Was Prim. Dr. Stephan Kapral und seine damaligen Kollegen Anfang der 1990er-Jahren entwickelt haben, hat seinen Siegeszug rund um die Welt gefeiert: Die Ultraschall-gesteuerte Regionalanästhesie. Gefeiert wurde das 25jährige Jubiläum des Verfahrens vor kurzem bei einem Symposium in Linz.

„Ultraschall in der Regionalanästhesie – eine neue Dimension der Traumaversorgung“, hieß das Generalthema des 15. Interndisziplinären Traumasymposiums der AUVA im Design Center der oberösterreichischen Landeshauptstadt am 18. und 19. Jänner. „Es waren an die 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei. Wir hatten die weltbesten Vortragenden zu diesem Thema. Aus der Pionierphase unserer Arbeiten in Wien in den 1990er-Jahren hat sich ein Netzwerk um den ganzen Erdkreis entwickelt“, sagt Prim. Dr. Stephan Kapral, Leiter des Instituts für Anästhesie und Intensivmedizin am UKH Linz. „Die führenden Forschungszentren befinden sich heute weiterhin in Wien, am Inselspital in Bern, am Kinderspital in Kapstadt, der Karolinska-Universitätsklinik in Stockholm, Universitätskliniken in Toronto oder Boston.“

Im Mittelpunkt des Symposiums wurde ein Jubiläum gefeiert: 25 Jahre Ultraschall-gesteuerte Regionalanästhesie. Im März 1994 hatten Prim. Kapral und seine Co-Autoren die neue Methode erstmals publiziert (Kapral S, Krafft P, Eibenberger K, Fitzgerald R, Gosch M, Weinstabl C. Ultrasound-guided supraclavicular approach for regional anesthesia of the brachial plexus. Anesth Analg. 1994 Mar;78(3):507-13.).

„Wir haben prospektiv 40 Patienten (ASA grades I-III) untersucht, die sich einem chirurgischen Eingriff am Unterarm oder der Hand unterziehen mussten und die Steuerung der Kanüle per Ultraschall für eine Schmerzblockade des supraclavicularen Brachial-Plexus auf den Erfolg und die Häufigkeit von Komplikationen untersucht“, hieß es damals in der Arbeit. Bei je 20 Patienten war entweder über einen supraclavicularen paravaskulären Zugang oder über die Achselregion eine Plexusblockade mit 30 ml Bupivacaine (0,5%) herbeigeführt worden. Die Wissenschaftler dokumentierten den Eintritt und den Umfang der erzielten Plexusblockade über die Zeit hinweg. Das Hauptergebnis: In beiden Gruppen kam es bei 95 Prozent zu einer zufriedenstellenden Regionalanästhesie für den folgenden chirurgischen Eingriff. Nicht erwünschte Ereignisse oder Nebenwirkungen traten nicht ein.

Dem waren schon mehrere Jahre an wissenschaftlichen Arbeiten vorangegangen, wobei Prim. Kaprals engster Partner Univ.-Prof. Dr. Peter Marhofer (weiterhin Klinische Abteilung für Allgemeine Anästhesie und Intensivmedizin MedUni Wien/AKH) war. Prim. Kapral: „Univ.-Prof. Michael Zimpfer hat damals vom Nationalbankfonds ein Ultraschallgerät für die Untersuchung von Patienten bei Lebertransplantationen bekommen. Ich habe gewusst, dass die nächste Abteilung im Rahmen meiner Ausbildung die Unfallchirurgie sein würde. Und da habe ich mir gedacht, bevor ich dorthin gehe, lasse ich mich entsprechend ausbilden.“

Nerven mit Ultraschall darstellen

Die Idee, welche schließlich in der neuen Methode der Regionalanästhesie mündete: Man könnte auch die Nerven bei Operationen mit Ultraschall entsprechend hoher Frequenzen darstellen. Die ersten Thermopapier-Prints der Bilder fertigte Prim. Kapral bereits 1991 an. Lokal- oder Regionalanästhesie hatte es damals längst gegeben. Aber die Erfolgsraten lagen bei 70 Prozent. Die schließlich erfolgende Kombination von Ultraschall und Regionalanästhesie ließ die Erfolgsraten auf an die 100 Prozent ansteigen. Die neue Technik sorgte für Furore und wissenschaftliche Publikationen in höchst angesehenen internationalen wissenschaftlichen Zeitschriften. „An der Universitätsklinik für Unfallchirurgie in Wien hat uns Klinikchef Univ.-Prof. Dr. Vilmos Vecsei sehr unterstützt“, betont Prim. Kapral. Das erfolgte, indem das Verfahren eben bei einer immer größeren Anzahl von Patienten mit unterschiedlichen unfallchirurgischen Eingriffen erprobt wurde.

