Ein weiteres Mal bespricht hier ÖGARI Präsident elect Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder (Zams) für den ÖGARI-Blog eine Auswahl aus der Vielfalt an aktueller Literatur zu COVID-19 und kommentiert die wichtigsten Ergebnisse.
SARS-CoV-2: Dynamik der Virus-Ausscheidung über Schleimhäute der oberen Atemwege
He Xi et al. (Nature Medicine 2020; doi.org/10.1038/s41591-020-0869-5) untersuchten mit Hilfe quantitativer PCR-Diagnostik die Virus Ausscheidung von COVID-19 positiv getesteten Personen. Anhand von Ansteckungsprofilen in der nächsten Umgebung dieser Personen wurden zeitliche Profile der Ansteckungsgefahr modelliert. Die höchste Viruslast wurde zum Zeitpunkt des Ausbruchs der ersten Erkrankungssymptome gemessen. Über Modellberechnungen wurde ermittelt, dass die Infektiosität von Menschen zirka 2 bis 3 Tage vor dem Symptombeginn zunimmt, zum Zeitpunkt des Erkrankungsbeginns ihr Maximum erreicht und nach etwa 7 bis 8 Tagen wieder gegen Null sinkt. Anhand der ermittelten Ansteckungsfälle im Umfeld der untersuchten Personen gehen die Autoren davon aus, das zirka 44 Prozent der Ansteckungen präsymptomatisch, also vor Ausbruch der Symptome, erfolgen. Dieser Umstand macht das SARS-CoV-2 so gefährlich, da Quarantäne-Maßnahmen allein wahrscheinlich nicht ausreichen, die Ausbreitung der Infektion in ausreichendem Maß zu begrenzen. Im Vergleich zum SARS-CoV-1, das die SARS-Epidemie in den Jahren 2002 bis 2003 ausgelöst hat, war die Infektiosität etwa 7 bis 10 Tage nach Symptombeginn am größten. Auch bei der Influenza beginnt die Infektiosität am Erkrankungsbeginn oder ganz kurz vorher. Bei diesen beiden Infektionen ist die Ausbreitung allein schon durch Quarantänemaßnahmen effektiv unterbrochen. Die Tatsache der präsymptomatischen Übertragung der Infektion weist auf die immense Bedeutung von „Abstand halten“ und Schutzmasken zur Unterbrechung von Infektionsketten auch in der weiteren Zukunft hin.
Ähnlich beschreibt eine andere Arbeit in der Zeitschrift Nature (Wölfel et al. Nature 2020; doi: 10.1038/s41586-020-2196-x) innerhalb von bekannten Infektions-Clustern (= bekannte Infektionsketten) die Virusausscheidung aus verschiedenen Körperkompartimenten. Bei allen inkludierten Personen wurden Co-Infektionen, mit anderen eine respiratorische Erkrankungen auslösenden Viren, ausgeschlossen. Vom Tag 1 bis 5 nach Symptomausbruch war die Virusausscheidung über die Rachen- und Nasenschleimhäute, mittels quantitativer PCR-Diagnostik, am Größten. Nach dem 5 Tag nahm die Virusbelastung rasch ab und virale RNA-Bestandteile konnten nur mehr bei etwa 40 Prozent der Patientinnen und Patienten nachgewiesen werden. In den ersten Tagen nach Symptomausbruch konnten intakte Viren in 16,6 Prozent aller Abstriche aus Rachen- und Nase und in 83 Prozent aller Sputum Proben nachgewiesen werden. Nach dem achten Tag wurden keine intakten mehr gefunden, obwohl der PCR-Nachweis von viraler RNA teilweise noch in hoher Konzentration möglich war. Alle untersuchten Urin- (n=27) und Serumproben (n=31) der Patienten waren virusfrei.
Insgesamt zeigen beide Publikationen, dass die Ansteckungsgefahr wahrscheinlich 2 bis 3 Tage vor Ausbruch der Erkrankung bis zum 7 Tag nach Symptombeginn am größten sein dürfte. Die bisherigen Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass symptomatische Patienten, auch auf der Intensivstation, nach 10 bis 12 Tagen nicht mehr infektiös sind.
Wie verbreitet sich das SARS-CoV-2 Virus in Pflegeinrichtungen?
