ÖGARI Präsident elect Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder hat für den ÖGARI-Blog wieder einige aktuell erschienene Arbeiten zusammengestellt, die sich mit Diagnostik und Therapie von COVID-19 beschäftigen. Darüber hinaus berichtet er hier auch über eigene Behandlungserfahrungen am Krankenhaus Zams.

Verteilung positiver COVID-19 Tests aus verschiedenen Körperkompartimenten

Wenling Wang et al. berichten in einem Brief (JAMA 2020; DOI: 10.1001/jama.2020.3786) über die Verteilung positiver COVID-19 Tests aus verschiedenen Körperkompartimenten mittel Polymerase-Kettenreaktion. Die Patienten stammen aus 3 verschiedenen Krankenhäusern in China und wurden zwischen 1 Jänner und 17. Februar 2020 getestet. Alle Patienten (n=220; Alter 5-67 Jahre) wurden aufgrund von neu aufgetretenen Fieber, trockenen Husten und Erschöpfungssymptomen aufgenommen. 19% der Patienten waren schwer erkrankt. Rachenabstriche (n=398) wurden wiederholt bei fast allen Patienten zwischen dem 1. und 3. Tag nach Aufnahme entnommen. Blut (n=307), Sputum (n=104), Stuhl (n=153), Urin (n=72) und nasale Abstriche (n=8) wurden während des Aufenthalts untersucht. Bei intubierten Patienten wurden zusätzlich bronchoalveoläre Lavageflüssigkeit (n=15) und endobronchiale Bürstenabstriche (n=13) mittels PCR untersucht. Am häufigsten war Virus-RNA in der bronchoalveolären Flüssigkeit (93%) nachweisbar, gefolgt von Sputum (72%), Nasenabstrich (63%), endobronchialer Bürstenabstrich (46%), Rachenabstrich (32%), Stuhl (29%) und Blut (1%). Im Harn war in keinem der Fälle Virus-RNA nachweisbar. Insgesamt konnte in dieser Untersuchung bei 205 Patienten das Virus in verschiedenen Körperkompartimenten nachgewiesen werden. Neu dabei ist auch, dass der Stuhl Virus-belastet sein kann und somit eine Übertragung auch über diesen Weg von Mensch zu Mensch möglich erscheint. Weiters zeigt die Untersuchung ganz klar, dass bei dringenden klinischen Verdacht auf eine SARS-CoV-2 Infektion negative Nasen und Rachenabstriche eine Infektion keinesfalls ausschließen und der Patient isoliert und wiederholt getestet werden sollte. Eine Testung aus verschiedenen Abnahmestellen würde die Sensitivität des Tests erhöhen.

Virusausscheidung nach klinischer Heilung

Im Zusammenhang mit der Testung berichten Lan Lan et al. (JAMA 2020; DOI: 10.1001/jama.2020.2783) beunruhigende Beobachtungen, bei vier an COVID-19 erkrankten Menschen. Alle 4 Patienten arbeiten im Gesundheitssystem in der Provinz Wuhan, waren symptomatisch und wurden mittels PCR-Testung aus tiefen Rachenabstrichen SARS-CoV-2 positiv getestet. Die Kriterien für die Aufhebung der Quarantäne und Entlassung der 4 Erkrankten aus dem Spital waren:

  1. Eine normale Körpertemperatur für mindestens 3 Tage
  2. Das Fehlen respiratorischer Symptome
  3. Deutlich gebesserte Infiltrate im Thorax-CT
  4. Zwei negative PCR-Tests aus tiefen Rachenabstrichen im Abstand von mindestens 24 Stunden

Nach der Krankenhausentlassung wurden die Patienten aufgefordert für 5 Tage ihr zu Hause nicht zu verlassen. 5-13 Tage danach wurden neuerlich PCR-Testungen auf SARS-CoV-2 durchgeführt. Die Tests waren bei allen 4 Personen, trotz Fehlen jeglicher Symptomatik, positiv. Eine weitere Testung mit einem Test-Kit einer anderen Firma führte zum selben Ergebnis. Auch wenn es sich um einen Bericht von nur 4 Personen handelt, ist davon auszugehen, dass Patienten nach klinischer Heilung das Virus weiter ausscheiden können! Damit stellt sich die Frage inwieweit unsere derzeitigen Quarantäneregeln ausreichend sind eine Verbreitung des SARS-CoV-2 Virus im ausreichendem Ausmaß zu verhindern.

