Dieser Tage wurde in vielen österreichischen Medien über Daten berichtet, die von der AGES veröffentlich worden waren: Demnach sind während der SARS-CoV-2-Pandemie in Österreich weniger Menschen an COVID-19 verstorben als in Vergleichszeiträumen üblicherweise an Influenza versterben. Für die Unterschiede in den Sterberaten fanden sich keine näheren Erklärungen. Es konnte so durchaus der Eindruck entstehen, dass das neue Coronavirus eigentlich gar nicht so gefährlich ist – und daher möglicherweise die politisch umgesetzten, für die Wirtschaft und die meisten Menschen äußerst schmerzhaften, Maßnahmen übertrieben waren.
Inhaltlich waren die Berichte korrekt. Aber es ist doch wichtig, die Daten in einen Zusammenhang zu stellen und einige Hintergründe zu erläutern. Zum einen ist zu beachten, dass die Unterschiede in den Sterberaten auch vor den völlig unterschiedlichen Arten der Datenerhebung von Todesfällen aufgrund von Influenza und Corona zu sehen sind. Zudem sind die vergleichsweise niedrigen Mortalitätsraten bei COVID-19 in Österreich auch das Resultat eines frühen „ Lockdowns“ und drastischer Maßnahmen, die politisch offensichtlich zum richtigen Zeitpunkt, beschlossen wurden. Wenn man schon die Mortalität von Influenza und der SARS-CoV-2 Pandemie vergleichen will, müssen die weltweite Situation und die Sterberaten in Ländern ohne rechtzeitigen „Lockdown“ näher betrachtet werden.
In den USA, wie auch in Österreich, werden während der Influenza-Saison Daten zu Sterblichkeit und zu Komplikationen anhand der Meldungen von Krankheitscodes, nach dem „Internationalen Klassifikationssystem für Erkrankungen (ICD)“ geschätzt. Auf Basis eines Berechnungsmodells schätzt die amerikanische Gesundheitsbehörde die Anzahl der Influenzatoten um das 6-fache höher ein als es den tatsächlichen Meldungen der Toten mit definitiv nachgewiesener Influenza entspricht. Zum Beispiel werden die Influenzatoten in den USA während der Grippesaison 2013/2014 mit 23.000 und in den Jahren 2018/2019 mit 61.000 angegeben. Im Gegensatz dazu werden Patientinnen und Patienten, die an SARS-CoV-2 gestorben sind, nur dann gezählt, wenn sie zu Lebzeiten positiv getestet wurden. Also alle Personen, die zum Beispiel zu Hause während der SARS-CoV-2-Pandemie an einer Pneumonie oder anderen Komplikationen der Infektion ohne Testung verstorben sind, gelten offiziell auch nicht als COVID-19 Opfer.
In der Woche vom 14. bis zum 21. April 2020 wurden in den USA 14.478 COVID-19 Todesfälle gemeldet. Vergleicht man die SARS-CoV-2 Toten mit der höchsten Anzahl von Influenzatoten pro Woche, so zählt man für die Grippesaison 2013/2014 beziehungsweise 2018/2019 je 351 und 1626 Influenzatote. Diese Daten belegen, dass die Anzahl der COVID-19 Todesfälle in Wirklichkeit um das 8,9-fache bis 41-fache höher war.
Die „Dunkelziffer“ für an COVID-19 verstorbene Menschen dürfte deutlich höher liegen. Gerade in den USA müssen Testungen in der Regel vom Erkrankten selbst bezahlt werden. Am Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie wurde in einigen amerikanischen Krankenhäusern ein Influenzatest vor der Durchführung einer SARS-CoV-2 -PCR gefordert und selbstverständlich war auch dieser Test mit hohen Kosten verbunden. Folglich dürften viele Erkrankte, besonders aus armen Bevölkerungsschichten, weder einer Diagnose noch einer medizinischen Behandlung zugeführt worden sein und gehen nach ihrem Tod auch in keine Infektionsstatistik ein.
