Pressekonferenz von Gesundheitsminister Anschober: Intensivmedizinischer Blick auf die Corona-Pandemie
COVID-19-Patientinnen und -Patienten in Intensivstationen, das bisherige Management der Pandemie im Bereich der Intensivmedizin und die sehr schweren Krankheitsverläufe, die intensivmedizinisch betreut werden müssen, standen im Mittelpunkt einer Pressekonferenz von Gesundheitsminister Rudolf Anschober, gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Klaus Markstaller (Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin, ÖGARI), Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer (Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Infektiologie), beide MedUni Wien/AKH Wien und Univ.-Prof. Dr. Günther Weiss (MedUni Innsbruck).
Gesundheitsminister Anschober betonte die aktuell stabile Situation bei der Zahl der positiv getesteten Personen und den positiven, stark abnehmenden Trend bei der Rate der hospitalisierten und intensivpflichtigen COVID-19-Patientinnen und Patienten. „Erstmals haben wir mit 838 aktiv Erkrankten wieder die Grenze von 1000 unterschritten. Und auch die Zahl der Hospitalisierten und in der Intensivmedizin Betreuten sinkt weiter auf 174 bzw 37. (Stand 20.5.: 37 SARS-CoV-2-positive Personen in intensivmedizinischer Betreuung). „Das geht in die richtige Richtung“, so Bundesminister Anschober. „Die Intensivstationen waren für uns von Beginn an ein kritisches Thema. Unser Ziel war immer, unsere hervorragende Intensiv-Infrastruktur nicht zu überlasten.“ Die Prognosemodelle würden zeigen, dass aus derzeitiger Sicht diesbezüglich mit keinen großen Veränderungen zu rechnen sei – vorausgesetzt, es bleibt die Vorsicht aufrecht. „Unser aller Kraft muss dahin gehen, eine zweite Welle zu verhindern, weil wir uns das Virus noch viele Monate begleiten wird“, so der Gesundheitsminister.
Der Kurs stimmt, wir haben die schwerste Gesundheitskrise seit Jahrzehnten bisher in Österreich sehr gut bewältigt, aber wir müssen weiter sehr konsequent und vorsichtig sein, damit diese Entwicklung auch den nächsten Monaten gut fortgesetzt wird. Und sobald neue Ansteckungs-Cluster auftreten, müssen wir sehr konsequent und entschieden und mit aller Kraft deren Ausbreitung begrenzen. Genau daran arbeiten wir auch beim aktuellen Cluster in Wien/Niederösterreich“, freut sich der Gesundheitsminister über die aktuelle positive Entwicklung.
ÖGARI-Präsident Prof. Markstaller: Unsere gute Infrastruktur schützen
„In einer Metapher gesprochen haben wir uns mit dem Beginn der Pandemie mit unserem intensivmedizinischen Schiff in ein Gewässer begeben, wo andere nennenswerte Schiffe zuvor schon in Seenot geraten sind oder nahe am kentern waren, wie uns die Erfahrungen aus Wuhan oder Italien gezeigt haben“, betonte ÖGARI-Präsident Univ.-Prof. Dr. Klaus Markstaller.
Dank der intensiven und professionellen Vorbereitung in Österreichs Spitälern – uns insbesondere an den intensivmedizinischen Abteilungen, wurden die intensivmedizinischen Kapazitäten hierzulande frühzeitig entlastet und ausgebaut. „So gerieten wir im bisherigen Verlauf der Pandemie nie Seenot, es gab zu keinem Zeitpunkt die zu Recht gefürchtete Überlastung Versorgungssystems“, so Prof. Markstaller. „Wir konnten weiterhin an den Intensivstationen jene bewährte Individualmedizin betreiben, wie wir sie auch sonst gewährleisten, und immer individuelle therapeutische Entscheidungen – soweit möglich gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten und den Angehörigen – treffen.“
So sei es in Österreich auch eine Triage-Situation, wie sie in vielen anderen Ländern eingetreten ist, vermeidbar geblieben. „Doch auch darauf haben wir uns vorbereitet“, so der ÖGARI-Präsident. „In der ÖGARI wurden schon früh vorsorglich Empfehlungen zum Thema Triage entwickelt, um die Kolleginnen und Kollegen in den Stationen bestmöglich zu unterstützen. Zum Glück mussten sie nicht zum Einsatz kommen.“
Jetzt befinde man sich wieder „auf der Rückfahrt in Richtung sicherer Hafen, aber wir haben diesen noch nicht erreicht, denn das wäre erst bei Verfügbarkeit einer kausalen Therapie oder einer Immunisierung der Bevölkerung der Fall“, betonte Prof. Markstaller. „Wir sind jetzt entspannter, weil die Zahlen aktuell sehr gut sind, aber wir müssen weiter vorbereitet sein, sollten wir wieder in schwerere und unruhigere Gewässer geraten. Wir müssen unsere gute intensivmedizinische Infrastruktur weiterhin gut schützen.“
Der ÖGARI Präsident unterstrich, dass man in Österreich stolz darauf sein könne, diese Phase der Krise so gut bewältigt zu haben: „Das waren wichtige und richtige Vorsorgemaßnahmen in einer kritischen Lage.“ Immerhin seien während es gesamten Verlaufes die Intensivstationen zu 80 bis 85 Prozent mit kritisch kranken Menschen belegt gewesen, die nicht SARS-CoV-2-positiv waren, sondern an anderen schweren Erkrankungen litten – die Kapazitäten hätten also auch leicht an ihre Grenzen kommen können.
Suche nach spezifischen Therapien
„Das Virus ist ein Chamäleon,” sagte der Infektiologe Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer. „Immer wieder treten neue Symptome oder Erkrankungsformen auf.“ So würden sich etwa bei Kindern dem Kawasaki-Syndrom sehr ähnliche Formen zeigen. Man sehe auch vermehrt Frostbeulen-ähnliche Symptome an den Zehen. Eine zentrale Rolle spiele, wie sich inzwischen zeigt, bei sehr vielen schwer erkrankten Menschen eine Gerinnungsproblematik.
„Wir versorgen alle kritisch kranken COVID-19-Patientinnen und -Patienten bestmöglich. Aber es fehlt uns nach wie vor eine spezifische Therapie, auch wenn es viele Ansätze gibt, an denen intensiv geforscht wird“, so Prof. Markstaller. „Auch in Wien wurde eine Reihe von Studien initiiert.“
Grafik: Zahl der intensivpflichtigen COVID-19-Patientinnen und -Patienten (größere Ansicht)