Hier ein weiterer Update mit aktuellen Informationen aus der Intensivmedizin von ÖGARI Präsident elect Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder.

Werte Kollegen und Kolleginnen,

In den letzten Tagen stürmen stündlich persönliche Informationen und Erfahrungen mit COVID-19 über unsere gemeinsamen Netzwerke und Artikel und Interviews aus international renommierten medizinischen Zeitschriften über die Intensivtherapie schwer erkrankter Patientinnen und Patienten auf uns alle ein. Eine derartige Informationsflut kann auch beträchtliche Verwirrung stiften und Unsicherheit auslösen. Im Folgenden fasse ich jene Informationen zusammen, die aus meiner Sicht dem derzeitigen medizinisch wissenschaftlichen Wissensstand am ehesten entsprechen.

Abklärung

Bei intensivpflichtigen Patienten mit ungeklärter Pneumonie sind immer die „üblichen“ Verdächtigen wie Influenza, Pneumokokken und Legionellen abzuklären und wenn möglich Trachealsekret für mikrobiologische Analysen zu gewinnen. Zusätzlich sollten möglichst gleichzeitig zwei Blutkulturen von unterschiedlichen Abnahmestellen gewonnen werden.

Bei SARS-CoV2 Verdacht sollte ein „tiefer“ Rachenabstrich zur Diagnostik eingeschickt werden. Ist der Erstbefund fraglich und der klinische Verdacht auf eine COVID-19 hoch so sollte, unter maximalen Sicherheitsvorkehrungen des Untersuchers, bei intubierten Patientinnen und Patienten eine bronchoalveoläre Lavage zur Gewinnung von tiefem Atemwegssekret durchgeführt werden. Weitere Abstriche sind erst nach der Extubation zur Aufhebung der speziellen Isolationsmaßnahmen notwendig.

Schwere-Marker der Erkrankung

Derzeit scheinen eine massive Lymphopenie, hohe CRP- und hohe LDH-Werte für einen komplizierten, schweren Erkrankungsverlauf zu sprechen. Ein erhöhtes Procalzitonin ist häufig Hinweis für eine mögliche bakterielle Superinfektion und sollte Anlass zur Diskussion über den Beginn einer Breitspektrum-Antibiotikatherapie sein.

Es gibt derzeit keine wissenschaftliche Evidenz, dass die Bestimmung bestimmter proinflammatorischer Zytokine Vorteile gegenüber konventionellen Entzündungsparametern wie CRP und PCT hat!

Therapie der Ateminsuffizienz

Nach bisherigen Berichten steht bei der durch das SARS-CoV2 Virus verursachten Pneumonie primär die Hypoxie im Vordergrund. Gerade zu Beginn der Erkrankung ist die Compliance der Lunge noch sehr gut erhalten und nimmt erst bei zunehmender Lungenbeteiligung ab.

Die Entscheidung, welche Beatmungsunterstützung und/oder Beatmungsform für den Patienten die Richtige ist, hängt von der Schwere der Lungenerkrankung und der physiologischen Antwort der Erkrankten auf die Therapie ab.

Ziel der respiratorischen Therapie ist das Wiederherstellen einer adäquaten Oxygenierung (SaO2 Werte > 90%). Nichtinvasive Beatmungsformen (CPAP; Optiflow; NIV) eignen sich für Patientinnen und Patienten mit moderaten Gasaustauschstörungen. Bei der Anwendung dieser Therapien ist aber ganz besonders auf den Selbstschutz des behandelnden Personals zu achten, da es bei nicht korrektem Sitz von Kanülen und Masken zu erhöhter Aerosolbildung in der Patientenumgebung kommt. Bei der NIV hängt die Entscheidung, ob diese mit Maske oder Helm durchgeführt wird, ganz wesentlich von der Erfahrung des Personals mit der jeweiligen Ausrüstung ab. Vollgesichtsmasken und Helme sollen in jedem Fall möglichst dicht sitzen.

Bei Patientinnen und Patienten mit schwerer Hypoxämie und/oder klinisch fortschreitenden respiratorischen Versagen ist Intubation und mechanische Beatmung mit adäquaten PEEP-Werten die einzige Möglichkeit, die Lungenfunktion zu stabilisieren. Der eingestellte „Drivingpressure“ sollte ein Tidalvolumen von zirka 6ml/kg Körpergewicht gewährleisten. Bei Fortschreiten der Lungenpathologie, insbesondere bei Auftreten von Atelektasen in abhängigen Lungenarealen (Ultraschall), ist ein regelmäßiger Lagerungswechsel zwischen Rücken und Bauchlage und ein schrittweises Hochtitrieren der eingestellten PEEP-Werte zur Verhinderung neuerlicher Atelektasenbildung nötig.

Auch die Intubation ist ein Vorgang mit stark erhöhtem Infektionsrisiko für das Personal und muss daher unter strengsten persönlichen Sicherheitsvorkehrungen und nach exakter Vorbereitung und Besprechung durchgeführt werden.

Herzkreislauftherapie

Eine Überwachung der betroffenen Patientinnen und Patienten mit invasiver Blutdruckmessung und bei hämodynamischer Instabilität mit zusätzlichem Blutflussmonitoring ist indiziert. Gleichzeitig muss ganz besonders auf die täglichen Flüssigkeitsbilanzen geachtet werden. Gerade bei schweren viralen Pneumonien beobachten wir ein stark erhöhte Permeabilität der Lungenkapillaren mit erhöhtem extravaskulärem Lungenwasser. Aus diesem Grund muss eine Hypervolämie möglichst vermieden werden. Die Einfuhrmengen müssen genau berechnet werden und bei mangelnder Ausfuhr durch Gabe von Diuretika, oder beim niereninsuffizienten Patienten, durch Anpassung der Hämofiltration gegengesteuert werden.     

Es gibt bereits Fallberichte über Myokardbeteiligungen bei COVID-19 Patienten. Aus Mailand wissen wir, dass in der Regel das Lungenversagen im Vordergrund der Erkrankung steht und schwerwiegende myokardiale Probleme eher die Ausnahme darstellen. Die Myokarditis bei ist SARS-CoV2 Infektionen, nach heutigen Wissensstand, nicht anders zu behandeln als jede andere bei uns auftretende virale Myokarditis.

Spezifische medikamentöse Therapien

Gerade in diesem Bereich wird derzeit viel spekuliert und ausprobiert. Antivirale Therapien aus der HIV-Behandlung (Lopinavir/Ritonavir), Remdesivir, das ursprünglich zur Behandlung des Ebolavirus entwickelt wurde, der Proteaseninhibitor Camostat und das altbekannten Malariamedikamenten Hydroxychloroquin werden in manchen Institutionen zur Behandlung von COVID-19 eingesetzt. Alle diese Therapien sind von nicht eindeutig nachgewiesenen Nutzen und sollten nur nach einer ausführlichen Nutzen-Risiko Abwägung verabreicht werden.

Ich denke, dass grundsätzlich in der symptomatischen intensivmedizinischen Behandlung viraler Pneumonien – ob Influenza oder COVID-19 – kein großer Unterschied besteht! Wir haben in Österreich eine hervorragende Intensivmedizin mit engagierten Pflegepersonen, Ärztinnen und Ärzten. Wir werden diese Krise meistern! Über unsere Medien halten wir, die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), Sie über aktuelle Entwicklungen sowie über klinische Erfahrungen mit der neuen Erkrankung auf dem Laufenden. In diesem Sinne wünsche ich uns allen Gesundheit und ich hoffe, dass wir einander gesund beim nächsten AIC sehen werden!