Rund ein Fünftel der Patientinnen und Patienten mit COVID-19, die von Ende Februar bis Mitte April 2020 in deutschen Krankenhäusern aufgenommen wurden, sind verstorben. Bei Betroffenen mit Beatmung lag die Sterblichkeit bei 53 Prozent, bei Personen ohne Beatmung mit 16 Prozent deutlich niedriger. Insgesamt war bei 17 Prozent der Erkrankten eine Beatmung erforderlich. Das sind einige Ergebnisse einer Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und der Technischen Universität Berlin, die in The Lancet Respiratory Medicine veröffentlicht wurde.
Insgesamt verstarb etwa ein Fünftel (22 Prozent) der stationär behandelten Patientinnen und Patienten mit COVID-19. Dabei lag die Sterblichkeit der Männer mit 25 Prozent um 6 Prozentpunkte über jener der erkrankten Frauen (19 Prozent). Unabhängig vom Geschlecht war die Mortalität bei den älteren Personen sehr hoch: 27 Prozent verstarben in der Altersgruppe der 70- bis 79-Jährigen, 38 Prozent in der Gruppe der Menschen ab 80 Jahren.
Etwas mehr als die Hälfte der Patientinnen und Patienten, die beatmet werden mussten, verstarben (53 Prozent). Die höchsten Sterblichkeitsraten waren bei beatmeten Erkrankten in der Altersgruppe von 70 bis 79 Jahren (63 Prozent) sowie bei den Patienten ab 80 Jahren (72 Prozent) zu verzeichnen. Auch bei den beatmeten Personen, die während des Krankenhausaufenthalts wegen eines Nierenversagens zusätzlich dialysepflichtig waren (27 Prozent aller beatmeten Patienten), lag die Sterblichkeit mit 73 Prozent sehr hoch. Frauen und Männer wiesen im Falle der Beatmung eine ähnliche Sterblichkeit auf. Bei den Patienten ohne Beatmung war die Sterblichkeit zwar deutlich geringer, erreichte aber immerhin 16 Prozent. Auch hier korrelierte das Alter mit der Sterblichkeit. „Die hohen Sterblichkeitsraten machen deutlich, dass in den Kliniken relativ viele Patienten mit einem sehr schweren Krankheitsverlauf behandelt wurden. Diese schweren Verläufe betreffen eher ältere und gesundheitlich bereits beeinträchtigte Menschen, kommen aber auch bei jüngeren Patienten vor“, sagt Jürgen Klauber, Geschäftsführer des WIdO. „Auch wenn die Infektionszahlen in Deutschland im Moment niedrig sind, sollten weiterhin alle nötigen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, um das Infektionsrisiko in der Bevölkerung so gering wie möglich zu halten.“
Männer fast doppelt so häufig beatmet wie Frauen
In der Studie sind die Daten der an COVID-19 Erkrankten mit und ohne Beatmung getrennt ausgewertet worden. Insgesamt wurden 1.727 (17 Prozent) der 10.021 stationär behandelten Patientinnen und Patienten mit COVID-19 künstlich beatmet. Etwas mehr als drei Viertel von ihnen erhielt eine invasive Beatmung. Das Durchschnittsalter lag bei 68 Jahren – sowohl in der Gruppe der beatmeten als auch der nicht beatmeten Personen. Der Anteil der beatmeten Patientinnen und Patienten unterschied sich nach Altersgruppen: Bei den 60- bis 69-Jährigen sowie bei den 70- bis 79-Jährigen lag er bei 24 beziehungsweise 25 Prozent, in der Gruppe der 18- bis 59-Jährigen jedoch nur bei 15 Prozent und bei den Patienten ab 80 Jahren bei 12 Prozent. „Der Anteil der älteren Patienten mit Beatmung liegt zwar relativ niedrig, aber wir können davon ausgehen, dass in Deutschland alle Patienten beatmet werden konnten, bei denen das therapeutisch notwendig erschien. Denn bundesweit standen zu jedem Zeitpunkt der Pandemie genügend freie Intensivbetten zur Verfügung und die Kapazität der Intensivstationen war zum Glück nie voll ausgelastet“, so Christian Karagiannidis, Sprecher der DIVI-Sektion „Lunge – Respiratorisches Versagen“ sowie Leiter des ECMO-Zentrums der Lungenklinik Köln-Merheim. „Der internationale Vergleich ist wegen unterschiedlichen Stichproben der Studien schwierig. Aber es gibt Hinweise darauf, dass in anderen Ländern tendenziell weniger hochaltrige Menschen mit COVID-19 beatmet wurden – vermutlich auch aus Kapazitätsgründen.“
Interessante Ergebnisse liefert auch ein Blick auf die Verteilung zwischen den Geschlechtern: Der Anteil der beatmeten Männer lag bei 22 Prozent und war damit fast doppelt so hoch wie bei den Frauen (12 Prozent), die Sterblichkeit lag hingegen auf einem vergleichbaren Niveau.
Beatmete Patienten haben häufiger Begleiterkrankungen, lange Beatmungsdauer
Stationär behandelte COVID-19-Patienten weisen häufig eine Reihe von Begleiterkrankungen auf. Der Anteil der Menschen mit Begleiterkrankungen liegt bei den beatmeten Kranken deutlich höher als bei den Patientinnen und Patienten ohne Beatmung. So hatten beispielsweise 24 Prozent der Personen ohne Beatmung Herzrhythmusstörungen; bei den Patientinnen und Patienten mit Beatmung waren es 43 Prozent. Eine Diabetes-Erkrankung lag bei 26 Prozent der Personen ohne Beatmung und bei 39 Prozent der Menschen mit Beatmung vor.
Die durchschnittliche Dauer des Krankenhausaufenthaltes der an COVID-19 Erkrankten betrug 14 Tage. Bei den nicht beatmeten Patientinnen und Patienten war sie mit 12 Tagen deutlich kürzer als bei den Beatmungspatienten mit 25 Tagen. Die Dauer der Beatmung lag im Durchschnitt bei 14 Tagen, im Median bei 10 Tagen. 23 Prozent mussten sogar länger als 21 Tage beatmet bleiben. „Mit unserer Auswertung liegen Zahlen für Projektionen zur Nutzung von Krankenhaus- und Beatmungskapazitäten vor. So fallen pro 100 stationäre Patienten durchschnittlich 240 Beatmungstage an. Dies sind für die Vorbereitung auf eine zweite Pandemie-Welle wichtige Zahlen. Bezüglich der normalen Krankenhausbetten ist aber auch bei hohen Infektionszahlen überhaupt kein Problem zu erwarten“, so Reinhard Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin.
In der Studie wurden 10.021 Patientinnen und Patienten mit bestätigter COVID-19-Diagnose analysiert, die vom 26. Februar bis zum 19. April 2020 in insgesamt 920 deutschen Krankenhäusern aufgenommen und bereits wieder entlassen wurden oder im Krankenhaus verstorben sind.
Quelle: Karagiannidis et al. Case characteristics, resource use, and outcomes of 10?021 patients with COVID-19 admitted to 920 German hospitals: an observational study; Lancet Respir Med 2020, July 28, 2020, https://doi.org/10.1016/, S2213-2600(20)30316-7