Am 8. März wird weltweit der Internationale Frauentag begangen. anaesthesie.news sprach aus diesem Anlass mit der Genderbeauftragten der ÖGARI, ao. Univ.-Prof. Dr. Anna Bartunek, über die Rolle von Frauen in der Anästhesie und die dazugehörigen repräsentativen Kennzahlen.
anaesthesie.news: Im Frauenforum auf der ÖGARI-Homepage (www.oegari.at/arbeitsgruppen/frauen-in-der-anaesthesie) sind gerade rechtzeitig zum Weltfrauentag am 8. März aktualisierte Kennzahlen zu Frauen im Fach Anästhesie und Intensivmedizin erschienen. Können Sie die wichtigsten Eckdaten für uns kommentieren?
Prof. Bartunek: Bei der Betrachtung der Kennzahl „Fachärztinnen und -ärzte in allen Sonderfächern im Vergleich zu 1990“ wird deutlich, dass der Frauenanteil in der Anästhesie, die ja als sogenanntes Frauenfach gilt, über die Jahre quasi gleichgeblieben ist, während sich der Frauenanteil in anderen Fächern vervielfacht hat. Zum Beispiel ist der Frauenanteil in der Chirurgie von 6,2 Prozent im Jahr 1990 auf 24,7 Prozent im Jahr 2020 auf das Vierfache gestiegen. Dieser Trend zeigt, dass die Frauen auch andere Fächer für sich erobern! Das ist eine wirklich schöne Entwicklung.
Was die Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung betrifft, so zeigt sich, dass in den letzten paar Jahren deutlich weniger Frauen das Fach Anästhesie ergreifen. Eine Analyse, wohin sich die jungen Absolventinnen des Medizinstudiums stattdessen wenden, wäre wirklich interessant. Dies auch besonders in Anbetracht der Tatsache, dass ja knapp über 50 Prozent der Absolventen und Absolventinnen des Medizinstudiums weiblich sind.
anaesthesie.news: Es fällt auf, dass bei den Fachärztinnen und Fachärzten 46 Prozent weiblich sind, aber nur 11 Prozent der Anästhesie-Primariate mit Frauen besetzt sind. Warum ist das so?
Prof. Bartunek: Das Machtgefälle entlang der Geschlechtergrenzen zieht sich durch alle Sparten und Gesellschaftsbereiche. Warum sollte dies in der Anästhesie anders sein? Sehen Sie sich zum Beispiel auch die Gesamtzahl der Ärztinnen und Ärzte in Österreich an – es sind insgesamt 47.674, davon sind fast die Hälfte, nämlich 23.109 weiblich. Und dann machen Sie bitte einen Blick in unsere Standesvertretung, die Ärztekammer. Diese ist zu gefühlten 99 Prozent männlich dominiert.
anaesthesie.news: Und wie könnte man diese Verhältnisse Ihrer Meinung nach ändern?
Prof. Bartunek: Um dies kurzfristig zu ändern, sehe ich die umstrittene Quotenregelung als das wichtigste Mittel. Zu den begleitenden Maßnahmen, die man mittelfristig umsetzen müsste, gehört sicher, dass Männer einen verpflichtenden Anteil von Kinderbetreuung, Haushalt und Pflege der Angehörigen übernehmen müssen. Denn dann können auch die Frauen zunehmend ihren beruflichen Interessen nachgehen. Dies ist natürlich viel einfacher gesagt als getan. Die Umsetzung in den privaten Bereichen der einzelnen Familien kann schwer gesetzlich vorgeschrieben werden. Deshalb muss politisch mit sogenannten Anreizen gearbeitet werden, was ja auch teilweise gemacht wird. Für eine längerfristige Lösung müsste man unter anderem in den Kindergärten und Schulen dafür sorgen, dass die Kinder nicht in die üblichen Rollenklischees gepresst werden. Warum können sich Männer besser verteidigen und durchsetzen, bei Bedarf auch mit aggressivem Verhalten? Weil sie von Kleinkind an in Sport und Spiel darauf geprägt worden sind. Viele Frauen lernen oft erst spät, ihre wertvollen Vorstellungen im beruflichen Umfeld durchzusetzen und Widerspruch auszuhalten. Den Frauen wird dies zusätzlich schwergemacht, weil ihre Umgebung – häufig sogar einschließlich der Kolleginnen – dies nicht gewohnt ist und sehr irritiert reagiert, wenn eine Frau durchsetzungsfähig ist. Menschen haben bekanntlich auch einen gewissen Hang zur Trägheit und möchten am liebsten, dass alles beim Alten bleibt. Das hat seine Vorteile, vor allem aber dann, wenn man zu den Privilegierten gehört. Die vorher genannten Maßnahmen in den Schulen umzusetzen bedeutet, dass zunächst einmal auch die entsprechende Richtung in den pädagogischen Akademien und ähnlichen Einrichtungen eingeschlagen werden muss. Das bedarf einer politischen Entscheidung, wovon nachfolgende Generationen profitieren würden.
anaesthesie.news: Welchen Rat würden Sie persönlich Ihren Kolleginnen zum Weltfrauentag und ganz generell gerne mitgeben?
Prof. Bartunek: „Lerne Widerspruch auszuhalten“