Auch in Österreich dürfte es eine nicht zu unterschätzende Dunkelziffer an COVID-19-Toten geben. Im Tiroler Oberland, dem anfänglichen „Hot-Spot“ der Pandemie, wurden zum Beispiel gegenüber den Vorjahren deutlich mehr Einsätze lokaler Bestattungsunternehmen berichtet. Allgemeinmediziner und -medizinerinnen bestätigen, dass ältere Mitmenschen, speziell in den Seitentälern des Inntals, mit klinischen Symptomen einer akuten Infektionserkrankung nicht in ein Krankenhaus gehen wollten und zu Hause verstorben sind. Auch wenn bei diesen Personen keine spezifische Testung auf SARS-CoV-2 erfolgt ist, dürften es sich Großteils um zusätzlichen COVID-19 Todesfällen handeln.
Aber auch ohne große Erklärungen genügt ein Blick in das „Dashboard des Centers of Science and Engineering at John Hopkins University“ in den USA. Die weltweiten stets aktualisierten Zahlen zu COVID-19-Erkrankungen und gezählten Todesfällen sind im Internet abrufbar. Am 16. Juni 2020 waren weltweit 8.058.427 SARS-CoV-2 Infizierte erfasst. Die berichtete Anzahl der Toten lag an diesem Tag bei 437.473. Das entspricht einer weltweiten Mortalität von 5,4 Prozent! Aber auch wenn wir westliche Nationen wie die USA isoliert betrachten, zeigt sich ein identes Bild. In den USA wurden bisher 2.114.026 Personen positiv getestet. 116.127 sind verstorben. Das ergibt ebenfalls eine errechnete Sterberate von 5,4 Prozent und das ohne Berücksichtigung der Dunkelziffern. Die Sterberate der Influenza liegt dagegen, mit wenigen Ausnahmen wie zum Beispiel der „spanischen Grippe“ im Promillebereich. In einer „normalen“ Grippesaison geht man von 0,1 bis 0,2 Prozent Todesfällen aus.
Eine Influenzaerkrankung kann also keinesfalls mit einer SARS-CoV-2 Infektion gleichgesetzt werden. Auch auf der Intensivstation sind die schwersten Erkrankungsformen nicht vergleichbar. Patienten mit COVID-19 Erkrankung waren fast doppelt so lange auf der Intensivstation als Patienten mit H1N1- Influenza im Pandemiejahr 2009. Das bedeutet, dass Überlebende der COVID-19-Erkrankung eine verlängerte Rehabilitationszeit benötigen und an länger dauernden negativen Folgen für die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden leiden.
In wirklichkeit gibt s keine gesicherten daten und alles bis jz sind nur vermutungen. Wie in manchen ländern gerechnet wird, kommt einer milchmädchenrechnung gleich.
Sg. Herr Karl,
Nachdem Sie offensichtlich über andere Daten zu Mortalitätsvergleichen verfügen wäre es wichtig diese, möglichst nachvollziehbar mit uns zu teilen! Übrigens konnten durch Lockdown Maßnahmen, nach neuesten Erkenntnissen, weltweit ca. 530 Millionen Neuinfektionen mit dem SARS-CoV-2 Virus verhindert werden. Ohne entsprechende Schutzmaßnahmen, wäre jedes Gesundheitssystem der Welt zusammengebrochen!
Guten Tag Herr Dr. Hasibeder,
danke für Ihren in der Sache so wichtigen Beitrag.
Eine Anregung dazu:
Mortalität beschreibt die Sterberate im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung:
– bei Influenza ergibt das eine Sterberate von 0,01-0,02%
– bei Covid-19 eine Sterberate von 0,3-0,7%
Letalität hingegen wäre die passende Bezeichnung der Daten, auf die Sie sich beziehen, auf die Sterberate im Verhältnis der infizierten Personen.
