Nach dem Begutachtungsverfahren wurde kürzlich die aktuelle Regierungsvorlage zum Sterbeverfügungsgesetz dem Parlament übermittelt, in den kommenden Wochen soll sie verhandelt und beschlossen werden. Gegenüber dem Begutachtungsentwurf wurden eine Reihe von Präzisierungen und Ergänzungen vorgenommen. anaesthesie.news fasst die wichtigsten Bestimmungen zusammen und hat Kommentare von ÖGARI-Repräsentantinnen und -Repräsentanten zum aktuellen Entwurf eingeholt.

„In allen Säulen unseres vielfältigen Faches – Narkose, Notfall-, Intensiv-, Schmerzmedizin, Palliativbetreuung und Medizinethik – sind wir Anästhesistinnen und Anästhesisten mit den Ängsten, Sorgen und Ambivalenzen konfrontiert, die mit dem Sterben verbunden sein können. Wie der Gesetzgeber nach der höchstgerichtlichen Entscheidung zum Suizidverbot dieses regelt, beobachten wir daher naturgemäß mit großem Interesse“, sagt der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) Prim. Univ-.Prof. Dr. Walter Hasibeder. „Wir haben im Zuge dieser Debatte immer betont, dass wir es für wesentlich halten, durch die neue Regelung Missbrauch so gut wie möglich zu verhindern. Dies scheint durch die verpflichtende zweifache ärztliche Beratung und die Formvoraussetzungen bezüglich der Errichtung einer Sterbeverfügung weitgehend gewährleistet.“

Die ÖGARI habe wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die frühere Gesetzeslage aus ihrer Sicht durchaus ausreichend die Möglichkeit geboten habe, für jede Patientin und jeden Patienten im Einvernehmen mit ihr oder ihm individuell zu entscheiden, welche Therapien wir umsetzen oder wann eine Therapiezieländerung in Richtung palliative Begleitung vorgenommen werden soll, so der ÖGARI-Präsident. „Durch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ist eine neue Situation eingetreten und ab 1. Jänner wäre der assistierte Suizid ohne Einschränkungen und Voraussetzungen möglich, wenn keine andere gesetzliche Regelung beschlossen wird. Insofern ist es wichtig und zu begrüßen, dass das Parlament noch vorher ein neues Gesetz auf den Weg bringt.“

Einige Kernbestimmungen des Entwurfs

Die Regierung hat sich legistisch dafür entschieden, ein eigenes neues Gesetz zu schaffen, um die Materie zu regeln. Wie schon vom Verfassungsgerichtshof selbst und von zahlreichen Organisationen, auch der ÖGARI, gefordert, wurden eine Reihe von Voraussetzungen formuliert, die einen freien und selbstbestimmten Willensentschluss und eine Missbrauchsprävention bestmöglich absichern sollen.

Einige Kernbestimmungen des Entwurfs: Die sterbewillige Person muss an einer unheilbaren, zum Tode führenden oder einer schweren, dauerhaften Krankheit – definiert nach §120 ASVG – leiden, und der Leidenszustand für die betreffende Person nicht anders abwendbar sein. Es muss eine Aufklärung durch mindestens zwei ärztliche Personen erfolgen, von denen eine in Palliativmedizin qualifiziert sein muss. Ergibt sich dabei der Hinweis auf eine krankheitswertige psychische Störung, ist auch psychiatrische oder psychologische Fachexpertise beizuziehen. Die Sterbeverfügung muss durch eine „dokumentierende Person“ errichtet werden, das ist ein Notar oder eine Notarin oder eine rechtskundige Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter der gesetzlich vorgesehenen Patientenvertretungen. Letztlich gibt es also mindestens ein „Sechsaugen“-Prinzip für die Feststellung des freien Willensentschlusses. Um sicherzustellen, dass der Entschluss auch über längere Zeit besteht, muss zwischen erster Aufklärung und der Errichtung der Sterbeverfügung ein Zeitraum von mindestens zwölf Wochen liegen.  Ein Kernstück des Entwurfs ist auch die Freiwilligkeit der Unterstützung einer suizidwilligen Person – das gilt für Ärztinnen und Ärzte ebenso wie für andere Gesundheitsberufe, auch die Apotheken, die das Präparat abgeben. Keine Medizinerin, kein Arzt muss für das Präparat ein Rezept ausstellen, es ist mit der gültigen Sterbeverfügung beziehbar.

