Vom 1. bis 4 Juni fand in Kopenhagen der europäische Anästhesiekongress Euroanaesthesia 2018 statt. Mehr als 6.000 Teilnehmerinnen trafen bei diesem größten anästhesiologischen Kongress in Europa zusammen. Eine Reihe von österreichischen Forschungsgruppen haben auf dem Kongress ihre Arbeiten präsentiert. anaesthesie.news stellt sie hier vor.
Distickstoffmonoxid-Exposition während des Einsatzes eines neuen Applikationssystems
Eine Studie der MedUni Wien untersuchte das Ausmaß der Belastung durch Distickstoffmonoxid (Lachgas) bei 36 gesunden Studienteilnehmern während des Einsatzes eines neuen Applikationssystems (ExcidioTM, Linde Group). Eine Mischung aus 50 Prozent Distickstoffmonoxid und 50 Prozent Sauerstoff wird bei kurzen operativen Eingriffen häufig verwendet, allerdings sind bei längerfristiger Exposition ernste unerwünschte Wirkungen bekannt. Die MAK-Werte für Lachgas liegen in Österreich kurzfristig bei 400ppm, langfristig bei 100ppm. Die Studie untersuchte, ob diese Werte bei Anwendung von Excidio überschritten werden. Die Probanden inhalierten über eine Gesichtsmaske 15 Minuten Lachgas, vor und nach der Inhalation wurde die Gaskonzentration in einem Abstand von 15 cm und 1m von der Nase gemessen. Es zeigte sich, dass die kurzfristigen MAK-Werte 15 cm von der Maske bei 29,4 Prozent der Probanden überschritten wurden, die langfristigen MAK-Werte bei 43,3 Prozent. Das Langzeit-Limit wurde 6 Minuten überschritten mit einem Median von 77ppm.
Da es keine eindeutige Evidenz zu den toxischen Levels von Distickstoffmonoxid in der klinischen Praxis gibt, sei die klinische Bedeutung dieser Ergebnisse für Interpretationen offen, so die Studienautoren. Weitere Untersuchungen unter Real Life Arbeitsbedingungen seien erforderlich.
P. Schukro et al: Levels of Nitrous Oxide Exposure during Use of a New Application System in Healthy Male Volunteers
Niedermolekulares Heparin bei Patienten mit Lungentransplantation mit periprozeduraler ECMO-Unterstützung
Eine retrospektive Beobachtungs- und Kohortenstudie der MedUni Wien untersuchte den Einsatz von niedermolekularem Heparin bei Patienten mit Lungentransplantation mit periprozeduraler ECMO-Unterstützung. Verglichen wurde subkutan appliziertes niedermolekulares Heparin (LMWH) mit intravenös verabreichtem unfraktioniertem Heparin (UFH) bei der Antikoagulation während der ECMO.
Primärer Endpunkt war das Auftreten von zumindest einer schweren Blutung (chirurgische Intervention, intrakranielle Blutung oder Exsanguination), sekundärer Endpunkt das Auftreten von zumindest einem thromboembolischen Ereignis. Eingeschlossen wurden 102 Patienten (80 LMWH, 22 UFH), untersucht wurden insgesamt 452 ECMO-Tage. Bei 22,7 Prozent der UFH-Patienten traten schwere Blutungen auf, gegenüber 12,5 Prozent der LMWH-Gruppe. Bei 50 Prozent der UFH-Patienten kam es zu einem thromboembolischen Event, in der LMWH-Gruppe waren es 20 Prozent. Bei der UFH-Gruppe kam es insgesamt bei 59,1 Prozent der Probanden zu einem Event, in der LMWH-Gruppe bei 31,3 Prozent.
Die Antikoagulation mit LMWH für die ECMO Therapie bei Lungentransplantations-Patienten scheint UFH nicht unterlegen zu sein, so die Studienautoren. Sie empfehlen weitere prospektive, randomisierte, kontrollierte Studien zum Thema.
Pausch et al.: Low molecular weight heparin in patients undergoing lung transplantation with periprocedural ECMO support – a retrospective, observational cohort study.
