Jenaer Psychologinnen verbessern das Wohlbefinden von Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation durch hypnotische Suggestionen und stellen Audioaufnahme von Hypnosetext zur Verfügung.
Wer intensivmedizinische Hilfe in Anspruch nehmen muss, leidet nicht nur unter den unmittelbaren physischen Symptomen der Krankheit, sondern häufig auch unter Angst. Schmerzen, Kontrollverlust, Todesangst und die ungewohnte, sterile Umgebung verursachen Stress und mitunter sogar Depressivität. Gerade diese Erfahrungen begleiten die Patientinnen und Patienten häufig noch lange nach Verlassen des Krankenhauses. Deshalb ist es wichtig, bereits während der Behandlung diesen psychischen Folgeschäden vorzubeugen – zum Beispiel durch Hypnose. Psychologinnen der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Universitätsklinikums Jena zeigten nun im Rahmen einer Studie, dass hypnotische Suggestionen signifikant das Wohlbefinden von Patientinnen und Patienten verbessern sowie physiologische Maße von Angst und Stress reduzieren. Über ihre Ergebnisse berichten die Forschenden in „Intensive Care Medicine“.
„In meinen früheren Untersuchungen habe ich bereits gesehen, wie wirksam es sein kann, Menschen durch Hypnose ein starkes Gefühl der Sicherheit zu vermitteln – und das sogar über die tatsächliche Hypnosesituation hinaus“, berichtet die Studienleiterin Dr. Barbara Schmidt von der Universität Jena. „Deshalb waren wir sicher, dass diese Behandlungsmethode auch in einem psychischen Ausnahmezustand, wie er auf einer Intensivstation für die Patientinnen und Patienten herrscht, helfen kann – zumal Menschen in Extremsituationen besonders suggestibel, also besonders offen für Hypnose, sind.“
Angst vor Beatmung
In ihrer Studie konzentrierten sich die Jenaer Psychologinnen besonders auf Erkrankte, die nicht-invasiv – also mit einer Atemmaske – beatmet werden müssen. Diesen ungewohnten Vorgang nehmen Patientinnen und Patienten sehr häufig als bedrohlich und unangenehm wahr und er löst bei ihnen dementsprechend besonderen Stress aus. Nach der nur 15 Minuten andauernden Intervention während der Beatmung stellten die Jenaer Wissenschaftlerinnen fest, dass der Stress der Patientinnen und Patienten signifikant reduziert, ihr Wohlbefinden verbessert und physiologische Werte wie Atemfrequenz und Herzrate positiv beeinflusst waren. Nach der Einleitung der Hypnose führten sie die Patientinnen und Patienten in ihrer Vorstellung an einen Ort, an dem sie sich sicher und geborgen fühlen. „Währenddessen sprechen wir ganz konkret die Beatmungsmaßnahmen an und betonen ihren positiven Nutzen“, sagt Schmidt.
Vor und nach dem Versuch ließen die Forscherinnen die Patientinnen und Patienten ihr subjektives Wohlbefinden bewerten. „Wir messen auf bestimmten Skalen beispielsweise das Angstlevel und bewerten den Grad der Aversion gegenüber der Atemmaske“, erklärt Schmidt. Darüber hinaus zeichneten sie die körperlichen Signale wie Atem- und Herzfrequenz während der hypnotischen Suggestionen auf, so dass sie genau zeigen können, wie der Körper der Patientin und des Patienten auf bestimmte Suggestionen reagierte.
Hypnosetext steht zur Verfügung
Um in der aktuellen Corona-Situation die Intensivstationen zu unterstützen und Patientinnen und Patienten die suggestive Therapie per Kopfhörer zukommen zu lassen, hat Barbara Schmidt einen Text, den ungarische Kolleginnen und Kollegen zu diesem Zweck bereits veröffentlicht und erfolgreich verwendet haben, übersetzt, eingelesen und als mp3-Datei zur Verfügung gestellt (https://cloud.uni-jena.de/s/HgLkfziDPJ8TyJJ). Das medizinische Personal auf einer Intensivstation kann die Vorlage ohne Kontakt zu einem Hypnotherapeuten verwenden und Patientinnen und Patienten so ein stärkeres Sicherheitsgefühl im stressigen Umfeld der Intensivstation vermitteln. (Redaktionsteam/TS)
Originalpublikation: B. Schmidt, J. Schneider, T. Deffner, & J. Rosendahl (2021). Hypnotic suggestions of safety improve well-being in non-invasively ventilated patients in the intensive care unit: results of a pilot study. Intensive Care Medicine, https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00134-021-06364-8