stark“, so ÖGARI-Präsident Prof. Markstaller. „Bei Anhalten des aktuellen Trends sind wir sehr rasch wieder soweit, dass noch stärker in den Krisenmodus umgeschaltet werden muss: Also zum Beispiel durch das Verschieben von geplanten Operationen intensivmedizinische Kapazitäten freigemacht werden müssen. Das ist natürlich alles andere als wünschenswert.“
Dazu komme eine gewisse Unsicherheit bezüglich der Datenlage. „Um die Zahlen der von Personen mit schweren COVID-19-Verläufen belegten Intensivbetten angemessen interpretieren zu können, ist eine einheitliche und klare Definition erforderlich“, so Prof. Markstaller. Aktuell ist nicht auszuschließen, dass es zu unterschiedlichen Zählweisen von COVID-19-Intensivpatienten kommt; etwa ob die Aufnahmediagnose COVID-19 für die Zuordnung relevant ist oder der aktuellen Status der Infektiosität.
„Wir sind auf den intensivmedizinischen Abteilungen auch jetzt für alle Szenarien und Eventualitäten vorbereitet. Doch die Intensivmedizin ist, bildlich gesprochen, in diesem Spiel die letzte Wiese“, so Prof. Markstaller. „Die spielentscheidenden Akzente für den Pandemieverlauf werden vorher gesetzt: Durch Impfungen, die bekannten Prophylaxe-Maßnahmen und die Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten. Hier hat jede und jeder Einfluss auf den weiteren Verlauf. Leider richtet sich das Virus nicht nach einer allfälligen ‚Pandemie-Müdigkeit‘.“
Auf kurze Sicht gelte es aus Perspektive der Anästhesie und Intensivmedizin insbesondere, extreme Belastungen der Intensivkapazitäten mit all ihren problematischen Konsequenzen, die sich aus einer raschen Verbreitung der mutierten Virusvarianten ergeben könnten, zu vermeiden, sagt der ÖGARI-Präsident. Auf längere Sicht reiche es aber nicht aus, dass nur extreme Belastungen abgewendet werden, sondern es sei erforderlich, an den Intensivstationen wieder vom Krisenmodus in Richtung einer weitgehenden Normalversorgung übergehen zu können.
Unabhängig von anderen Maßnahmen, die von der Politik zu entscheiden sind, bleibt generell die dringende Empfehlung aufrecht, die bekannten Prophylaxe-Regeln konsequent einzuhalten: Also eine möglichst niedrige Frequenz persönlicher Kontakte, Abstand halten, konsequente Händehygiene, Schutz durch FFP-2-Masken und regelmäßiges Lüften.
Quelle: Pressemitteilung der ÖGARI von 8.3.2021
Es ist schon interessant und sollte zum Nachdenken anregen, wenn man einerseits verständlicher Weise aufgrund von labortechnischen Kapazitäten zur Erstdiagnose einer möglichen SARS-CoV2-Infektion nun Antigentests anstelle PCR-Tests einsetzt, jedoch man nun andererseits dabei beobachten kann, wie die Positiverate “überraschender Weise” im Verhältnis zum intensivmedizinischen Behandlungsbedarf sinkt.
Meiner Meinung nach hat man sich zur Beurteilung des Infektionsgeschehens, und dementsprechender intensivmedizinischer Vorausplanung, mittels den halbherzigen Antigentests keinen Gefallen getan und kommt damit vom Regen in die Traufe.
Hinzu kommt, dass die neuen infektiöseren Mutationen (entsprechend höhere Basisreproduktionszahl), auf eine entsprechend niedrigere “Virenmengenschwelle” schließen lassen.