Seit kurzem liegen neue Empfehlungen zur Behandlung von zuvor oral antikoagulierten Patientinnen und Patienten mit hüftnaher Fraktur vor. Den klinischen Behandlungspfad haben sechs Fachgesellschaften im Auftrag des Sozialministeriums entwickelt, darunter auch die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI).
Eine hüftnahe Fraktur ist ein medizinischer Akutfall, der zeitnahe versorgt werden sollte – also in weniger als 48 Stunden. Wie eine Analyse allerdings zeigt, kommt es oft zu einer verlängerten präoperativen Verweildauer, weil die Personen oral antikoaguliert sind. „Der neue klinische Behandlungspfad dient als Leitfaden zur Optimierung der perioperativen Behandlung dieser Patientengruppe und soll dazu beitragen, perioperative Komplikationen zu vermeiden“, sagt Prim. Univ.-Prof. Dr. Sibylle Kietaibl (Evangelisches Krankenhaus Wien), die als Mitglied der ÖGARI die Erstellung und Aktualisierung des klinischen Pfades koordiniert hat.
Was kann die Zeit bis zum Eingriff verkürzen?
- eine Verbesserung der Anamneseerhebung und der laboranalytischenn Analyse der medikamentenabhängigen Gerinnungshemmung
- die Verordnung von Antidots und gerinnungsfördernden Medikamenten
- die Entwicklung krankenhausinterner Standards
Empfehlungen für neue direkte Antikoagulantien
Unsicherheiten bestehen noch beim Umgang mit den direkten Antikoagulantien (NOAKs): Hier erlauben die traditionellen globalen Gerinnungstests keine direkten Rückschlüsse auf das Blutungsrisiko und den Wirkspiegel. „Wir konnten allerdings aus den Erfahrungen der Spiegelwerte der NOAKs aus einzelnen Krankenhäusern Cut-offs bzw. Toleranzgrenzen für den bundesweiten Einsatz vorschlagen“, sagt Prof. Kietaibl. „Die Ausführungen zum Umgang mit direkten oralen Antikoagulantien sind jedoch nicht evidenzbasiert, weil die Studienlage hierzu noch ungenügend ist“, schränkt die Expertin ein.
Richtiger Umgang mit Antidots und Thrombozytenfunktionshemmern
Der klinische Pfad umfasst auch den Umgang mit Antidots gegen Gerinnungshemmer. So sieht der Behandlungspfad die Verwendung von Idarucizumab (Antidot gegen Dabigatran) als notwendig und gerechtfertigt an. Seine Anlieferung im Bedarfsfall (innerhalb von 48 Stunden nach der hüftnahen Fraktur) sei zu erwägen.
Anders verhält es sich bei Andexanet alfa. Dieses Antidot ist für die Prophylaxe vor dringlichen Operationen ausdrücklich nicht empfohlen bzw. zugelassen und scheidet somit für die Behandlung hüftnaher Frakturen bei Patientinnen und Patienten unter Apixaban oder Rivaroxaban aus.
Detailiert behandelt wird auch das Thema der Thrombozytenfunktionshemmer bzw. der dualen Antiplättchentherapie (DAPT) und APT-Monotherapie. Hier gilt es, das gesteigerte Blutungsrisiko durch die (D)APT im Vergleich zum lebensbedrohlichen Risiko der Stentthrombose bei Absetzen der Medikation zu berücksichtigen.
Klinischer Pfad auch am Smartphone
Eine besonders innovative Unterstützung für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte bietet eine App, die den klinischen Pfad auch am Smartphones zugänglich macht. „Damit können die gewünschten Informationen zum Management bei hüftnaher Fraktur jederzeit, schnell und unkompliziert abgerufen werden“, sagt Prof. Kietaibl.
Service
Den klinischen Pfad zur Behandlung hüftnaher Frakturen bei zuvor oral antikoagulierten Patientinnen und Patienten finden Sie unter diesem Link: https://www.oegari.at/web_files/cms_daten/klinischer_pfad_hueftnahe_frakturen.pdf
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