Der 37. ISICEM stand auch heuer im Zeichen des Fortschrittes in der Intensivmedizin sowie der individualisierten Therapie des Intensivpatienten. In dieser kompakten Zusammenfassung möchte ich Ihnen meine Highlights und Take-Home Messages für die Behandlung des Intensivpatienten aus den Themenbereichen – Trends in der Intensivmedizin, Delirium, Antibiose und Antibiotic Stewardship, Problemkeime und neue Therapiemöglichkeiten, Critical Illness – Neuropathie, Myopathie & Neuromyopathie, Beatmung sowie Updates zur antimykotischen Therapie kurz berichten.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Nachlese!
Ihr Prim. Prof. Dr. Rudolf Likar
Trends in der Intensivmedizin:
In der Eröffnung durch ISICEM Chairman Jean-Louis Vincent und durch den Kongress hindurch wurde intensiv über die Trends und Zukunft der Intensivmedizin diskutiert.
Ein wesentlicher Punkt war, dass keine Separation zwischen medizinischer und chirurgischer Intensivmedizin gemacht werden sollte. Obwohl teilweise gegenteilige Trends zu erkennen sind, ist eine breite Ausbildung und ein breites Spektrum für jeden Intensivmediziner von Vorteil. Wohin es in der Intensivmedizin in Zukunft geht wurde rege diskutiert. In diesem Zusammenhang wurde auch das Bild gezeichnet, dass in Zukunft die Technik auf der Intensivstation soweit fortgeschritten ist, dass das Stethoskop nur noch ein Symbol für den Intensivmediziner sein wird.
Nichtsdestotrotz möchte ich festhalten, dass Überwachungsgeräte natürlich die Daten liefern, diese aber vom Intensivmediziner in Kontext gebracht werden müssen. Die klinische Beurteilung bleibt hier unerlässlich.
Die Richtung in der Intensivmedizin, obwohl wir davon noch ein Stück weit entfernt sind, geht hin zur individualisierten Intensivmedizin in der wir Patienten Anhand von Biomarkern optimiert behandeln werden.
Abgesehen davon wurde diskutiert, dass ein wesentlicher Punkt in der Intensivmedizin nicht nur die interdisziplinäre Arbeit am Patienten mit den Kollegen, sondern auch die Eingliederung von Angehörigen und der Familie in der Betreuung ist. Diese Diskussion ging Hand in Hand mit der Frage, wie viele Intensivmediziner man auf einer Station benötigt. Es wurde eine optimale Patient-zu-Intensivmediziner Ratio von 7,5:1 vorgeschlagen. Ein Standard der für viele Österreichische Intensivstationen heute schon erreicht ist. In diesem Kontext wurde auch in mehreren Vorträgen darauf hingewiesen, dass die Berufsgruppe der Intensivmediziner auch im Bereich der Burnout Prävention aktiv sein muss. Ein wesentlicher Baustein hierfür ist natürlich auch ein optimiertes Arzt-zu-Patient Ratio.
Hinsichtlich der Versorgung auf der Intensivstation wurden in den Vorträgen auch neue Ansätze betreffend der palliativen Behandlung diskutiert. Hierbei geht es darum, Entscheidungen bezüglich der palliativen Versorgung aus der Intensivstation in die vorgelagerten Bereiche zu verlegen. Es wurde illustriert, dass es dadurch bei gleicher Lebenserwartung zu einer verbesserten Quality-of-Life kommen kann.
Fokus Delirium:
Dass ein Auftreten von Delirium mit einem schlechten Outcome assoziiert ist wurde während dieses ISICEM wieder bestätigt. Besonders ausführlich diskutiert wurde in diesem Zusammenhang der Einfluss der medikamentösen Führung, die Zuwendung zum Patienten sowie Licht- und Lärmmanagement (z.B.: Abdunkelung von 23-7Uhr) um Delirium der Patienten auf der Intensivstation einzudämmen.
Als wichtige Take Home Message möchte ich darauf hinweisen ein mögliches Hypo-aktives Delirium zu bedenken, da dies oft nicht diagnostiziert wird.
Antibiose und antimikrobielles Stewardship:
Der Themenkomplex Antibiose stand bei diesem ISICEM unter dem übergeordneten Thema und sich aus globaler Sicht verbreitenden Problem, auch wenn Österreich hier noch eine Ausnahme darstellt, der steigenden antimikrobiellen Resistenz, welche vor allem auf der Intensivstadion eine beträchtliche Herausforderung darstellt.
Um diesem Problem entgegenzutreten wurde in den Sessions und Lectures rund um das Thema herausgestrichen, dass es zur Erstellung einer Stewardship Strategie sowie einer Strategie für den Einsatz von Antibiotika einen multidisziplinären Zugang bedarf.
