Die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) hat im Rahmen ihres Jahreskongresses Ende November 2020 Auszeichnungen für die drei besten eingereichten Abstracts vergeben. Alle drei Preise gingen an ÄrztInnen des Departments für Experimentelle Anästhesie – unter der Leitung von Judith Martini – an der Univ. Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin Innsbruck (Direktor Karl Lindner).
Die drei ausgezeichneten Arbeiten, alle drei aus dem grundlagenwissenschaftlichen Bereich, befassen sich mit zwei Kernthemen des Faches Anästhesie und Intensivmedizin: zum einen mit Beatmung und zum anderen mit Reanimation. Die Preisverleihung fand am Ende November während der außerordentlichen Generalversammlung der ÖGARI im Rahmen des AIC digital statt.
Lungenschonende Beatmung
Julia Abram (1. Preis) und Patrick Spraider (2. Preis) beschäftigen sich mit einer neuen Beatmungsform, der sogenannten flusskontrollierten Beatmung (flow controlled ventilation, FCV). Im Gegensatz zur derzeit als Goldstandard angesehenen Überdruckbeatmung, bei der die Inspiration durch Druckerhöhung im Ventilator geschieht, erfolgt die Ventilation bei FCV mit Hilfe eines Venturi-Ventils flusskontrolliert – sowohl in der Inspiration als auch Exspiration. Insgesamt wird durch diese neuartige Methode die Energie, die auf das Lungengewebe einwirkt, stark reduziert, weshalb die Beatmung insgesamt lungenschonender geschieht. Dies spielt insbesondere bei PatientInnen mit schwerem Lungenversagen eine Rolle, die über längere Zeiträume beatmet werden müssen und häufig nicht nur aufgrund ihrer Erkrankung, sondern auch durch die notwendige invasive Beatmung schwere Lungenschäden erleiden. Zudem konnte in Vorstudien gezeigt werden, dass mit FCV eine effizientere CO2-Elimination bei gleichzeitig besserer Oxygenierung des Blutes erreicht werden kann. Eine weitere Neuerung dieser Ventilationsform besteht darin, dass es zum ersten Mal möglich ist, eine vollkommen individualisierte Beatmungseinstellung am Respirator vorzunehmen, da mit Hilfe dieses neuen Respirators intratracheale Drücke direkt gemessen werden können und somit eine Feineinstellung der Beatmung vorgenommen werden kann. Die beiden prämierten Arbeiten liefern wichtige Erkenntnisse für eine individualisierte Beatmungseinstellung bei schwerkranken PatientInnen: eine Thematik, die im Lichte der COVID-19 Pandemie äußerst aktuell ist.
Adrenalin zur Reanimation
Der 3. Preis ging an Gabriel Putzer für eine Arbeit zum Effekt von Adrenalin während der kardiopulmonalen Reanimation (CPR). Adrenalin, das seit Jahrzehnten im Rahmen der CPR eingesetzt wird, soll durch ?-Rezeptor mediierte Vasokonstriktion den mittleren arteriellen Druck (MAP) und in Folge den koronaren sowie den zerebralen Perfusionsdruck steigern. Dennoch gibt es widersprüchliche Ergebnisse in Bezug auf den wirklichen Nutzen von Adrenalin. So zeigte eine große rezente multizentrische Studie, dass die Gabe von Adrenalin im Rahmen der CPR zu einem schlechteren neurologischen Outcome der PatientInnen führte. Es stellt sich hierbei die Frage, ob die durch Adrenalin bewirkte Vasokonstriktion eine Verschlechterung der zerebralen Perfusion bewirkt und somit zum schlechten neurologischen Outcome beiträgt. In der von der ÖGARI prämierten Studie zeigt Gabriel Putzer, dass die Gabe von Adrenalin während der CPR die zerebrale Perfusion nicht verschlechtert. Das Anheben des MAP mit Adrenalin und somit des zerebralen Perfusionsdrucks, führt dosisabhängig zu einer Verbesserung der mikrovaskulären Hirnperfusion, der zerebralen Oxygenierung und des Hirnmetabolismus. Es stellt sich somit die Frage, ob vielleicht weniger die Wirkung von Adrenalin selbst, als mehr die derzeit nach Leitlinien praktizierte Verabreichungsform von Adrenalin während der CPR, nämlich die Bolus-Injektion, neu zu überdenken ist. Aufgrund der sehr kurzen Halbwertszeit von Adrenalin könnte sich eventuell eine Ziel-MAP gesteuerte kontinuierliche Applikation als sinnvoller erweisen. Gabriel Putzer arbeitet bereits an weiterführenden Studien, um diese Thematik näher zu beleuchten.
(Im Bild v.li: Patrick Spraider, Julia Abram, Gabriel Putzer, Judith Martini)
(Judith Martini; Foto: MUI/Bullock)
Titel der Abstracts:
Erster Preis
Individualized flow-controlled ventilation versus pressure-controlled ventilation in a porcine model of oelic acid induced acute respiratory distress syndrome – a prospective, randomized porcine study.
Julia Abram, Patrick Spraider, Gabriel Putzer, Manuela Ranalter, Simon Mathis, Julian Wagner, Judith Martini
Department of Anaesthesiology and Intensive Care Medicine, Medical University Innsbruck, Austria
Zweiter Preis
Individualized flow-controlled ventilation compared to pressure-controlled ventilation in one lung ventilation – a prospective, randomized porcine study.
Patrick Spraider, Julia Abram, Manuela Ranalter, Simon Mathis, Gabriel Putzer, Judith Martini Department of Anaesthesiology and Intensive Care Medicine, Medical University Innsbruck, Austria
Dritter Preis
Adrenaline improves cerebral microcirculation, cerebral oxygenation and cerebral metabolism during CPR in a porcine cardiac arrest model using low-flow extracorporeal support.
Gabriel Putzer, Judith Martini, Patrick Spraider, Daniel Pinggera, Raimund Helbok, Peter Mair
Department of Anaesthesiology and Intensive Care Medicine, Medical University Innsbruck, Austria
Quelle: Medizinische Universität Innsbruck, mit freundlicher Genehmigung übernommen von https://www.i-med.ac.at/mypoint/thema/749630.html