„Heute gibt es eigentlich keine unfallchirurgische oder chirurgische Abteilung mehr, die dieses Verfahren nicht anwendet“, sagt Prim. Kapral. „Die Steuerung per Ultraschall erlaubt dem Anästhesisten sowohl die richtige Positionierung der Nadel als auch die Verteilung des Lokalanästhetikums in Echtzeit zu beobachten. Die Vorteile gegenüber konventionellen Steuerungssystemen wie elektrischen  Nervenstimulation oder Loss-of-Resistance-Verfahren sind signifikant”, schrieben Prof. Marhofer und Prim. Kapral beispielsweise in einem Übersichtsartikel im British Journal of Anaesthesia im Jahr 2005.

Nervenblockade am richtigen Ort

Die im Grunde einfache Begründung für den Erfolg der Methode: Nicht die Nadel macht die Nervenblockade, sondern das an den richtigen Ort injizierte Lokalanästhetikum. Und das gelingt eben mit dem Ultraschall. „Man hat früher versucht, die Nervenstrukturen durch elektrische Stimulation zu identifizieren. Das ist aber ungenau. Und über anatomische Landmarks geht das auch nicht gut, weil es eben individuelle Unterschiede in der Lage der Nerven gibt“, sagt Prim. Kapral.

Ob bei Erwachsenen oder Kindern: Immer wenn eine Regionalanästhesie – speziell bei chirurgischen Eingriffen an den Extremitäten – erfolgt, ist der Ultraschall als bildgebende Darstellung dabei. Die Vorteile der Regionalanästhie (keine Intubierung etc.) lassen sich voll ausspielen. Für die Darstellung der Nerven kommt Ultraschall mit Frequenzen von 10-14 MHz zum Einsatz. Breitband-Schallgeräte (5-12 oder 8-14 MHz) erlauben sowohl die Darstellung mit hoher Auflösung als auch eine gute Tiefenpenetration (bei den niedrigeren Frequenzen).

In „Current Opinion in Anaesthesiology” wurde 2010 bereits im Titel eine Beitrages gefragt: „Ist Ultraschall-gesteuerte Regionalanästhesie in der Pädatrie obligatorisch?“ Der Siegeszug des Verfahrens war da noch längst nicht beendet. „Am Anfang war man bei Ultraschall-gesteuerten Nervenblockaden bei Kindern noch sehr skeptisch. Heute ist das State of the Art“, sagt Prim. Kapral.

Der Erfolg der Methode lässt sich global gar nicht mehr in Zahlen fassen. „Bei uns im UKH Linz werden pro Jahr rund 3.500 regionalanästhetische Nervenblockaden gestochen. Das ist ein Anteil an den Anästhesien von rund 50 Prozent, zum Teil auch mit begleitender Sedierung oder leichter Narkotisierung. Das Verfahren der Ultraschall-gesteuerten Nervenblockade wird bei praktisch allen Schulteroperationen, Eingriffen nach Kreuzbandriss oder anderen Knieverletzungen verwendet. Bei der luxierten Schulter genauso wie bei Radius oder Ellbogen-Frakturen – also Indikationen, die in Unfallkrankenhäusern häufig vorkommen. Jede chirurgische Orthopädie und auch die Handchirurgie profitiert von der Methode“, betonte der Regionalanästhesie-Pionier.

Die Häufigkeit der Anwendung hängt auch davon ab, ob an der jeweiligen Abteilung dafür ausgebildete Anästhesisten zur Verfügung stehen. So schwanke der Anteil des Einsatzes der Ultraschall-gestützten Regionalanästhesie von Haus zu Haus, von Abteilung zu Abteilung. „Wir haben kein Register in Österreich“, erklärt Prim. Kapral. Dazu wird die Methode weltweit schon an zu vielen Chirurgien verwendet.

Die Forschung geht weiter. „Untersucht wird derzeit auf molekularer Ebene, wie die Lokalanästhetika wirken bzw. warum sie in wenigen Fällen bei Menschen nicht wirken. Das geht bis hin zur Genetik.“ Bei manchen Menschen wirken Lokalanästhetika kürzer, bei anderen länger. Hier gilt es, die eigentliche Ursache dafür auf molekularer Ebene zu finden. Wesentliche Fortschritte hat die Echografie auch in der Anatomie und in der Physiologie gebracht. „Man hat früher strikt in sensorische und in motorische Nerven unterschieden. Heute weiß man, dass es immer eine Kombination ist“, sagt Prim. Kapral. Ebenso zeigte sich, dass die Lage von Nerven, die Anordnung von Nervengeflechten einer erheblichen interindividuellen Varianz unterliegt.

Fortschritte wird es auch in der Ultraschalltechnik selbst geben. Gearbeitet wird beispielsweise daran, mit geeigneten Methoden auch eine Bildgebung von Knochen zu ermöglichen. Auch Gewebeanalysen sollen möglich werden. Eines jedenfalls bleibt: Die Ultraschall-gesteuerte Regionalanästhesie ist ein Verfahren, das aus der modernen Anästhesiologie nicht mehr wegzudenken ist.