Solch ein multidisziplinäres Team sollte auf jeden Fall den Infektiologen, Mikrobiologen/ Krankenhaushygieniker, Pharmazeuten, Intensivmediziner und das Pflegepersonal umfassen, welches für die Erstellung der Strategie unter Beachtung von lokalen Resistenzdaten verantwortlich sein sollte
Um eine effektive antimikrobielle Strategie zu implementieren und umzusetzen, wurden folgende Punkte besonders hervorgehoben:
- Eine forcierte mikrobiologische Testung in guter Qualität
- Eine Wahl der empirischen antimikrobiellen Therapie welche sich nach der klinischen Präsentation, den Risikofaktoren für das Auftreten von resistenten Mikroorganismen und der lokalen Epidemiologie richtet.
- Besonders beim Intensivpatienten ist auf pharmakokinetische und pharmakodynamische Parameter und adäquate Wirkstoffspiegel zu achten. Vor allem das therapeutische Drug Monitoring spielt in diesem Setting eine wesentliche Rolle.
- Systematisches Deeskalieren
- Den Verbrauch von Carbapenemen, Cephalosporinen und Quinolonen einzuschränken.
Problemkeime und neue Therapiemöglichkeiten:
Für die Mehrzahl an resistenten nosokomialen Infektionen ist die Gruppe der „ESKAPE“ Keime samt deren oft auftretenden Resistenzmechanismen (in Klammer) verantwortlich. Zu diesen zählen:
– Enterococcus faecium (VR)
– Staphylococcus aureus (MR)
– Klebsiella pneumoniae (KPC)
– Acinetobacter baumannii (MDR)
– Pseudomonas aeruginosa (MDR)
– Enterobacteriaceae (ESBL)
Für gram-negative Keime stehen seit kurzem zusätzlich neue ß-Laktamase Inhibitoren zur Verfügung. In den Sessions und Lectures zum Themengebiet wurde ausführlich diskutiert wie diese Substanzen in Anbetracht des Bedarfs an antimikrobieller Stewardship und der vorliegenden Resistenzen bei Infektionen mit multi-drug-resistent (MDR) gram negativen (MDRGN) Keimen in die empirische Therapie eingebunden werden können.
Ein Vorschlag zum Einsatz der Substanzen in Abhängigkeit des jeweiligen Resistenzmechanismus, welcher rezent von Bassetti M et al. im Expert Rev Anti Infect Ther. 2017 Jan;15(1):55-65 publiziert wurde, fand bei den Experten und in den Diskussionen Anklang.
Grafik adaptiert nach: Expert review of anti-infective therapy Bassetti, Matteo yr:2017 vol:15 iss:1 pg:55 -65
Critical Illness – Neuropathie, Myopathie und Neuromyopathie:
Spannende Diskussion und Vorträge haben auf diesem Kongress rund um das Thema „ICU acquired weakness“ stattgefunden. In diesem Zuge wurde auch der Medical Research Council (MRC) Scale, ein Kompositparameter nach welchem die Schwäche beurteilt wird, als mögliches Tool erläutert. Es wurde elaboriert, dass in diesem Zusammenhang die richtige Proteinzufuhr und eine frühe physikalische Intervention als wesentliche Maßnahmen zu forcieren sind um „ICU acquired weakness“ positiv zu beeinflussen.
Beatmung:
Aufschlussreiche Präsentationen gab es zum Thema der Ösophagealen-Druckmessung.
Hier ist klar als Trend zu erkennen, dass sich die Trans-Ösophageale Druckmessung durchsetzt. Dadurch kann die Beatmung optimiert werden. Ob Patienten dadurch weniger oft eine ECMO (Extrakorporale Membranoxygenierung) benötigen, blieb noch offen. Auf jeden Fall ist festzuhalten dass, bei Patienten die operiert werden müssen bezüglich der Beatmung nicht nur der PEEP (Positive End Expiratory Pressure) alleine sondern auch Lungen-protektive Ventilation und Recruitmentmanöver große Bedeutung haben.
Update zur antimykotischen Therapie beim kritisch kranken Patienten:
In den Vorträgen zur antimykotischen Therapie wurde intensiv Wert und Verwendung von Biomarker, wie z.B.: das ß-D-Glukan diskutiert. Nach wie vor bleibt die Verwendung und Aussagekraft von Biomarkern eine Kontroverse und somit die frühe Diagnose von Pilzinfektionen eine Herausforderung auf der Intensivstation.
Es wurde am Kongress von einem rezenten Cochrane Review, welcher im JAMA: the Journal of the American Medical Association (Cortegiani, Andrea yr:2017 vol:317 iss:3 pg:311 -312) publiziert wurde, berichtet. Dieser Review bestätigt, dass die antimykotische Therapie vor der Diagnose einer invasiven Pilzerkrankung mit geringeren Raten (im Vergleich zu Placebo oder keiner Therapie) an invasiven Pilzinfektionen assoziiert ist.