Fast modellhaft kann die Verbreitung von ansteckenden Infektionen in räumlich gut abgrenzbaren Lebensbereichen, wie z.B. einer chronischen Pflegeeinrichtung, untersucht werden. Arons MM et al (NEJM 2020; doi: 10.1056/NEJMoa2002457) beschreiben die rasche Ausbreitung einer SARS-CoV-2 Infektion innerhalb einer chronischen Pflegeeinrichtung in King County, Washington. Am 1. März wurde in einer Pflegeeinheit mit 116 Betten erstmals eine Pflegeperson positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Im weiteren Verlauf wurden von den lokalen Gesundheitsbehörden in Zusammenarbeit mit der CDC PCR-Testungen aller Bewohnerinnen und Bewohner (n=89) und des Pflegepersonals an 2 Zeitpunkten, im Abstand von einer Woche, durchgeführt. Weiters wurden anhand eines strukturierten Fragebogens und universeller Temperaturmessungen nach Symptomen einer COVID-19 Erkrankung gefahndet. Innerhalb des Untersuchungszeitraums wurden 57 (64 Prozent) der Bewohnerinnen und Bewohner positiv getestet. Zum Zeitpunkt der Testung waren 27 Patientinnen und Patienten asymptomatisch. 24 entwickelten typische COVID-19 Symptome nach einem medianen Zeitintervall von 4 Tagen. Bis zum 3. April wurden 11 Patientinnen und Patienten hospitalisiert und 15 starben (26 Prozent). Die Verdoppelungszahl der Infektionen im Pflegeheim lag bei 3,4 Tagen! Dies ist deutlich schneller als außerhalb des Pflegeheims (Verdoppelungszahl Kings County = 5,5 Tage). Diese rasche Verdoppelungszahl weist auf die Bedeutung der räumlichen Nähe als Hauptursache für die rasche Verbreitung des SARS-CoV-2 Virus hin. Bei der Infektiosität im Heim spielt wahrscheinlich die asymptomatische und präsymptomatische Übertragung des Virus, wie bereits in anderen Beiträgen erwähnt, eine wichtige Rolle. 26 Pflegepersonen erkrankten im Zeitraum der Untersuchung an COVID-19. Weitere Untersuchungen in King County zeigen, dass 65 Prozent der infizierten Pflegepersonen mit bereits milder Symptomatik weitergearbeitet haben und damit wahrscheinlich wesentlich an der Verbreitung der Infektion mitgewirkt haben. Auch diese Untersuchung zeigt wie wichtig Schutzmaßnahmen, angefangen mit der Schutzausrüstung des Pflegepersonals bis hin zum Abstandhalten und zur Isolation von Verdachtsfällen, zur Verhinderung von Neuinfektionen ist.
Outcome-Daten der COVID-19 Erkrankung aus New York und Umgebung
Richardson S et al (JAMA 2020; doi:10.1001/jama.2020.6775) berichten über das klinische Outcome hospitalisierter an COVID-19 Erkrankter in New York und der unmittelbaren Umgebung. Insgesamt wurden 5.700 Patientinnen und Patienten in die Analyse inkludiert (medianes Alter = 63 Jahre, IQR 52-75; Frauenanteil 39,7%) Bei allen wurde die Diagnose einer SARS-CoV-2 Infektion mittels positiver PCR-Diagnostik gestellt. Die häufigsten Vorerkrankungen waren die arterielle Hypertension (56,6 Prozent) gefolgt von Adipositas (41,7 Prozent) und Diabetes mellitus (33,8 Prozent). Bei Aufnahme im Krankenhaus waren ein Drittel der Patientinnen und Patienten febril, ein Drittel sauerstoffpflichtig und rund 17 Prozent waren tachypnoisch (RR > 24/Min). Co-Infektionen mit anderen respiratorischen Viren wurden bei 2 Prozent der Patientinnen und Patienten diagnostiziert. Die Outcome-Daten werden für 2.634 Erkrankten, die entweder das Krankenhaus verlassen oder mittlerweile verstorben sind, berichtet. Von den Patientinnen und Patienten < 20 Jahren (n=20) verstarb niemand. In der Altersgruppe über 20 Jahren war die Sterberate bei Männern höher verglichen mit Frauen. 373 Erkrankte (14,2 Prozent) wurden intensivmedizinisch behandelt. 320 Patientinnen und Patienten mussten invasiv mechanisch beatmet werden, 81 (3,2 Prozent) benötigten eine Nierenersatztherapie und insgesamt starben 553 (21 Prozent) der Patienten. Bei den Erkrankten, die invasiv mechanisch beatmet wurden verstarben 88,1 Prozent! Die Mortalitätsraten für nicht mechanisch beatmete lag bei den 18-65-Jährigen bei 19,8 Prozent und bei den über 65-Jährigen bei 26,6 Prozent. Die mediane Aufenthaltsdauer im Krankenhaus lag bei 4,1 Tag (IQR 2,3-6,8 Tage). 45 Patienten (2,2 Prozent) mussten nach ihrer Entlassung wieder im Krankenhaus aufgenommen werden.