Inhalatives Budesonid verringert nicht hypoxische pulmonale Vasokonstriktion nach einem raschen Aufstieg auf 4.559 Höhenmeter
Hypoxische pulmonale Vasokonstriktion (HPV) trägt zur Pathophysiologie mehrerer Krankheiten bei, unter anderem dem Höhenlungenödem (HAPE). Die orale Einnahme des Kortikoids Dexamethason kann die HPV verringern und HAPE verhindern. Eine Gruppe des Uniklinikums Salzburg (Salzburg Mountain Medicine Research Group, SMMRG) untersuchte, ob die Inhalation des Kortikosteroids Budesonid die HPV nach einem zügigen Aufstieg auf die Höhe von 4.559 Meter abschwächt. Fazit der Studienautoren: Inhalatives Budesonid verringerte nicht das Ausmaß der HPV nach dem Aufstieg auf diese Höhe. Deshalb sei es unwahrscheinlich, dass inhalatives Budesonid – im Unterschied zu oralem Dexamethason – in der Prävenion von HAPE wirksam sei.
Macholz et al.: Inhaled budesonide does not attenuate hypoxic pulmonary vasoconstriction after rapid ascent to 4559 m
Rascher Aufstieg auf 4.559 Höhenmeter beeinflusst nicht die linksventrikuläre diastolische Funktion bei gesunden Studienteilnehmern
Der rasche Aufstieg auf 4.559 Höhenmeter beeinflusst nicht die linksventrikuläre diastolische Funktion bei gesunden Studienteilnehmern, berichtet eine Studiengruppe des Uniklinikums Salzburg (Salzburg Mountain Medicine Research Group, SMMRG). 50 Studienteilnehmer überwanden die Differenz zwischen 1.130 und 4.559 Höhenmetern in 22 Stunden inklusive einer Übernachtung in 3.611 Meter Höhe. Sie wurden per 2D Echokardiografie untersucht vor Antritt des Aufstiegs sowie nach 7, 20 und 44 Stunden in großer Höhe. Puls (HR), mittlerer arterieller Druck (MAP) und systolischer Pulmonalarteriendruck (sPAP) wurden gemessen und umfangreiche weitere Untersuchungen durchgeführt.
Die körperliche Anstrengung und der Aufenthalt in großer Höhe erhöhten den systolischen pulmonalarteriellen Druck (sPAP), beeinflussten aber nicht die linksventrikuläre diastolische Funktion (LV). Menschen mit bestehender linksarterieller oder linksventrikulärer Erkrankung, so die Studienautoren, haben eventuell nach einem schnellen Aufstieg in große Höhen ein erhöhtes Risiko für Linksherzinsuffizienz und Höhenlungenödem.
Schäfer et al.: Rapid ascent to high altitude (4559 m) does not impair left ventricular diastolic function in healthy volunteers
Auswirkung intravenösen S-Ketamins auf die minimale alveoläre Konzentration (MAC) von Sevofluran
S-Ketamin in klinisch üblichen Dosierungen verringert signifikant die minimale alveoläre Konzentration (MAC) von Sevofluran ohne Zunahme unerwünschter Effekte. Das ist das Ergebnis einer Studie der MedUni Wien. S-Ketamin wird eingesetzt, um den Opioidkonsum während der Vollnarkose zu reduzieren. Es wurde berichtet, dass Ketamin die MAC volatiler Anästhetika in Tieren reduziert, für Menschen sei dies jedoch nicht geklärt, weshalb die Studiengruppe das in einer prospektiven doppelblinden Studie bei 50 elektiven Patienten untersuchte. Nach der Verabreichung von Sevofluran bekamen die Patienten entweder hoch- oder niedrigdosiertes S-Ketamin, oder Placebo. Beobachtet wurde die Reaktion auf einen Hautschnitt, gemessen wurden die Unterschiede bei den MAC-Werten der drei Gruppen. Unerwünschte Effekte wie Halluzinationen oder Bewusstsein wurden festgehalten.
