Auch in der Anästhesiologie und Intensivmedizin gibt es immer mehr gendermedizinische Erkenntnisse. Anlässlich des Weltfrauentags am 8. März präsentiert Anästhesie.News eine neue schwedische Studie, die zeigt, dass nur 37 Prozent der Kranken in Intensivstationen Frauen sind. Beim Mortalitätsrisiko nach der Entlassung gibt es keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Sind Frauen etwa intensivmedizinisch unterversorgt?

Entscheidet das Geschlecht darüber, ob Kranke in kritischem Zustand in die Intensivstation kommen? Oder darüber, wie lange sie dort betreut werden? Mit diesen Fragen hat sich eine aktuelle schwedische Studie befasst. Ausgewertet wurden die Daten von 8.598 erwachsenen Patientinnen und Patienten, die zwischen 2006 und 2016 an der Stockholmer Universitätsklinik in ICUs versorgt worden sind. Dabei springt sofort ein deutlicher Männerüberhang ins Auge: Nur 37 Prozent der Behandelten waren Frauen. Ein vergleichbares Geschlechterverhältnis hatte auch bereits eine schwedische Registerstudie aus dem Jahr 2015 aufgedeckt. Die Gründe dafür sind aber laut den Studienautorinnen und -autoren noch nicht hinreichend erforscht.

Frauen werden eher aus der Intensivstation entlassen

Zwischen den Geschlechtern konnten keine Unterschiede hinsichtlich Alter oder Schweregrad der Erkrankung festgestellt werden. Nach Ausschluss von Traumapatienten zeigte sich aber, dass die behandelten Männer älter waren. Sie hatten einen höheren Charlson-Komorbiditäts-Index, einen höheren SAPS 3-Wert und eine höhere Mortalitätswahrscheinlichkeit als die Frauen. Bei den Verweildauern zeigten sich median betrachtet keine geschlechtsspezifischen Unterschiede. Damit widerlegte die Untersuchung die Hypothese von kürzeren ICU-Aufenthalten von Frauen.

Die Studie beschreibt auch erstmalig den Einfluss des Geschlechts auf die Wahrscheinlichkeit von der Intensivstation entlassen zu werden. Diese war bei Patientinnen über den gesamten Intensivaufenthalt höher. Interessanterweise nahm das aber keinen Einfluss auf die Mortalität: Männer wie Frauen wiesen die gleiche 30- oder 90-Tage-Mortalität auf. Das könnte mit den weiblichen Geschlechtshormonen zu tun haben, wie eine große Anzahl experimenteller Daten nahelegt: Sie scheinen nach schwerer Krankheit zu schnellerer Genesung beizutragen. Doch auch hier ist die Forschungslage inkonsistent. Ein Grund mehr, größere Anstrengungen in der Gendermedizin einzufordern – nicht nur am Weltfrauentag, sondern an jedem Tag im Jahr.

Quelle: Erik Zettersten, Gabriella Jäderling, Max Bell, Emma Larsson, Sex and gender aspects on intensive care. A cohort study, Journal of Critical Care 55 (2020) 22–27.