Obwohl es nichts ändert an der +10 mal höheren durch Covid-19 assozierten Sterblichkeit gegenüber der Influenza, sollten diese Begriffe und Berechnungen nicht vertauscht werden.
Sg Herr Faber,
Sie mögen in der deutschen Sprache recht haben – das habe ich nicht weiter nachgeprüft. In der wissenschaftlichen Englischsprachigen Literatur wird ausschließlich der Begriff mortality, also Mortalität, verwendet. Interessant finde ich, dass im Rahmen von Influenzapandemien oder jetzt im Rahmen der SARS-CoV-2 Pandemie, Sterberaten gerne in Promille oder Prozent aller Todesfälle innerhalb einer Population (Bevölkerung eines Landes) und über einen Beobachtungszeitraum wiedergegeben werden. Das ist für andere Erkrankungen eigentlich völlig unüblich. Wenn wir über die Sterberate einer akuten oder chronischen Erkrankung sprechen gehen wir von den Todesfällen mit der betreffenden Erkrankung und der Anzahl tatsächlich Erkrankter aus. Auch bei COVID-19 sollte daher die Mortalität als, Anzahl der COVID-19 Toten dividiert durch die Anzahl aller als erkrankt (bekannten positiv Getesteten) diagnostizierten, angegeben werden. Dabei spielt die Dunkelziffer, d.h. die nicht erkannten Infektionen (= asymptomatische oder oligosymptomatische Patienten, die nie getestet wurden), keine Rolle. In Österreich gibt es zirka. 18000 positiv getestete, gesicherte Infektionsfälle. Die Sterberate – gemeldete Todesfälle-bemisst 700. Die Mortalität der positiv Getesteten, also nachgewiesenermassen Infizierten, kann mit 3,8% angegeben werden. Wir kennen natürlich nicht die Dunkelziffer aller Infizierten und es wäre müßig darüber zu spekulieren. Ebenso ist es schwierig darüber zu spekulieren, ob eine bestimmte Person an COVID-19 oder mit COVID-19 verstorben ist. Ich denke es ist in unser aller Interesse die derzeitige Pandemie, als das anzusehen was sie ist und wie es der derzeitige WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus so treffend formuliert hat: ” Diese Pandemie ist die größte Menschheitsbedrohung seit dem 2. Weltkrieg……”
Sehr geehrter Herr Professor Hasibeder, vielen Dank für Ihren fundierten Vergleich.
Leider bin ich täglich dem Unwissen nichtwissenschaftlicher Personen mit einer großen Hybris und einem noch größeren Mitteilungsdrang ausgesetzt. Da tut das Lesen Ihres Artikels einfach gut.
Viele Grüße,
Dr. Elke Rohde-Baran
Notärztin/LNÄ Deutschland
Liebe Kollegin Rohde-Baran,
Zunächst Danke für Ihre freundlichen Worte! Mit Ihren Bemerkungen über gewisse Personen und Personengruppen haben sie natürlich recht. Das eigentliche Problem ist wahrscheinlich die Tatsache, dass eine unsichtbare Bedrohung, von den meisten Menschen, nicht als solche wahrgenommen wird. Und gerade diese Personen prüfen die Informationen auf denen sich ihre Meinungen begründen ungenügend oder überhaupt nicht nach.
Alles Gute und liebe Grüße,
W. Hasibeder
Sg. Frau Dr. Rohde-Baran,
“Unwissen nichtwissenschaftlicher Personen”, ob mit, oder ohne weitere Charakteristika, gefällt mir überhaupt nicht. Im Übrigen haben Sie völlig Recht.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Wahner
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Hasibeder,
Ich habe gerade die Zahlen der John Hopkins Uni angesehen. Stand heute errechnet sich ein Sterberate von 3,9%. Innerhalb eines Monats ein rasanter Abfall. Hat sich die Gefährlichkeit des Covid-19 Virus verringert? Das wäre doch toll!!