Übersichtliche Zusammenfassung in Der Anästhesist

Eine sehr gute Zusammenfassung über die Coronavirus-Erkrankung von Thomas-Rüddel D et al. wurde gerade im Anaesthesisten publiziert (https://doi.org/10.1007/s00101-020-00758-x). Der Artikel ist frei im Internet zugänglich. Die Autoren beschreiben in Wort und Bild den typischen Krankheitsverlauf, das Spektrum der Erkrankungsschwere sowie den zeitlichen Verlauf. In weiteren Absätzen werden Risikofaktoren, Diagnostik und typische Laborbefunde der Erkrankung besprochen. Weiters werden Aspekte der Personalsicherheit, der Notfallmedizin und schließlich der Anästhesie und Intensivmedizin besprochen. Ich finde den Artikel sehr lesenswert.

Mögliche positive Effekte von Hydroxychloroquin

Zhou D et al. (J Antimicrob Chemother 2020; doi:10.1093/jac/dkaa114) berichten über mögliche positive Effekte von Hydroxychloroquin in der Behandlung von SARS-CoV-2 Infektionen. Chloroquin (CQ), ein altbewährtes Malariamittel, hat virostatische Eigenschaften und wurde bereits in Fallstudien bei an COVID-19 erkrankten Patienten der Provinz Wuhan/China in der Therapie verabreicht. Dabei wurden Fiebersenkende Effekte, Verbesserungen in der Bildgebung der Pneumonie und mögliche Verbesserungen im Krankheitsverlauf berichtet. An dieser Stelle muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass es sich um unkontrollierte Fallberichte handelt. Die nationale chinesische Gesundheitsbehörde hat aber CQ für die Behandlung der COVID-19 Erkrankung freigegeben.  Die empfohlene Tagesdosis für die Therapie von COVID-19 beim Erwachsenen beträgt 500mg. Hydroxychloroquin (HCQ) hat eine ähnliche chemische Struktur wie CQ und wurde ursprünglich als günstiger Modulator der Inflammation bei rheumatischen Erkrankungen eingesetzt. Durch seine starken anti-inflammatorischen Effekte kann HCQ Remissionen verlängern und zusätzliche Organschädigungen verhindern. Zusätzlich zu seinen antiinflammatorischen Effekten hemmt HCQ im Tierexperiment und in der Zellkultur die Bindung von Corona Viren an ihren Zellrezeptor und verhindert so das Eindringen in die Wirtszelle. Dieser Effekt beruht auf einer Hemmung der Glycosylierung des Angiotensin-Converting-Enzym-2 Rezeptors, der als Andockstelle für SARS-CV gilt. Dadurch wird die Fusion von „Spike“ Protein an der Virusoberfläche und seinen Rezeptor auf Alveolarzellen von Typ I und II erschwert. Sowohl CQ als auch HCQ werden in Endosomen der Zelle in konzentrierter Form gespeichert und erhöhen dort durch ihre chemischen Eigenschaften den pH-Wert. Normalerweise führen lysosomale Proteasen zur Fusion zwischen Viren und Wirtsmembranen und zur Freisetzung der viralen RNA in der Wirtszelle. Dieser Fusionsprozess wird durch die pH Veränderungen in den Endosomen und die damit verringerte Aktivität lysosomale Proteasen verzögert oder verhindert. Damit wird die Virusreplikation letztlich aufgehalten. Eine Hemmung der Virusreplikation bei Behandlung vor und nach der Infektion wurde in Zellkulturen bereits nachgewiesen.

CQ und HCQ sind bei kurzer Anwendung relativ sicher einzusetzende Medikamente. Im Gegensatz zu Immunsuppressiva wie z.B. Methotrexat oder Leflunomid scheint ein kurzzeitiger Einsatz dieser Immunmodulatoren mit keiner erhöhten Infektionsgefahr einherzugehen. HCQ zeigt weniger Kumulationsgefahr als CQ und scheint dadurch weniger Nebenwirkungen zu haben. Bei Langzeiteinnahmen (über Jahre) wird über das Auftreten von Retinopathien berichtet. Während CQ die fetale Entwicklung negativ beeinträchtigen kann ist dies für HQC nicht bekannt. HCQ darf deshalb bei schwangeren Patientinnen mit Autoimmunerkrankungen gegeben werden und kann sogar durch ein Blockieren der Interferon Gamma Produktion das Auftreten von angeborenen Erregungsleitungsstörungen verhindern.  Die maximale erlaubte Tagesdosis liegt für HQC bei 1200mg. Das entspricht für CQ einer Äquivalenzdosis von 750mg.

HQC scheint derzeit eine der vielversprechenden medikamentösen Therapien bei COVID-19 Erkrankungen zu sein. Studien dazu laufen unter anderen in Frankreich und China. Outcomedaten wurden, meines Wissens, noch nicht veröffentlicht. Da es sich bei HQC um eine gut verträgliche Substanz handelt kann ein Therapieversuch mit 2x200mg bis zu 2x400mg per Sonde, bei schwer an COVID-19 erkrankten Intensivpatienten, gerechtfertigt sein.   

