Es gibt immer mehr Evidenz und Praxis-Modelle, dass der gezielte Einsatz von Haustieren in der Intensiv- und Palliativbetreuung positive Auswirkungen auf die Patienten hat. Wir haben bei ÖGARI-Präsident Prof. Rudolf Likar nachgefragt.
Das Herstellen eines Kontaktes zwischen Patienten und ihren Haustieren auch auf Intensivstationen kann unter sinnvollen Voraussetzungen die Kommunikation erleichtern, Stresslinderung und psychosoziale Hilfe bieten. „Die wissenschaftliche Evidenz dafür wird dichter”, sagt Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, Präsident der Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI).
„Jeder, der mitverfolgt, wie eng die Beziehung zwischen Menschen und ihren Haustieren ist, weiß, dass das etwas ganz Besonderes sein kann”, so Prof. Likar. Die Frage ist, wie sich diese Beziehung positiv in der Behandlung und Betreuung auch von Schwerkranken nutzen ließe. Da kommt man im Endeffekt auch nicht um die Frage herum, ob ein Kontakt zwischen Tier und Mensch nicht auch in der Intensivmedizin, der Langzeitpflege und der Palliativbetreuung möglich sein sollte.
Keine Angehörigen, aber ein Haustier
Der ÖGARI-Präsident führte für eine sachliche Auseinandersetzung mit diesem Thema auch offenkundige soziale Verhältnisse an, die in unserer Gesellschaft häufiger werden: „Immer mehr Patienten haben gar keine Angehörigen mehr. Aber ein Haustier, zum Beispiel der geliebte Hund, ist noch vorhanden.”
Klar ist, dass ein solcher Kontakt auf akutchirurgischen Intensivstationen, Traumatologie-Abteilungen und bei für die Behandelten akut lebensbedrohliche Krisen wohl kaum möglich ist. Die Vornahme medizinischer Handlungen an Patienten schließt dies über die dafür notwendige Zeitspanne hinweg ebenfalls aus.
„Die Voraussetzungen müssen stimmen, dann ist das durchaus möglich. Erfahrungen mit solchen Tierprojekten gibt es vor allem auf Palliativstationen. Ärtzte und Pflegepersonal müssen eingebunden sein, um gute Abläufe zu entwickeln”, so Prof. Likar. Bei sorgfältigem Umgang – auch das Tier, dem Zutritt gewährt wird, muss die Voraussetzungen dafür erfüllen – ließen sich solche Aktivitäten aber durchaus entfalten.
Haustier-Besuchsdienst von Freiwilligen organisiert
In “Patient Education and Counseling” (101, 2018: 830-835) ist vor kurzem eine Studie von Jill Yamasaki von der Universität Houston, USA, zu diesem Thema erschienen.
Beobachtet wurde von den Wissenschaftlern ein in Texas an Kliniken immer weiter verbreitetes Laien-Helferprogramm zur Gewährleistung der Mensch-Tier-Beziehung bei schwerer chronischer, akut kritischer oder terminaler Erkrankung. In dem „Personal Pet Hospital Visits”-Programm (PPHV) stellen die Angehörigen der Non-Profit-Organisation Kontakt mit den Kliniken bzw. Spitalsabteilungen her. Es geht um Patienten schweren chronischen oder Kranken im Endstadium einer Erkrankung mit der Notwendigkeit intensiver medizinischer Versorgung.
Ist das erwünscht, soll der Kontakt zwischen Patient und seinem Haustier in der Klinik eine psychosoziale Hilfestellung geben, Kranke aus depressiven Gemütszuständen holen helfen, eventuell auch im Falle des sich abzeichnenden Ablebens des Kranken ein friedvolles Abschiednehmen ermöglichen. “14 Jahre nach Gründung des Programms ist es Patienten in praktisch allen größeren Spitälern einer großen Stadt im Süden zugänglich. Ausgeschlossen sind bloß Patienten nach Knochenmarktransplantationen”, berichtete Jill Yamasaki.
Das Ergebnis lässt sich sehen, so die Studienautoren: „Die PPHV-Freiwilligen ermöglichen pro Monat rund 40 Haustier-Besuche in Kliniken. Mehr als 85 Prozent dieser ‘Visiten’ geschehen auf Intensivstationen bei erwachsenen Patienten oder Kranken in den letzten Tagen ihres Lebens.“
Nur auf Anordnung des behandelnden Arztes
Die Voraussetzung, so Jill Yamasaki: „Der Besuch des Haustiers muss von einem behandelnden Arzt angeordnet werden. Normalerweise erfolgt der Besuch dann binnen 24 Stunden. In End-of-Life-Situationen kann das auch binnen 30 Minuten geschehen.”
Die Besuche – primär handelt es sich um Hunde, Katzen, aber auch zum Beispiel Kaninchen – dauern normalerweise eine Studie. Die in der Initiative engagierten Freiwilligen nehmen die Tiere am Eingang des Spitals in Empfang, wo auch Eignung und Zustand überprüft werden. Dann werden sie von den Helfern zu den Patienten gebracht.
“Aus der Studie lässt sich ableiten, dass die Haustier-Besuche in der Lage sind, ganz spezielle Interaktionen auszulösen”, sagt Prof. Likar. Da geht es um Empathie und Beziehungen zum Patienten, das Verhalten von Patienten untereinander, das Verhältnis zwischen auf der jeweiligen Station tätigen Personal und den Kranken sowie zu deren Angehörigen.
So wird in der Arbeit von Yamasaki et al ein Onkologen zitiert: „In einer Periode von Krise und Verzweiflung bietet der Besuch eines Haustiers eine enorme Stärkung dieser stützenden Beziehung und mildert Leiden.” Eine Intensiv-Krankenschwester meinte: “Die Patienten reagieren ganz aufgeregt und werden von Freude mitgerissen, wenn sie ihre Haustiere sehen.”
Speziell vor allem aus psychischen Gründen wenig ansprechbare Patienten schienen vom Besuch ihres geliebten Haustieres zu profitieren. „Das Haustier kann Patienten auch durchaus dazu verhelfen, wieder Hoffnung zu schöpfen. Die Beziehung von Menschen zu ihren Tieren sind an Intensität eigentlich hoch genug einzuschätzen. Dieses Potenzial sollte bei entsprechender Vorbereitung und Planung genützt werden”, meint der ÖGARI-Präsident.
“Wo es geht, sollten wir solche Kontakte zwischen unseren Patienten und ihren Haustieren ermöglichen”, meint Prof. Likar. Man sollte im Sinne einer immer mehr auf die individuellen Patientenbedürfnisse ausgerichteten Medizin auch diese Aspekte menschlicher Existenz nicht missachten. (WW/Redaktionsteam)