Mfg Heribert Wagner
Sg. Herr Wagner,
Ihre Frage kann ich nicht mit Sicherheit beantworten. Ich kann aber bestätigen, dass z.B. in Österreich die Anzahl der an COVID-19 Gestorbenen, trotz einer deutlichen Zunahme der Neuerkrankungen derzeit recht konstant bleibt. Der Grund dürfte die Zunahme der Erkrankungen innerhalb der jüngeren Bevölkerung sein. “Reifere” Menschen halten sich eher an Abstandsregeln und tragen eher Masken an Orten, wo viele Menschen zusammenkommen. Allerdings gilt diese Beobachtung sicher nicht für andere Länder. In den USA gab es diese Woche einen traurigen Rekord: 1600 COVID-19 Tote innerhalb von 24 Stunden. Ich würde schätzen, dass in Amerika die Anzahl der COVID-19 Toten innerhalb der nächsten 2.3 Wochen auf über 200.000 ansteigen wird. Offensichtlich ein Resultat von politischer Ignoranz und Dummheit!
Liebe Grüße und bleiben Sie gesund!
Sie sagen zwar, dass die Daten überall im Internet abrufbar sind, aber es wäre trotzdem schön, wenn sie ein paar Quellen angeben könnten, damit wir uns gründlicher Informieren können.
Lg
@Faber @Hasiberger
You are both mistaken.
Mortalität = mortality
Letalität = case fatality rate(cfr)
I know English is very difficult for Germans, keep on learning guys. Best wishes
@ Hasibeder
“lethality” should be used for LD50 tests. Unfortunately many authors use “lethality” instad of “case fatality rate”.
Okay Im Nachhinein kann man doch die sterbezahlen während der lockkdown Saison vergleichen, laut AGES ca 800 an influenza und 600 an an covid. Also warum darf man keine Vergleiche ziehen!!?? Bitte um wiederlegung danke
Okay habe mich schon wiederlegt laut Grippe Welle peak war vor dem lockdown
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Hasibeder,
können Sie erklären, warum die Anzahl von 50 Neuinfektion je 100.000 Einwohner ein Wert ist, bei dem sich die Einschätzung des Risikos plötzlich immens verschlechtert. 0,05% wirken auf mich als Laien nicht gefährlicher als 0,02%. Ist das ein Wert, den man einfach willkürlich “festgesetzt” hat und der auch bei 100 liegen könnte?
Danke
Regina Scholl
Sg. Frau Scholl,
Tatsächlich handelt es sich um 50 positive SARS-CoV-2 PCR Testungen pro 1000 Getesteten! Warum gerade diese Zahl gewählt wurde, kann ich Ihnen nicht mit Sicherheit beantworten. Ich denke aber, dass die Zahl einen Wert markiert, bei dessen Überschreitung es den Gesundheitsbehörden kaum mehr möglich ist, Kontaktpersonen innerhalb verschiedener Cluster ausfindig zu machen und zu isolieren. Das heißt es besteht dann die Gefahr der unkontrollierte Ausbreitung des Virus. Sollten Sie sich für mehr Informationen über die weltweiten Infektionszahlen und Todesfälle interessieren empfehle ich Ihnen das Dashboard der John Hopkins Universität. Dort finden Sie täglich aktualisierte Zahlen.