Möglichen Ursachen der höheren Mortalität von COVID-19 erkrankten Patienten in Italien im Vergleich zu China

In einer Art Editorial gehen Onder G et al. (JAMA 2020; DOI: 10.1001/jama.2020.4683) auf die möglichen Ursachen der höheren Mortalität von COVID-19 erkrankten Patienten in Italien im Vergleich zu China ein (7,2% versus 2,3%). Als COVID-19 Todesfall gelten Personen, die SARS-CoV-2 positiv getestet wurden und anschließend verstorben sind. Dabei werden Zusatzerkrankungen, die ebenfalls ursächlich für das Versterben verantwortlich gemacht werden können, nicht berücksichtigt. Zum Beispiel kann ein SARS-CoV-2 positiv getesteter Mensch auch aufgrund eines kardialen oder abdominellen Problems verstorben sein, obwohl seine COVID-19 Erkrankung bis zu diesem Zeitpunkt mild oder asymptomatisch verlaufen ist.

Die Autoren weisen auch darauf hin, dass die Italienische Bevölkerung im Durchschnitt älter als die Chinesische ist. 23% der Bevölkerung sind älter als 65 Jahre.  Menschen mit einem Alter > 69 Jahre repräsentieren 37,6% der italienischen Bevölkerung, aber nur 11,9% der Chinesischen. Dies erklärt zum Teil die zu erwartende höhere Mortalität durch eine überdurchschnittliche Präsenz von älteren, häufiger vorerkrankten und gebrechlicheren Menschen.  Eine genauere Analyse von 355 italienischen Patienten (mittleres Alter 79,5 Jahre), die im Rahmen der SARS-CoV-2 Pandemie positiv getestet wurden und verstarben zeigte, dass dieses Patientengut im Durschnitt mit 2,7 Vorerkrankungen (KHK, Diabetes, Apoplex, etc.) belastet war.

Ein anderer gewichtiger Grund für Unterschiede in der Mortalität von COVID-19 Erkrankungen, sind die zum Teil erheblichen Differenzen in der Anzahl durchgeführter Tests im Ländervergleich. In Italien wurden am Anfang der Krise zahlreiche Testungen in symptomatischen und asymptomatischen Personen, in den zu Beginn dominierenden Regionen der Lombardei und auch in Venetien, durchgeführt. Aufgrund der limitierten Testkapazitäten ordnete, kurze Zeit danach, das italienische Gesundheitsministerium an, dass nur mehr symptomatische Patienten getestet werden dürfen. Eine derartige Vorgangsweise führt automatisch zu einer „scheinbaren“ Erhöhung der Todesfälle. Im Gegensatz dazu, hat z.B. die Republik Südkorea eine Strategie der großzügigen Testung möglichst weiter Bevölkerungsteile angeordnet. Die Mortalitätszahlen für SARS-CoV-2 positiv getestet Personen liegt bei 1%. Das Editorial von Onder G et al. zeigt wie schwierig ein länderübergreifender Vergleich der Behandlungsqualität von an COVID-19 Erkrankten Menschen sein kann. Ein weiterer, aus meiner Sicht wichtiger Punkt ist die Anzahl vorhandener Krankenhaus- und Intensivbetten in einem Land. Eine Region wie die Lombardei verfügt bei einer Population von zirka 10 Millionen Einwohner über nicht ganz 800 Intensivbetten. Bei einer derart geringen Ratio von Intensivbetten zu Bevölkerungszahl (1:10.000) ist bei großen Katastrophen, wie z.B. der SARS-CoV-2 Pandemie oder auch einer Grippepandemie, wie zuletzt der H1N1 Pandemie im Jahr 2009, ein rasches „Zulaufen“ der Akutbetten zu rechnen. Triage-Situationen in Gesundheitseinrichtungen sind, aus meiner Sicht vorprogrammiert. In unserem Land gibt es etwas über 64.200 Spitalsbetten und etwa 2500 Intensivbetten (Verhältnis zirka 1: 3600). Das ist eine deutlich bessere Ausgangssituation zur Bewältigung der jetzigen Krise. Sollten allerdings die derzeitigen Isolationsmaßnahmen nicht rechtzeitig greifen und die Anzahl der Erkrankungen weiterhin rasch ansteigen, kann bei einer Annahme von 5% schweren, intensivpflichtigen Verläufen, auch unser gut aufgestelltes Gesundheitssystem über seine Grenzen hinaus belastet werden.

