Auch die deutsche Anästhesie-Fachgesellschaft rät davon ab, in Sachen Pandemie zu früh Entwarnung zu geben. Lockerungen sollten abgestuft, nicht zeitgleich und nicht direkt in vollem Umfang umgesetzt werden.
„Die aktuellen Zahlen interessieren mich nur noch am Rande“, sagt der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin“(DGAI), Prof. Dr. Bernhard Zwißler, angesichts der abnehmenden Zuverlässigkeit von Inzidenz-Werten. Um die Lage einschätzen zu können, will sich Prof. Zwißler lieber am tatsächlichen Bild auf den Intensivstationen orientieren. Hier sei die Situation momentan fast so angespannt wie im Frühjahr 2020, als die Corona-Pandemie begann: „Das dürfen wir trotz aller Corona-Müdigkeit und dem Wunsch nach mehr Normalität nicht übersehen“, mahnt der Münchner Anästhesist und Intensivmediziner. „Eine Entwarnung ist noch nicht angebracht, zumal die Zahl der Patientinnen und Patienten, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen, inzwischen auch wieder leicht ansteigt, darunter sind weiter viele Ungeimpfte.“
Lockerungen sind richtig, aber nur mit Augenmaß umzusetzen
Eine wachsende “Durchseuchung” der Bevölkerung mit dem Corona-Virus, steigende Impfquoten, sinkende Inzidenzen und das bevorstehende Frühjahr führen zu Lockerungen der Corona-Maßnahmen. Nach der Ministerpräsidenten-Konferenz vergangene Woche haben die deutschen Bundesländer nach und nach entsprechende Schritte angekündigt und eingeleitet. In der Gesamtabwägung seien Lockerungen sinnvoll und vertretbar, sagt der DGAI-Generalsekretär. Wichtig sei aber, diese Lockerungen abgestuft, nicht zeitgleich und nicht direkt in vollem Umfang umzusetzen: „Ein neuer, punktueller und steiler Anstieg der Infektions- und Erkrankten-Zahlen muss verhindert werden.“
Prof. Zwißler macht nicht nur auf die weiterhin angespannte Lage auf einzelnen Intensivstationen aufmerksam, die durch den Ausfall oder die Kündigung vieler Pflegekräfte noch verstärkt wird: „In vielen Krankenhäusern müssen nach wie vor auch planbare Operationen verschoben werden. Das geht zu Lasten von Non-COVID-Patienten.“ Er rechnet damit, dass die noch betroffenen Kliniken ab April wieder zum Normalbetrieb zurückkehren können. Dabei sei aber schwer zu sagen, wie viele Operationen dann nachgeholt werden müssten und welche Krankenhäuser dann am stärksten gefordert würden.
Impfpflicht sinnvoll
Die Impfpflicht hält DGAI-Generalsekretär Zwißler persönlich für sinnvoll, nicht nur einrichtungsbezogen, sondern auch allgemein. Die Verfügbarkeit des neuen Protein-Impfstoffes Novavax in den nächsten Tagen werde voraussichtlich auch noch einmal zu mehr Impfbereitschaft und einer besseren Impfquote führen: „Neue Mutationen des Corona-Virus können sprunghaft auftreten. Wir wissen überhaupt nicht, wann und mit welchen Auswirkungen. Da bleibt die Impfung einfach ein sehr guter Schutz!“
„Mehr Personal ist nicht zum Nulltarif zu haben“
Dass Personalengpässe auf den Intensivstationen in den vergangenen Monaten durch die Flexibilität in der Anästhesiologie ausgeglichen werden konnten, dürfe nicht über den generellen Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal hinwegtäuschen, sagt Prof. Zwißler: „Die zentrale Frage lautet, wie wir wieder mehr Personal in das System bekommen. Das werden wir nicht zum Nulltarif kriegen. Es geht zum Beispiel um die Finanzierung von mehr Ausbildungsplätzen. Eine dauerhaft höhere Wertschätzung der Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, wird eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft sein!“
Quelle: Pressemitteilung der DGAI vom 18. Februar 2022