Die MAC von Sevofluran in der Hochdosis-Gruppe und der Niedrigdosis-Gruppe unterschieden sich signifikant von den MAC-Werten der Placebo-Gruppe. Es gab keine unerwünschten Wirkungen.
Langauer et al.: The effect of intravenous S-ketamine on the minimal alveolar concentration of Sevoflurane
Einfluss präoperativer Anämie auf die Einjahres-Sterblichkeit nach orthotopen Lebertransplantation
Präoperative Anämie ist mit erhöhtem intraoperativen Erythrozytenbedarf assoziiert, hat aber keinen Einfluss auf die Einjahres-Sterblichkeit bei Patienten mit Lebererkrankungen im Endstadium, die sich ihrer ersten orthotopen Lebertransplantation (OLT) unterzogen. Das ist das Ergebnis der vorläufigen Analyse einer retrospektiven Single-Center-Studie der MedUni Wien, in die 607 Probanden eingeschlossen wurden, die zwischen 2004 und 2016 ihre erste OLT hatten. Ausschlusskriterien waren kombinierte Leber-Nieren-Transplantationen und Leber-Lungen-Transplantationen. Die Hämoglobin-Werte wurden innerhalb 24 Stunden vor der Operation gemessen.
Während der OLT benötigten nicht-anämische Patienten intraoperativ weniger Erythorzytenkonzentrate als anämische Patienten (2±3 versus 4±5 Einheiten). Die Einjahres-Sterblichkeit nach OLT unterschied sich mit 21 Prozent bei Patienten ohne präoperative Anämie nicht von jener mit präoperativer Anämie. Endgültige Resultate werden bis Jahresende erwartet.
Lichtenegger et al.: The influence of preoperative anemia on one-year mortality after orthotopic liver transplantation
Nicht-konvulsiver Status epilepticus nach offenen herzchirugischen Eingriffen
Patienten nach offener Herzoperation mit unerklärlicher verlängerter Teilnahmslosigkeit bedürfen einer besonderen Aufmerksamkeit. EEG Untersuchungen sollten eventuell häufiger durchgeführt werden, um das frühzeitige Erkennen einer schwer fassbaren und potentiell verheerenden Form neuronaler Übererregung, des Status epilepticus, zu erleichtern. Das ist das Ergebnis der Arbeit einer Studiengruppe von der MedUni Wien.
Krämpfe nach Herzoperationen wurden als Typ II unerwünschte neurologische Outcomes charakterisiert. Sie kommen bei 5 bis 70 von 1.000 erwachsenen herzchirurgischen Patienten vor. Das Erkennen von nicht-konvulsiven Krämpfen im Intensivstation-Setting kann leicht zum Beispiel mit Übersedierung oder Verwirrung verwechselt werden. Die Verzögerung einer Diagnose, insbesondere eines nicht-konvulsiven Status epilepticus, ist assoziiert mit einem deutlichen Anstieg der Morbidität und Mortalität.
Das Forscherteam untersuchte retrospektiv das EEG von Patienten nach herzchirurgischen Eingriffen. Alle EEG waren von konsultierenden Neurologen empfohlen worden, um postoperative Hirnschäden entweder zu bestätigen oder auszuschließen, und wurden von drei Epileptologen re-analysiert. Nicht-konvulsiver Status epilepticus wurde bei 4 Patienten nach Aortenklappen-Operationen (AVR) (0,9%) und einem Patienten (0,3%) nach Bypass-Chirurgie (CABG) festgestellt. Trotz der Limitierungen dieser Studie, so die Autoren, scheint es, dass nicht nur die Häufigkeit von Krämpfen bei offenen Herzoperationen ansteigt, sondern auch die Häufigkeit des nicht-konvulsiven Status epileptikus. Die dreimal höhere Inzidenz dieser oft übersehenen Form von Krämpfen mache Patienten nach offenen herzchirurgischen Eingriffen vulnerabler für schwere unerwünschte postoperative zerebrale OutcomesSkhirtladze Dworschak et al.: Non-convulsive status epilepticus after cardiac surgery with cardiopulmonary bypas