Lage auf den Intensivstationen dank Omikron-Spezifika derzeit stabil, Impflücke bleibt Risikofaktor
Mit „gemischten Gefühlen“ sieht die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) die Reduktion von Corona-Präventionsmaßnahmen, wie sie auf politischer Ebene akkordiert und heute angekündigt wurden. Dass angesichts der aktuellen Situation nach dem 19. Februar etwa die Maskenpflicht weitgehend aufrecht bleibt und vulnerable Bereiche auch nach dem 5. März speziellen Schutz erhalten sollen, sei zu begrüßen, sagt ÖGARI-Präsident Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder (Krankenhaus St. Vinzenz Zams) in einer ersten Stellungnahme. Er begrüßt auch, dass die Bundesregierung ein Bekenntnis zur beschlossenen Impfpflicht bekräftigt und die Notwendigkeit einer mittel- und langfristigen Ausrichtung der Planung betont hat, um im Herbst keine bösen Überraschungen zu erleben.
Prof. Hasibeder findet allerdings problematisch, dass man bezüglich der weitergehenden Abschaffung von Maßnahmen ab 5. März „so früh durchstartet, man hätte besser einen deutlichen Rückgang und in einen klar sinkenden Trend bei den Neuinfektionen abgewartet.“
„Zum Glück bleibt im Moment die Zahl der intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten mit COVID-19-Erkrankung stabil bei einem Anteil von etwa 10 Prozent der Bettenbelegung an den Intensivstationen, damit können wir endlich nach den langen Phasen der Überbelastung wieder weitgehenden Routinebetrieb gewährleisten. Wir sehen weniger kritische Erkrankungen, denn in dieser Welle sind stärker die oberen Atemwege von den Infektionen betroffen“, so Prof. Hasibeder. „Allerdings sollten wir nicht vergessen, dass wir Tag für Tag zwischen 15 und 25 Corona-Toten zu beklagen haben, zuletzt an einem Tag sogar mehr als 40. Allein in der ersten Februarhälfte verstarben 300 Menschen.“
Zur Subvariante BA.2 von Omikron, die in Österreich Sequenzierungs-Expertinnen und -Experten zufolge schon bald dominant sein dürfte, seien zudem noch eine Reihe von Fragen offen und Prognosen, ob bzw. wann tatsächlich der Höhepunkt der aktuellen Welle erreicht ist, schwierig. Zudem könnten künftige Mutationen angesichts der bestehenden Impflücke „wieder zu erheblichen Problemen in der Versorgung führen“, so der ÖGARI-Präsident.
Warum die beschlossene Impfpflicht neuerdings von verschiedenen Verantwortlichen in Frage gestellt werde, sei nicht nachvollziehbar, so der ÖGARI-Präsident. „Die Impfung ist nach heutigem Wissensstand der einzige Weg, langfristig eine effektive Immunantwort aufzubauen, die eine überstandene Erkrankung so nicht sicherstellen kann. Eine hohe Durchimpfungsrate ist daher ein zentrales Instrument und Sicherheitsnetz, um die Pandemie zu beherrschen und in Zukunft in eine endemische Situation überzuführen. Daran hat sich nichts geändert“, sagt Prof. Hasibeder. „Zudem gibt es immer mehr Daten, dass geimpfte Menschen auch im Fall einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus ein geringeres Risiko haben als Ungeimpfte, Long COVID zu entwickeln.“
Nicht vergessen dürfe man auch, wie die Überforderung von Versorgungskapazitäten immer wieder im Verlauf der Krise zu massiven Kollateralschäden geführt habe, insbesondere durch die zahlreichen verschobenen Operationen und die bedenklichen Versorgungsengpässe bei Patientinnen und Patienten mit anderen akuten, aber auch mit chronischen Erkrankungen, so die Fachgesellschaft.
„Wer von jenen, die auf ein sehr rasches Fallenlassen von Schutzmaßnahmen und ein Abrücken von der Impfpflicht drängen, wird die Verantwortung für die Konsequenzen übernehmen, wenn im Herbst die Dinge nicht laufen wie gewünscht, wenn uns unzureichend vorbereitet eine neue Welle trifft, wovor etwa auch das Robert-Koch-Institut warnt, und das zu einer großen Krankheitslast führt?“ fragt der ÖGARI-Präsident.
Pressemitteilung der ÖGARI am 16. Februar 2022