Frühe histopathologische Veränderungen im Lungenparenchym von SARS-CoV-2 positiv getesteten Patienten

Tian S et al. (J of Thoracic Oncology 2020; DOI: 10.1016/j.jtho.2020.02.010) sind die ersten Autoren, die über frühe histopathologische Veränderungen im Lungenparenchym von SARS-CoV-2 positiv getesteten Patienten berichten können. Beide SARS-CoV-2 positiv getesteten Patienten wurden aufgrund eines Adenokarzinoms der Lunge lobektomiert. Beide Patienten entwickelten milde bis moderate respiratorische Symptome einer COVID-19 Erkrankung. Zeichen einer interstitiellen Pneumonie wurden auch mittels CT- Bildgebung eindeutig nachgewiesen. Besonders Alveolarzellen von Typ II zeigten bei beiden Patienten eine starke Hyperplasie. Neben Protein-reichen Exsudat in den Alveolen befallener Lungenabschnitte wurde Zeichen der Gefäßstauung und Entzündung mit Fibrinablagerungen sowie Anreicherungen mit mehrkernigen Riesenzellen und teilweise Vermehrung von Fibroblasten beobachtet. Im Lungengewebe eines Patienten führte die Fibroblastenvermehrung im Interstitium der Lunge, zu einer deutlichen Verdickung betroffener Alveolarsepten. Im Gegensatz zu anderen Pneumonien wurde keine massive Infiltration des Lungengewebes mit neutrophilen Granulozyten beobachtet. Der Fallbericht ist insofern von Bedeutung, da er erstmals die Frühveränderungen der Lunge bei an COVID-19 Erkrankten beschreibt.

Erkenntnisse aus unserer klinischen Praxis

Wir behandeln bereits mehrere z.T. ältere Personen mit lebensbedrohlichen COVID-19 Erkrankungen. Wir haben bis jetzt zwar keine CT-Untersuchungen der Lunge durchgeführt, aber klinisch und sonographisch gibt es einige, aus meiner Sicht wichtige Unterschiede zu Pneumonien anderer Genese. Zunächst extrem auffallend ist, wie zahlreiche Kollegen aus Italien und China berichten, die meist gut erhaltene Compliance der Lunge bei gleichzeitig ausgeprägter Oxygenierungsstörung. In der Sonographie fehlen bei diesen Patienten, die bei schweren bakteriellen Pneumonien oft sichtbaren atelektatischen Lungenareale mit und ohne Pleuraergüssen. Dafür sehen wir neben den massiv ausgeprägten sonographischen B-Linien („Kometenschauer“) vereinzelt kleine subpleurale Konsolidierungen und gelegentlich unregelmäßig konfigurierte Pleuraverdickungen. Ähnliche sonographische Befunde wurden bereits von den Autoren Buonsenso D et al. (Eur Rev Med and Pharmacol Sci 2020; 24:2776-2780) beschrieben. Im Labor auffallend ist, die bei lungenprotektiver Beatmung fast immer vorhandene Hyperkapnie. Gleichzeitig zeigen die meisten Patienten einen Anstieg der Fibrinspaltprodukte (D-Dimer) und einen vorübergehenden, manchmal auch nur diskreten, Abfall der Thrombozytenzahl. Auch bei normalen oder erhöhten zentralen Blutvolumen (GEDI und Echo) sind die Patienten in den ersten Tagen zentralisiert und zeigen gehäuft ein Mottling vor allem der Fußsohlen. Eigentlich ein, für isoliert zu beobachtendes Mottling, untypischer Ort! All diese Befunde sprechen für signifikante Mikrozirkulationsstörungen im Rahmen der COVID-19 Erkrankung. Nachdem wir keine massiven Atelektasen und/oder Konsolidierungen der Lunge bemerken dürfte die Oxygenierungsstörung, unserer Ansicht nach, eher auf einer stark erhöhten Totraumventilation als auf einem extremen intrapulmonale Shuntvolumen beruhen. Deshalb haben wir uns entschieden Patienten, nach Anlage aller Invasivitäten, mit niedermolekularen Heparin nach Anti-Xa Spiegel zu therapieren. Bei den meisten Patienten bedeutet das eine Antikoagulation mit 80IE bis 100 IE Lovenox aufgeteilt auf zwei Gaben. Ob diese Therapie den Patienten auch nützt wissen wir derzeit nicht!

Im Rahmen dieser Literatur-Updates werden wir Sie weiterhin über die internationale Literatur aber auch über neue Erkenntnisse aus der täglichen klinischen Praxis informieren.

In diesem Sinne liebe Grüße und bleiben Sie gesund!