Vom 4. bis 7. September fand in Valencia in Spanien der 11. Kongress der Europäischen Schmerz-Föderation (EFIC) statt. Wir stellen österreichische Beiträge vor, die sich mit einer breiten Palette an Themen befassten.

Effekte multimodaler Schmerztherapie

Am Klinikum Klagenfurt am Wörthersee wurde bereits 2012 ein multimodales Behandlungsprogramm für Patienten mit chronischen Schmerzen etabliert. Mittlerweile haben bereits rund 800 Betroffene mit chronischen Rücken-, muskuloskeletalen Schmerzen oder chronischen Kopfschmerzen dieses jeweils vier Wochen dauernde Programm (in Gruppen zwischen acht und zehn Patienten) mit nachfolgenden „Refreshern“ absolviert. Im Rahmen der Studie wurde der Effekt der multimodalen Schmerztherapie erhoben.1

Dazu erhielten alle 380 Patientinnen und Patienten, welche zwischen 2012 und 2015 das Programm absolviert hatten, Fragebögen. Gleichzeitig erfolgten telefonische Kontakte. Die Ergebnisse:

  • 167 von 380 Patienten beantworteten den Fragebogen und konnten kontaktiert werden, was einer Beteiligung von 44 Prozent entsprach.
  • 60 Prozent der Patienten berichteten über eine signifikante oder hoch signifikante Verbesserung ihres Gesundheitszustandes.
  • 93 Prozent waren sehr oder zumindest zufrieden mit der Therapie.
  • 60 Prozent konnten ihrer beruflichen Beschäftigung nachgehen.
  • Es kam zu einer signifikanten Besserung der Schmerzsymptomatik und zu einer signifikanten Verbesserung der subjektiven Lebensqualität.

Neue APP soll Patienten nach Hüft- oder Kniegelenksersatz helfen

Immer mehr Menschen benötigen einen künstlichen Gelenksersatz, speziell Hüft- und Knieendoprothesen. Gleichzeitig wird die Dauer des Spitalsaufenthalts durch Frührehabilitation etc. immer kürzer. Die Patientinnen und Patienten benötigen für den Prozess der Genesung, aber auch bereits vor der Operation umfassende Informationen zur Operation sowie die für ihr Alltagsleben wichtigen Anpassungen danach. Daher entwickelt das Team vom Institut für Pflegewissenschaft und -praxis der PMU Salzburg derzeit die RECOVER-E-App für Smartphones zur Information, Motivation und Unterstützung von Patienten rund um solche Operationen2.

Der Effekt der Verwendung der App wird in einer doppelarmigen Studie in vier Krankenhäusern an einem Patientenkollektiv untersucht: Bestimmt werden soll der Einfluss der App auf die Mobilität und Schmerzintensität nach Hüft- oder Kniegelenksersatz innerhalb von drei Monaten nach der Operation. Daten zur Funktion im täglichen Leben, Schmerzen und Lebensqualität werden insgesamt fünfmal erhoben (vier bis sechs Wochen vor der Operation, am Tag der Spitalsaufnahme, einen, und sieben Tage nach dem Eingriff sowie nach drei Monaten).

Schmerzen bei Menschen, die ihre Symptome nicht ausreichend artikulieren können

Ebenfalls vom Institut für Pflegewissenschaft und -praxis der Paracelsus Medizin-Universität Salzburg kam eine beim EFIC präsentierte Studie3 zu chronischen bzw. akuten Schmerzen bei Patienten in Pflegeheimen, die Art und Schwere ihrer Beschwerden selbst nicht mehr ausreichend beschreiben können. Dies trifft besonders auf die immer größer werdende Zahl von Pflegeheiminsassen mit schwerer Demenz zu.