Mit den besten Grüßen,
W. Hasibeder
Sehr geehrter Herr Professor Dr. Hasibeder, können Sie Genaueres zu den in Östereich und, wie Sie schreiben auch in den USA verwendeten Berechnungsmodellen für Influenzatote sagen? Warum nimmt man hier einen sechsfach höheren Wert? In Deutschland wird, soweit ich informiert bin, die Übersterblichkeit der Influenza zugerechnet. Das scheint mir auch keine besonders verlässlichen Zahlen zu liefern. Hier ist zudem das Problem, dass am Anfang der Corona-Pandemie wenig getestet wurde – auch bei Personen mit offensichtlichen Symptomen. Ob diese nun als Infizierte oder als Nicht-Infizierte dokumentiert wurden, war Sache der Gesundheitsämter und wurde nicht einheitlich geregelt. Insofern ist das Problem der Dunkelziffer mit Sicherheit groß. Ich verfolge auch regelmäßig die Zahlen der Johns Hopkins Universität und komme zu dem Schluss, dass die Zahl der Todesfälle im Vergleich zu der hohen Zahl an positiv Getesteten (und da ist die Dunkelziffer außen vor), doch nicht so hoch ausfällt wie befürchtet und dass das doch eine gute Nachricht ist. Man sollte weder verharmlosen noch die Endzeit ausrufen. Schön wäre es, wenn die Lage anhand belastbarer Zahlen regelmäßig neu bewertet würde. Mit freundlichen Grüßen, Charlotte Seydlitz
Sg. Prof. Dr. Hasibeder,
Vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag aus österreichischer Sicht, wie ich auch sonst internationale Perspektiven zur kritischen Reflexion unserer deutschen Darstellung sehr schätze.
Als Statistiker arbeite ich naturgemäss nicht so gerne mit Unschärfen, da dann die Klassifizierung von Zuständen, Phasen oder Objekten schwierig wird. Speziell in Deutschland finden wir in der breiten Mediendarstellung von Corona oft Verwechslungen von Begriffen wie “Positiv-Getestet”mit “infiziert” oder gar “erkrankt”, einmal abgesehen von weiteren Abstufungen wie “bestätigt” oder “asymptomatisch (erkrankt)”. Sie selbst nutzen hingegen gleich drei Attribute zur Beschreibung eines Zustandes indem Sie auf die 18000 positiv getesteten, gesicherten Infektionsfälle in Österreich hinweisen. Handelt es sich hier um echte Infektionsfälle oder lediglich um PCR-positiv Getestete? Wie ist das Attribut “gesichert” zu verstehen? Ist es vergleichbar mit dem in der RKI-Terminologie verwendeten Attribut “bestätigt”?
Anmerkung: Ich gehe von dem wissenschaftlichen Verständnis aus, daß es sich bei dem nicht validierten PCR-Test zunächst einmal nur um den Nachweis einer RNA-Sequenz handelt, die auch bei der Existenz des COVID-19/ Coronavirus vorkommt. Diese Zuordnung müsste jedoch durch einen weiteren Nachweis bestätigt, bzw. gesichert werden. Eine Infektion setzt hingegen voraus, dass es sich hier um den tatsächlich existierenden und sich multiplizierenden Virus handelt und nicht um “totes Material” wo möglich noch aus anderen Quellen wie Verunreinigungen. Erst dann sollte man von infiziert sprechen dürfen, was in der Öffentlichkeit bereits mit einer Art Zombie-Status stigmatisiert wird wenngleich die mögliche Erkrankung noch aussteht; einmal abgesehen von dem in jüngster Zeit immer öfter zitierten asymptomatisch Erkrankten, der gar nicht weiss, dass er krank ist und ohne initialen PCR-Test es auch nie bemerkt hätte. Welche konkreten Kriterien könnten hier zur besseren Klassifizierung angelegt werden?
Sie schreiben, daß Sterberaten gerne in Promille oder Prozent aller Todesfälle innerhalb einer Population (Bevölkerung eines Landes) und über einen Beobachtungszeitraum wiedergegeben werden” und das dies für andere Erkrankungen eigentlich “völlig unüblich” sei. Es mag aus konkreter Sicht des Mediziners wichtiger sein bei der Sterberate einer akuten oder chronischen Erkrankung von den Todesfällen mit der betreffenden Erkrankung und der Anzahl tatsächlich Erkrankter auszugehen um die Überlebenschancen von entsprechend erkrankten Patienten zukünftig besser einschätzen zu können. Da es sich hier jedoch um die Identifizierung einer Pandemie handelt, erscheint aus volkswirtschaftlicher Sicht die Promille-/Prozentangabe innerhalb einer Population über einen Zeitraum aussagekräftiger. Wie sonst sollte ohne diese Verhältnisangabe der derzeitige WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus zu der Aussage gelangt sein, die Pandemie sei die grösste Menschheitsbedrohung seit dem 2. Weltkrieg?
