Rahmenbedingungen für Einsatzkräfte aus Nachbarstaaten müssen rasch rechtlich abgesichert werden
Wie die Salzburger Nachrichten am 22.7. berichteten, gelten für grenzüberschreitende Notarzt-Einsätze zwischen Deutschland und Österreich seit einigen Wochen neue Rahmenbedingungen. Diese stellen nunmehr deren Durchführbarkeit gänzlich in Frage.
„Aus Sicht der Akutversorgung sind die seitens Ärztekammer und Ministerium formulierten Rahmenbedingungen für die punktuell notwendige grenzüberschreitende Akutversorgung durch Notarztrettungsmittel völlig unverständlich. Sie gefährden die grenzüberschreitende Kooperation in Notfällen und damit die Patientensicherheit“, sagt der Leiter der Sektion Notfallmedizin in der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), Prim. Priv.-Doz. Dr. Helmut Trimmel MSc. „Für die jahrelang bewährte Praxis grenzüberschreitender Zusammenarbeit zweier EU-Staaten, die Leben rettet und in Grenzregionen die Notfallversorgung optimiert, werden Hürden aufgebaut, für die Akutversorgerinnen und -versorger in Deutschland und Österreich kein Verständnis haben. Wir appellieren an die Gesundheitspolitik, diese Situation ehestmöglich zu sanieren – etwa durch eine explizite Ausnahmeregelung für Notfalleinsätze oder durch ein zwischenstaatliches Abkommen mit Deutschland. Beide Länder können nicht auf diese wertvolle Ressource notfallmedizinischer Nachbarschaftshilfe verzichten. Die ÖGARI ist auch bereits mit diesem dringlichen Anliegen an das Gesundheitsministerium herangetreten.“
Der Hintergrund der aktuellen Debatte: Die gegenseitige grenzüberschreitende Unterstützung durch Einsatzkräfte ist in Grenzregionen gang und gäbe. Sind alle Einsatzmittel wie Hubschrauber oder Notarztwagen bereits belegt, springen im Ernstfall Kolleginnen und Kollegen aus dem Nachbarland ein. In Salzburg etwa rücken rund 200-mal pro Jahr österreichischer Notärztinnen und -ärzte zu Einsätzen in Bayern aus, rund 120-mal jährlich springen bayrische Einsatzkräfte hierzulande ein. Ganz ähnlich ist die Situation in Tirol.
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns hatte in einer Anfrage bei der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) um Klärung der berufsrechtlichen Rahmenbedingungen für solche punktuellen Akuteinsätze ersucht. Die ÖÄK hat sich auf Basis einer Einschätzung des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf den Standpunkt gestellt, dass es sich bei solchen Einsätzen um eine Tätigkeit nach §37 Ärztegesetz handelt. Das bedeutet unter anderem, dass Ärztinnen und Ärzte diese Tätigkeit vorab der ÖÄK zu melden und mit einer umfassenden Dokumentation ihre Qualifikationen zu belegen haben, die von der ÖÄK dann nachgeprüft werden können. Außerdem unterwerfen sie sich mit dieser Meldung den berufs- und disziplinarrechtlichen Vorschriften des österreichischen Ärztegesetzes. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns hat ihre Mitglieder aufgrund dieser Stellungnahme der ÖÄK nunmehr ausdrücklich auf die damit verbundenen „nicht absehbaren“ rechtlichen und Haftungsrisiken hingewiesen. Notfallmedizinerinnen und -mediziner fürchten nun, dass angesichts derartiger Auskünfte immer weniger Teams in Bayern zu grenzüberschreitenden Einsätzen bereit sein werden.
„Die herangezogenen Bestimmungen des § 37 Ärztegesetz zielen vom Zweck her ganz offensichtlich nicht auf diese spezielle Situation einer akuten Unterstützungsleistung im vitalen Notfall ab, in der jede Minute zählt. Sie sind für eine wiederholte Tätigkeit zum Beispiel von grenznah tätigen niedergelassenen deutschen Medizinerinnen und Mediziner, die auch in Österreich Patienten behandeln, gedacht und hier auch verständlich und nachvollziehbar. Für punktuell notwendige, akute Notfalleinsätze mit einem deutschen Rettungsmittel, wo die jeweilige Trägerorganisation sicherstellt, dass nur qualifizierte Notärztinnen und Notärzte zum Einsatz kommen, ist das realitätsfremd und absolut nicht im Interesse der betroffenen Patientinnen und Patienten, die sich in einer kritischen Notfallsituation befinden“, so Prim. Trimmel.
Nicht zuletzt im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Solidarität nach den jüngsten Unwettern und Verwüstungen wurde die große Bedeutung einer raschen, unbürokratischen, grenzüberschreitenden gegenseitigen Unterstützung in der Notfallmedizin wieder deutlich, so der Experte. „Niemand kann Verständnis dafür haben, dass in einem Vereinten Europa für rasche notfallmedizinische Hilfe über die Grenze hinweg Hürden aufgebaut werden. Die ÖGARI steht jedenfalls jederzeit bereit, die zuständigen Stellen bei einer raschen Klärung und Vereinfachung dieser Situation fachlich zu unterstützen.“
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