Geschäftemacherei mit dem assistierten Suizid soll durch ein Verbot von wirtschaftlichen Vorteilen durch die Hilfeleistung zur Selbsttötung verhindert werden, zudem ist ein Werbeverbot für Hilfeleistende verankert, gleichzeitig aber die Verbreitung sachlicher Information sichergestellt. Die konkrete Ausführung des lebensbeendenden Entschlusses soll wohl im privaten Rahmen erfolgen, eine „Institutionalisierung“ etwa in eigenen „Suizidstationen“, wie von manchen gefordert, ist jedenfalls im Entwurf nicht vorgesehen. Dieser Logik folgend gibt es auch keine Bestimmung über eine allfällige Finanzierung des assistierten Suizids durch das Sozialversicherungs- oder Krankenanstaltenfinanzierungs-System.

Gegenüber dem Begutachtungsentwurf, zu dem zahlreiche Stellungnahmen von Behörden, Organisationen und Einzelpersonen eingegangen sind, wurde eine Reihe von Präzisierungen und Ergänzungen vorgenommen, unter anderem hinsichtlich der Definition zentraler Begriffe, oder auch hinsichtlich möglicher Komplikationen bei der Einnahme des letalen Präparates.

ÖGARI-Vorstandsmitglied und 1. Vizepräsident der Österreichischen Palliativgesellschaft Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar sieht in einigen Punkten noch Präzisierungsbedarf und hofft auf eine Beantwortung dieser offenen Fragen in der parlamentarischen Behandlung. „Es schiene mir sinnvoll, dass bei der ärztlichen Beratung neben der palliativmedizinischen Qualifikation einer der beiden ärztlichen Personen auch die Qualifikation der zweiten ärztlichen Person präzisiert wird. Sollte da nicht Fachexpertise für das jeweilige Krankheitsbild vorhanden sein?“ Die konkrete Durchführung der lebensbeendenden Einnahme des Präparates bleibe im Entwurf offen, so Prof. Likar. „Kann der Suizid nur im privaten Umfeld durchgeführt werden bzw. was passiert, wenn eine Patientin oder ein Patient auf der Palliativstation oder im Krankenhaus eine Sterbeverfügung hat und sie hier umsetzen will?“

„In meinen Augen sollte der assistierte Suizid eine Ausnahme in der Sterbesituation bleiben“, sagt Univ.-Prof. Dr. Barbara Friesenecker, Vorsitzende der ARGE Ethik in der ÖGARI. „Palliativmedizin kann wahrscheinlich die meisten schwierigen Situationen am Lebensende abdecken, bis hin zur palliativen Sedierung bei intraktablem Leiden, wo ausreichende Symptomkontrolle bei einer wachen Patientin oder einem wachen Patienten nicht gelingt. Für die wenigen Ausnahmesituationen, wo ein assistierter Suizid nach breiter interdisziplinärer Diskussion die einzige und gewünschte Möglichkeit für Betroffene ist, sehe ich es als positiv, wenn die Beihilfe straffrei ist.“

Wichtig werde auch die künftige Begleitforschung und wissenschaftliche Evaluierung nach Inkraftreten des Gesetzes sein, sagt Prof. Hasibeder. „Wir stehen bereit, unsere Expertise beizusteuern, kritisch zu begleiten und sorgfältig zu beobachten, welche gesellschaftlichen Prozesse mit dieser Entscheidung in Gang gesetzt werden.“