Autor: Univ.-Prof. Dr. Klaus Markstaller, Präsident der ÖGARI, Leiter der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie, Medizinische Universität Wien/AKH Wien
Soeben ist in Graz der AIC 2019 zu Ende gegangen. Das Generalthema des Kongresses war der postgraduellen Ausbildung gewidmet, unter dem Motto „Ausbildung sichert uns die Zukunft“. Die Nachwuchsförderung steht aus der Sicht unserer Fachgesellschaft ganz weit oben auf der Agenda – und das hat gute Gründe.
Neue Untersuchung belegt: Pensionierungswelle verschärft Personalengpass
Wenn wir nicht rasch gegensteuern, droht ein spürbarer Mangel an Anästhesistinnen und Anästhesisten – zumindest in einigen Regionen und Spitalstypen. Seit Jahren ist die Anästhesiologie ein Fach auf Wachstumskurs, in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die Zahl der in Österreich tätigen Anästhesistinnen und Anästhesisten verdoppelt. Dies zum Teil, weil sich das Fach so stark ausdifferenziert hat, zum Teil, weil die Umsetzung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes zusätzlichen Personalbedarf geschaffen hat. Doch selbst diese Zuwächse reichen nicht aus, um den künftigen Bedarf zu decken, zumal auch eine Pensionierungswelle auf uns zukommt.
Auf dem AIC wurde von Dr. Johannes Hohenauer von der BDO Health Care Consultancy eine von der ÖGARI beauftragte Analyse erstmals vorgestellt, die die ÖGARI in Auftrag gegeben hat. Erhoben wurde im Zuge der österreichweiten Befragung von Abteilungsleiterinnen und -leitern unter anderem, wie viele Anästhesistinnen und Anästhesistinnen in den verschiedenen Krankenhäusern im Einsatz sind, wie die Altersstruktur des ärztlichen Personals in den anästhesiologischen Abteilungen aussieht, und wie es um die Nachwuchsrekrutierung bestellt ist.
Ich fasse hier einige zentrale Ergebnisse zusammen:
Der Löwenanteil der künftigen Fachärztinnen und Fachärzte wird in Universitätskliniken und Schwerpunktspitälern ausgebildet: Mehr als 85 Prozent der Assistenzstellen österreichweit entfallen auf diese Krankenhaustypen. Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Ausbildungsassistentinnen und -assistenten und fachärztlichem Personal variiert nach Krankenhaustypen erheblich: Während in den Universitätskliniken der Facharztanteil bei 59 Prozent liegt, ist dies in den Schwerpunktkrankenhäusern bereits 74 und in den Standardkrankenhäusern der Basisversorgung bei 82 Prozent.
Pensionierungen: Kleine Spitäler besonders betroffen
Eine Analyse der Altersstruktur des anästhesiologischen Personals zeigt, dass die bevorstehenden Pensionierungen der nächsten zehn Jahre kleinere Spitäler mit geringen Ausbildungsquoten besonders hart treffen wird. An den Universitätskliniken werden aktuell dreimal mehr Assistenzärzte ausgebildet als Fachärztinnen und -ärzte über 56 Jahre im Einsatz sind. In Schwerpunktspitälern hält sich das Verhältnis fast die Waage – mit einem leichten Überhang bei den nachrückenden Ärzten. In den Standardkrankenhäusern hingegen werden künftig deutlich mehr erfahrene Anästhesistinnen und Anästhesisten in den kommenden Jahren in Pension gehen als aktuell Nachwuchskräfte in Ausbildung sind. Auf einzelne Bundesländer bezogen kann man sagen: Wien und Niederösterreich sind vergleichsweise gut aufgestellt und bilden deutlich mehr Anästhesistinnen und Anästhesisten aus, als in den kommenden 10 Jahren in Pension gehen werden. Doch in Vorarlberg gehen in absehbarer Zeit doppelt so viele Fachärzte in Pension wie nachkommen. Im „Nachwuchsplus“ sind außerdem Oberösterreich, das Burgenland und Tirol, im deutlichen Minus die Steiermark, Kärnten und Salzburg.
Es werden eine Reihe von Maßnahmen erforderlich sein, um diese Situation zu verbessern und für die Ausbildung ausreichend vieler und hervorragend qualifizierter Anästhesiologinnen und Anästhesiologen Sorge zu tragen. Diese Entwicklung muss auf unterschiedlichen Ebenen angegangen werden, wie wir kürzlich auch in einem Positionspapier der ÖGARI festgehalten haben: Auf der gesundheitspolitischen Ebene ebenso wie auf jener der Krankenhausträger und der einzelnen Abteilungen.
Dazu gehört es in jedem Fall, die Ausbildung in unserem Fach, insbesondere in den kleineren Häusern, attraktiver zu machen. Ein wichtiges Element hierfür ist die Möglichkeit für Assistentinnen und Assistenten, im Rahmen der Ausbildung die gesamte Bandbreite der Versorgung kennenzulernen – eine Vereinfachung der träger- und bundesländerübergreifenden Rotation muss daher auf gesundheitspolitischer Ebene geschaffen werden. Sofern nötig sind auch geeignete Rahmenbedingungen für eine ausreichende Zahl und eine attraktive Gestaltung von Ausbildungsstellen zu schaffen. Dazu müssen seitens der Gesundheitspolitik die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.
Bei Entfall der aktuellen Opt-Out-Optionen ist der neuen Datenanalyse zufolge teilweise die Besetzbarkeit von Diensträdern in Frage gestellt – mit negativen Konsequenzen für den gesamten stationären Betrieb. Aus Sicht der Anästhesiologie ist es daher unabdingbar, den Erhalt einer optimierten Opt-Out Möglichkeit sicherzustellen und entsprechende Gesetzesvorgaben an der organisatorischen Umsetzbarkeit zu orientieren und nicht über die von der EU vorgegebenen Gesetzgebung hinausgehende Einschränkungen unserem Gesundheitssystem aufzuerlegen.
Auf der Ebene der Krankenhausträger sowie der einzelnen Spitäler müssen ausreichend viele Ausbildungsstellen geschaffen und vor allem auch besetzt werden. Nur wenn sich alle Abteilungen für Anästhesiologie und Intensivmedizin an der Ausbildung unseres Nachwuchses beteiligen, wird es möglich sein, den erwarteten Bedarf zu decken. Wobei auch die zunehmende Nachfrage nach Teilzeitarbeitsmöglichkeiten, die unsere aktuelle Erhebung einmal mehr aufgezeigt hat, in der Personalplanung speziell zu berücksichtigen ist. Auf der Ebene der Abteilungen für Anästhesiologie und Intensivmedizin selbst muss die Ausbildung strukturiert erfolgen und attraktiv gestaltet sein. Ausbildung muss eine definierte Aufgabe in der Abteilung sein, und es muss klare Verantwortlichkeiten und strukturierte Abläufe geben.
Erfreulich ist jedenfalls bei allen Anstrengungen, derer es noch bedarf: Die jungen Kolleginnen und Kollegen, die sich für eine Ausbildung in der Anästhesiologie und Intensivmedizin entscheiden, sind damit zufrieden. Die erst vor wenigen Tagen präsentierte aktuelle Evaluierung der Ärztekammer zu den Ausbildungsstellen zeigt, dass die Anästhesie wieder nicht nur unter den Fächern ist, die in der Bewertung der Assistenzärzte signifikant besser abschneiden als der Durchschnitt aller bewerteten Abteilungen, sondern das Ranking sogar anführt.