An der Studie im Zeitraum 2016 bis 2018 in 20 Pflegeheimen nahmen 311 Pflegekräfte in solchen Institutionen Teil. In Interviews wurde auch erhoben, ob die Pflegekräfte einen Unterschied zwischen akuten und chronischen Schmerzen bei den Betroffenen identifizierten. Die Ergebnisse zeigten, dass einige Pflegekräfte nicht zwischen akuten und chronischen Schmerzbeschwerden differenzierten. Der Grund dafür lag vor allem darin, dass sie dazu nicht aufgefordert wurden und es für sie bezüglich der notwendigen Intervention auch keinen Unterschied machte. Jedenfalls sollte die Aus- und Fortbildung auf eine vermehrte Kompetenz auf diesem Gebiet ausgerichtet werden, schlossen die Autoren.

Lysophosphatidsäure und Schwannzellen

Hinweise auf einen Signalweg mit Bedeutung für demyelisierende Erkrankungen hat eine österreichisch-deutsche Wissenschaftergruppe im Zusammenhang mit Lysophosphatidsäure (LPA) gefunden. LPA ist ein bioaktives Lipid, das seinen Effekt als Kalzium-Influx über eigene Rezeptoren (LPA 1-6) entfaltet. Die Forscherinnen und Forscher konnten zeigen, dass LPA Satelliten-Glia-Zellen (SGCs) und Schwann Zellen aktiviert, aber keinen Effekt auf Neuronen selbst besitzt.

Das Forschungsteam quantifizierte im Rahmen ihrer beim EFIC-Kongress präsentierten Untersuchung4 die Zellaktivierung per Kalzium-Mikrofluorimetrie in Zellkulturen (SGCs und Schwann Zellen aus Spinalganglien) und bestimmten die Verteilung der LPA-Rezeptoren auf den verschiedenen Zelltypen. In Schwann Zellen kann die Wirkung von LPA durch Inhibitoren des LPA1-Rezeptors verhindert werden. LPA führt auch zu morphologischen Veränderungen der Zellen, die auf eine Verringerung der Myelin-Scheiden hinweisen könnten.

Neue molekulare Mechanismen der Nociception

Neue und konservierte nozizeptive Signalwege bei angeborener Schmerzunempfindlichkeit (Congenital Insensivity to Pain – CIP) hat eine Studiengruppe aus Wien, Innsbruck und Brüssel identifiziert.5 CIP-Syndrome sind seltene genetisch bedingte Störungen, die durch die Absenz von Schmerzempfindung infolge von dysfunktionalen oder nicht vorhandenen sensorischen Neuronen charakterisiert sind. Untersuchungen zu CIP-Syndromen sind wichtig für ein besseres Verständnis der Nozizeption insgesamt.

Bekannt ist bereits, dass Mutationen des Gens für das PRDM12-Protein eine Form von CIP verursachen können. Die Studiengruppe versuchte in verschiedenen Mausmodellen, die Funktion von PRDM12 für die Nozizeption zu klären und seine nachgelagerten molekularen Targets zu identifizieren. PRDM12 wird offenbar in einem bestimmten Subtyp von Schmerzrezeptoren der Spinalganglien exprimiert und reguliert deren Überleben und Funktion. Erstmals wurde in den Arbeiten das Homeobox-Protein MOX-2 (MEOX2) als Target von PRDM12 identifiziert und seine Rolle in der Schmerzempfindung in einem Modell von MEOX2-defizienten Mäusen untersucht.


1EFIC 2019 Abstracts: Köstenberger et al. Multimodal pain therapy and what then? A re-evaluation of the therapeutic success 3 years after completion of the treatment.

2EFIC 2019 Abstracts: Nestler et al. RECOVER-E – A mobile support for patients with hip- or knee replacement.

3EFIC 2019 Abstracts: Gnass et al. Make the difference between acute or chronic pain in older adults not able to self-report.

4EFIC 2019 Abstracts: Ciotu et al. Lysophosphatidic acid activation of Schwann cells.

5EFIC 2019 Abstracts: Nagy et al. Discovery of novel and conserved nociceptive pathways in congenital insensitivity to pain.