Außergewöhnliche Situationen wie die Coronavirus-Pandemie machen es notwendig, nach ungewöhnlichen Lösungen zu suchen. In Dänemark wurden zur Überbrückung personeller Engpässe bei der Betreuung von COVID19-Patienten erfolgreich Medizinstudierende rekrutiert.1 Wie Univ.-Prof. Dr. Burkhard Gustorff, Vorstand der Abteilung für Anästhesie, Intensiv- und Schmerzmedizin am Wilhelminenspital der Stadt Wien, erklärt, stehen auch in Österreich entsprechende Pläne zur Umsetzung bereit.

Aufgrund der Personalknappheit in den Spitälern hat der Dänische Premierminister am 11. März 2020 zur Mobilisierung aller verfügbarer medizinischer Kräfte, darunter auch Studierende der Medizin, aufgerufen. „Das ging nur durch eine enge und schnelle Zusammenarbeit zwischen dänischer Regierung und den medizinischen Universitäten“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Burkhard Gustorff, Vorstand der Abteilung für Anästhesie, Intensiv- und Schmerzmedizin am Wilhelminenspital der Stadt Wien. Dieses Aufruf war gleichermaßen Startschuß und Erlaubnis für neue und bis dahin ungewöhnliche Maßnahmen.

Das Aalborg-Model

Die Präsenzlehre an der Universität wurde nach dem Aufruf sofort total gestoppt. „An ihrer Stelle wurden drei praktische Aufgabenfelder definiert und eingeführt: Assistenz für Beatmungstherapie und Pflege-Assistenz sowie Mitarbeit in den Pandemie-Gruppen“, erläutert Prof. Gustorff das dänische Vorgehen. „Die Studierenden des letzten Jahres wurden vorübergehend angestellt und die anderen Studierenden zur freiwilligen Mitarbeit aufgerufen und eine Anerkennung ihrer Tätigkeit im Rahmen des Studiums zugesagt.“

Österreich ist vorbereitet

Das Aalborg-Modell wäre auch in Österreich umsetzbar. „Bereits in der zweiten Märzwoche lag uns die Zustimmung unserer Direktion zu einem Erweiterungskonzept für unser medizinisches Personal vor“, sagt Prof. Gustorff. Dabei bietet das Netz an universitären Lehrkrankenhäusern in Österreich Vorteile. „Bei uns ist das klinisch praktische Jahr fester Bestandteil des letzten Studienjahrs. Wir hatten also im März in unseren Lehrkrankenhäusern zahlreiche KPJ-Studierende. Außerdem sind wir durch die regelmäßigen Pflichtpraktika, wie zum Beispiel Notfall- und Intensivmedizin, erfahren und routiniert in der Lehre und praktischen Ausbildung unseres Nachwuchses.“

Es sei daher rasch vereinbart worden, alle KPJ-Studierende des Spitals in die intensivmedizinische Assistenz einzuarbeiten, sobald eine Erweiterung der Kapazität notwendig würde. „Dazu haben wir innerhalb eines Tages unsere KPJ-Intensiveinführung adaptiert – übrigens mit toller Unterstützung unserer aktuellen KPJ-Studentin – und ein Stufenkonzept bestehend aus Theorie, Train-the-Trainer-Bereichen und Mentoren-begleiteten praktischen Einführungen zusammengestellt. Geräte-Einführung und MPG-Schulung sind ebenso Teil des Konzepts wie die Basis der Beatmungstherapie und wesentliche Aspekte der täglichen Intensivbehandlung.“

Hohe Bereitschaft zur Mithilfe

Die Bereitschaft der dänischen Medizinstudierenden zur Mithilfe bei der Bewältigung der Pandemie war schließlich überwältigend groß. Innerhalb von zwei Wochen hatten sich alle Master-Studierende freiwillig zu einem Einsatz in der Klinik gemeldet.1 Fast zwei Drittel der Studierenden (161 von 257) arbeiteten Teilzeit als Residents, in der Beatmungs- oder Pflegeassistenz. Über 70% der Bachelor-Studierenden (329 von 454) hatten sich innerhalb einer Woche ebenfalls freiwillig gemeldet und 31% (142) arbeiteten auf neun Pandemie-Notfallstationen.

Prof. Gustorff dazu: „Unsere Studierenden sind genauso motiviert. Wir hatten zahlreiche Anfragen zu freiwilligen Famulaturen und immer den Hinweis, dass die Studierenden unbedingt unterstützen wollen in dieser schwierigen Situation. Da wir zur Zeit noch nicht abschätzen können, ob wir im Spätsommer unsere Intensivkapazitäten erweitern müssen, bleibt unser Konzept vorerst weiter in Bereitschaft.“

Historisches Vorbild

Die Idee, Medizinstudierende in Krisensituationen zu mobilisieren, ist nicht neu. „Ich habe von Anfang an immer an unser großes Vorbild in Skandinavien, die Polio-Epidemie von 1952, erinnert“, so Prof. Gustorff. „Wir kennen alle die Fotos mit der Eisernen Lunge, als Medizinstudierende in Schichten über 24 Stunden von Hand Polio-Patientinnen und Patienten beatmeten. Sie trugen so entscheidend zum Überleben der Erkrankten bei. Das war übrigens auch der Durchbruch für die positive Beatmung und die Entwicklung von Beatmungsgeräten.“

Referenz:

  1. Rasmussen S et al. Medical Students for Health-Care Staff Shortages During the COVID-19 Pandemic. Lancet 2020;395:e79-e80.