Die ARGE Ethik der ÖGARI hat bereits Anfang vergangener Woche mit ihrem Positionspapier zur Allokation intensivmedizinischer Ressourcen aus Anlass der COVID-19 Pandemie klinisch-ethische Empfehlungen für Beginn, Durchführung und Beendigung von Intensivtherapie bei Patientinnen und Patienten mit COVID-19 vorgelegt. Auch die Österreichische Palliativgesellschaft hat zuletzt ein Positionspapier zu COVID-19 vorgelegt. Heute haben auch sieben deutsche Fachgesellschaften klinisch-ethische Empfehlungen vorgestellt, mit denen Entscheidungen über die Zuteilung von Ressourcen in der Notfall- und der Intensivmedizin im Kontext der COVID-19-Pandemie unterstützt werden sollen.
„Sollten wir in die schwierige Situation kommen, zwischen Patienten entscheiden zu müssen, dann wollen wir gewappnet sein“, sagte heute Prof. Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) bei der Präsentation der neuen Empfehlungen in Berlin. Sieben Fachgesellschaften, die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), die Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA), die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) und die Akademie für Ethik in der Medizin (AEM), legen jetzt gemeinsame klinisch-ethische Empfehlungen vor: Entscheidungen über die Zuteilung von Ressourcen in der Notfall- und der Intensivmedizin im Kontext der COVID-19-Pandemie.
Die Entscheidungen müssen medizinisch begründet sein. Als Kriterium soll die klinische Erfolgsaussicht gelten. So heißt es in den Handlungsempfehlungen: Die Priorisierungen erfolgen ausdrücklich nicht in der Absicht, Menschen oder Menschenleben zu bewerten, sondern aufgrund der Verpflichtung, mit den (begrenzten) Ressourcen möglichst vielen Patientinnen und Patienten eine nutzbringende Teilhabe an der medizinischen Versorgung unter Krisenbedingungen zu ermöglichen. Es sei erschütternd gewesen zu sehen, so DIVI-Präsident Janssens, unter welchem Druck Kollegen in anderen Ländern bereits Entscheidungen dieses Ausmaßes hätten fällen müssen, ohne eine Orientierung zu haben.
Prof. Janssens: „Es ist nicht zulässig, nach dem kalendarischen Alter oder nach sozialen Kriterien zu entscheiden, wir wollen sehr viel differenzierter vorgehen.“ Dabei spielen der Schweregrad der aktuellen Erkrankung sowie relevante Begleiterkrankungen wie schwere vorbestehende Organdysfunktion mit prognostisch eingeschränkter Lebenserwartung eine wesentliche Rolle. Der Patientenwille (aktueller, vorausverfügter, zuvor mündlich geäußerter oder mutmaßlicher Patientenwille) ist fester und mandatorischer Bestandteil bei allen Entscheidungen.
Aus Gründen der Gleichberechtigung sieht das Paper zudem vor, dass eine Auswahl unter allen Patienten erfolgen sollte, die eine Intensivbehandlung benötigen, unabhängig davon, wo sie gerade versorgt werden (Notaufnahme, Allgemeinstation, Intensivstation) und ganz gleich, ob COVID-19-Infizierter, Schlaganfall-Patient oder Unfallopfer.
Die Autoren bitten ihre Kolleginnen und Kollegen explizit um Kommentare und eine Diskussion, um in einem offenen Diskurs die Inhalte der Empfehlung weiter zu entwickeln. (Blog-Redaktion/Pressemitteilung der DIVI)