Ähnlich verhält es sich mit der in letzter Zeit stark steigenden Zahl positiver Tests in Deutschland, die auch von der Politik als klares Indiz für eine zweite Welle gesehen wird. Um die tatsächliche Gefahr besser einschätzen zu können müssten eigentlich diese Positiv-Zahl ins Verhältnis zu der Zahl der jeweils getesteten Personen gesetzt werden, was sich mathematisch als Positivenrate ausdrücken lässt. Hat Österreich hier vielleicht einen objektiveren Ansatz bei der Aufklärung seiner Bevölkerung?
Auch stimmt es den Wissenschaftler bedenklich, wenn die niedrig erscheinende Fehlerquote des PCR-Tests der Prävalenz recht nahe kommt. Bei einer nicht unüblichen Fehlerquote von nur 0,4-0,6% und tatsächlich 6 positiven Ergebnissen pro 1000 Tests kann davon ausgegangen werden, dass die 6 positiv getesteten Personen in einem weiteren bestätigenden Test zum grössten Teil wieder entlastet werden dürften. Eine solche Situation hatten wir hier im Juli. Leider ist nach einem kostenfreien Ersttest mit positivem Resultat ein zweiter Test zur Verifikation im Zweifel kostenpflichtig. Wie wird in Österreich mit dieser Problematik verfahren?
Mit freundlichen Grüssen,
Ralf Schirrmacher
“Das ergibt ebenfalls eine errechnete Sterberate von 5,4 Prozent und das ohne Berücksichtigung der Dunkelziffern.”
Prof Streek. und Prof. Püschel sind in ihren Studien zu Covid19 unabhängig voneinander zu einer ganz anderen Sterberate gekommen. wenn ich recht informiert bin war das ca 0,3%-0,4%
S.g. Herr Professor,
Sie verwechseln im Kommentar zu Herrn Faber Mortalität mit Letalität.
Mit freundlichen Grüßen
Leo Mandl
Sg. Damen und Herren,
Es freut mich, dass mein Beitrag zum Vergleich der Influenza mit COVID-19 Erkrankung ein derart großes Echo hervorgerufen hat. Viele der Kommentatoren haben mit Ihren Bemerkungen recht.
Ein Epidemiologe wird eine Häufigkeit von Erkrankungen zur Gesamtpopulation berechnen wollen, also die Infektionsrate (IR) innerhalb der Gesamtbevölkerung. Dazu gibt es in der Fachliteratur einige Daten:
z.B. war in New York die IR während der schlimmsten Phase der Pandemie bei 1%; in Genf bei 0,6%; in Spanien bei 0,8%; in Belgien bei 1,3% und in Italien bei 2,2%. Dabei werden hauptsächlich symptomatische Personen erfasst, da in der Regel meist nur Menschen mit Symptomen auch getestet werden. Selbstverständlich gibt es weit mehr Infizierte, die wir nicht erfassen können! Aber wenn Sie alle meine Beiträge genau lesen, sehen sie, dass ich das nie in Abrede gestellt habe!
Ein paar Worte zur Sterberate der Erkrankung:
In der Fachliteratur wird hier der Begriff “Infektion Fatality Rate” verwendet. das ist die Anzahl Verstorbener dividiert durch die Gesamtzahl der Infizierten multipliziert mit 100 (Angabe erfolgt in %). Auch hier haben wir das Problem, im Gegensatz zu anderen Infektionskrankheiten wie z.B. Ebola, dass die hohe Anzahl asymptomatisch Infizierter eine genaue Berechnung dieser epidemiologischen Kenngröße kaum zulässt. Bei Ebola-Infektionen erkranken alle Infizierten schwer. Deshalb ist es einfach die “Infektion Fatality Rate” richtig zu berechnen.
Über das SARS-CoV-2 Virus lässt sich folgendes sagen: Das New York State Department hat vor kurzem eine große Seroprävalenz-Studie veröffentlicht, die gezeigt hat, dass zirka 22% der 8 Millionen Einwohner NY, Antikörper gegen Bestandteile des SARS-CoV-2 Virus entwickelt haben. Also ist es wahrscheinlich, dass zirka 1,6 Millionen BürgerInnen mit dem Virus infiziert waren. Mit Mitte Juni waren 220.000 New Yorker an COVID-19 tatsächlich erkrankt! Das ist ein Zehntel der laut Antikörpertestungen tatsächlich infizierten. Daraus können wir schließen, dass der größte Teil der Infizierten keine oder nur leichte Symptome hatten oder einfach keine medizinische Behandlung in Anspruch genommen hat. Ein Viertel dieser Patienten musste wegen schwerer Symptome hospitalisiert werden. Viele dieser Patienten sind letztlich gestorben.
Gerade in den USA, wo der Zugang in das medizinische System deutlich schwieriger als in Zentraleuropa ist, kann angenommen werden, dass die Zahl schwer Erkrankter und an COVID-19 Verstorbener deutlich höher ist, als gemeldet.
Übrigens hatte unsere Region am Höhepunkt der Pandemie, ebenfalls deutlich mehr Einsätze der lokalen Bestattungsunternehmer zu verzeichnen als in den Jahren zuvor.
Der Intensivmediziner interessiert sich bei Erkrankungen naturgemäß für andere Kenngrößen, die für ihn persönlich die Gefährlichkeit der Erkrankung besser wiedergeben: Mit welcher Todesrate oder Komplikationsrate muss man bei einer spezifischen Erkrankung/ einem Erkrankungssyndrom rechnen. Betrachten wir als Beispiel das Syndrom der Sepsis und des septischen Schocks werden in der Literatur, je nach Schweregrad und untersuchter Population, Sterberate von 35%-60% angegeben. Bei intensivpflichtigen COVID-19 Erkrankten werden Sterberaten zwischen 20% und fast 90%, je nach Land und Patientenkollektiv angegeben.
Ein weiteres Problem ist die extrem lange Liegedauer beatmeter COVID-19 Patienten auf Intensivstationen. Dadurch werden die intensivmedizinischen Ressourcen, bei ungehinderter Infektionsausbreitung, in kürzester Zeit aufgebraucht und eine individualisierte Versorgung der Patienten, wie sie in Mitteleuropa üblich ist, wird von einer Triagemedizin abgelöst.
Betrachten wir zum Schluss noch einmal die Daten des Coronavirus Resource Centers der John Hopkins Universität (siehe Internet). Wir sehen, dass am 23.08. 2020 weltweit 23.213489 COVID-19 Fälle gemeldet wurden. Das entspricht der Anzahl der bekannten symptomatischen am SARS-CoV-2 erkrankten Personen. Es ist dabei völlig klar, das es dabei deutlich mehr Infizierte geben muss, die aber nicht erfasst werden, da sie keine oder kaum Symptome entwickelt haben. Von der angegebenen Zahl sind weltweit 804.556 Patienten verstorben – mit anderen Worten derzeit sind etwas über 3,4% der an COVID-19 Erkrankten verstorben. Diese Berechnung bezieht sich also keinesfalls auf eine Gesamtbevölkerung und das wurde auch nie von mit behauptet. Für mich als Intensivmediziner sind diese Zahlen aber immer noch erschreckend! Und als Mediziner, der symptomatische Patienten selbst behandelt hat, kann ich nur vor jeder Verharmlosung der Erkrankung warnen!
“dazu werden Patientinnen und Patienten, die an SARS-CoV-2 gestorben sind, nur dann gezählt, wenn sie zu Lebzeiten positiv getestet wurden. ”
fals sich die Aussage auf die USA beziehen soll FALSCH
Sg Frau Dohle,
Infektion bedeutet, dass das Virus in seine Zielzellen eingedrungen ist, seine Hülle verloren hat und sein genetisches Programm, dass einzig und allein auf die Vermehrung seiner Bestandteile ausgerichtet ist, angeworfen hat. Die körpereigenen, befallenen Zellen produzieren nur mehr Vironen und sterben schließlich ab. Mit dem PCR Test können wir dann genetische Bruchstücke des Virus nachweisen. Eine Schleimhautbesiedelung mit dem SARS-CoV-2 Virus ohne Infektion, also ohne Eindringen des Virus in seine Zielzellen, gibt es nach heutigem Wissensstand nicht.
Bei SARS-CoV-2 ist es nachgewiesen, dass zirka 40%-45% der Infizierten keine klinischen Symptome entwickeln. Dem Virus gelingt es hier nicht in tiefere Atemwege, oder gar in die Blutbahn zu gelangen und so Zellen der Blutgefäße und anderer Organe zu befallen und den Menschen wirklich krank zu machen. Weitere 40% zeigen nur leichte Symptome z.B. etwas Schnupfen, leichten Husten….Auch diese Menschen erkranken nicht ernsthaft – das Virus kann sich kurzzeitig nur in Schleimhäuten des oberen Atemwegs vermehren und die lokale Infektion wird rasch durch das körpereigene Immunsystem eliminiert.
Trotzdem können asymptomatische Menschen und Menschen mit geringer Symptomatik genug neue Viren aus den Schleimhäuten der oberen Atemwege freisetzten, dass andere Personen bei engem Kontakt und entsprechender Expositionszeit ernsthaft erkranken. Dieser Infektionsweg wurde schon vielfach in der Literatur beschrieben.
Aber die eigentlich interessante Frage lautet: Warum infizieren sich zahlreiche Personen, erkranken aber klinisch nicht. Hier müssen genetische Unterschiede vor allem in der zellulären Immunantwort eine Rolle spielen. Vor allem sogenannte T-Lymphozyten ( “T-Killerzellen”) spielen bei der Abwehr von über die Luft übertragene Virusinfektionen eine tragende Rolle. Ich bin in diesem Bereich kein Experte aber ich würde behaupten, dass in diesem Bereich der Forschung noch große Lücken klaffen und wir hoffentlich in einigen Jahren mehr verstehen werden.
Und jetzt kurz zu Ihrem letzten Satz: Ein positiver PCR-Test beweist, dass eine Person mit dem Virus infiziert ist. Wir wissen heute, dass nach zirka 8- 10 Tagen ein Infizierter in der Regel keine Viren mehr über Atemwege ausscheidet. Die PCR-Teste aus dem Rachen und der Nase werden 5-8 (10) Tage nach dem Symptombeginn meist negativ. Deshalb wurde eine Quarantänezeit von 10 Tagen für erstmals positiv getestete Personen festgeschrieben. Schwer erkrankte Patienten z.B. auf der Intensivstation bleiben oft länger, manchmal mehrere Wochen PCR-positiv. Oft findet man über längere Zeiträume Virusgenomteile in den tiefen Atemwegen. Wir gehen derzeit davon aus, dass auch diese Menschen nicht mehr ansteckend sind aber noch immer genetisches Virusmaterial bruchstückhaft vorhanden ist. Es sind aber keine infektiösen, intakten Vironen die wir z.B. durch Aufbringen von Körpersäften auf Zellkulturen nachweisen können, vorhanden.
W. Hasibeder
Hallo Walter,
ja, auch das schwedische Gesundheitssystem ist zusammengebrochen. (Ironie aus) O.K. manche sagen, sie hätten Schwierigkeiten gehabt, aber wohl doch nicht so die Menge…