Ich denke, die Outcome-Daten aus New York können nur als katastrophal bezeichnet werden. Die sehr kurze Aufenthaltsdauer spricht aus meiner Sicht für einen extremen Ressourcenmangel an Krankenhaus- und Intensivkapazitäten und daraus resultierende Triage-Medizin. Zum Vergleich: Die im letzten Update besprochenen Zahlen aus Seattle und Umgebung berichteten über eine Intensivmortalität invasiv beatmeter Patientinnen und Patienten von 50 Prozent. Tirol liegt nach vorläufigen Analysen der Ergebnisse aller Intensivstationen mit der Mortalität invasiv beatmeter Patientinnen und Patienten deutlich unter 20 Prozent. Als österreichische Intensivmediziner sollten wir uns, was die Behandlung unserer Patienten betrifft, daher auch in der Zukunft nicht an den USA oder England orientieren!
Remdesivir: Die erste randomisierte, doppelt verblindete, Placeobo-kontrollierte Studie bei COVID-19
Wang Y et al. (JAMA 2020; doi: 10.1016/50140-6736(20)31022-9) berichten über die erste kontrollierte Studie, in der das Virostatikum Remdesivir mit einem Placebo verglcihen wird. Remdesivir wird als „Vordroge“ erst im Organismus in ein Adenosin-Analog verstoffwechselt. Letzteres bindet sich als „falsches“ Nucleosid an die RNA-abhängige RNA-Polymerase des Virus und blockiert damit die „Abschrift“ des viralen RNA-Codes, also die Virusreplikation. In vitro hemmt Remdesivir effektiv die Virusreplikation aller Coronaviren inklusive dem SARS-CoV-1 und dem MERS-Virus. Remdesivir hemmt die SARS-CoV-2 Vermehrung in menschlichen Rachen- und Nasenepithelzellen und im Tierexperiment oder vermindert Todesfälle durch SARS-CoV-1, SARS-CoV-2 und MERS Viren, wenn die Substanz prophylaktisch oder sehr früh nach der Ansteckung der Tiere gegeben wird. An dieser Stelle sein noch einmal erwähnt, dass die Erkrankungsphase des Virusbefalls der Wirtszellen und der Virusreplikation im präsymptomatischen Intervall der Erkrankung liegen. Die Symptome der Erkrankung entwickeln sich erst nach der Antigenerkennung durch das unspezifische Immunsystem und sind Ausdruck der inflammatorische Antwort des Organismus auf einen Erreger. Je heftiger und je weniger kompartimentiert eine Entzündungsreaktion im Körper abläuft, desto schwerer sind die Symptome der Erkrankung und die Organschäden.
Die in die Studie inkludierten Patientinnen und Patienten (n=237) waren > 18 Jahre alt; die COVID-19 Erkrankung musste mittels eines positiven PCR-Tests nachgewiesen sein und die Patienten mussten eine nachgewiesene Pneumonie, eine Sauerstoffsättigung < 94% oder einen paO2/FIO2-Gradienten < 300mmHg haben. Alle Erkrankten wurden innerhalb von 12 Tagen nach Symptombeginn eingeschlossen. Patientinnen und Patienten der Remdesivir-Gruppe (n=158) erhielten am Tag 1 200 mg Remdesivir iv und dann, bis zum 10.Tag, 100 mg iv täglich. Die Placebogruppe (n=78) erhielt dieselbe Infusionsmenge ohne Medikament.
Der primäre Outcome Parameter war eine Verbesserung des Verlaufs um mindestens 2 Punkte bis zum 28 Tag (Tabelle 1)
Tabelle1: Verlaufsparameter | Punkte |
Tod | 6 |
Notwendigkeit einer ECMO Therapie oder invasiven mechanischen Beatmung | 5 |
Notwendigkeit einer nicht-invasiven Beatmung oder NHF-Therapie | 4 |
Spitalsaufnahme zur Sauerstofftherapie ohne „high-flow“ | 3 |
Spitalsaufnahme ohne Notwendigkeit zur Sauerstofftherapie | 2 |
Entlassung oder Verschwinden der klinischen Symptome: Fieber, Tachypnoe, Hypoxämie, Husten | 1 |
Das mediane Patientenalter betrug 65 Jahre . Die häufigsten Vorerkrankungen waren eine arterielle Hypertension, Diabetes mellitus und KHK. 42 (18 Prozent) Patientinnen und Patienten erhielten als zusätzliche Therapie Lopiravir/Ritonavir. Die mediane Zeit zwischen Symptombeginn und Therapiebeginn lag bei 10 Tagen. Es gab keinen Unterschied im klinischen Verlauf zwischen den Gruppen. Die 28-Tage-Mortalität war in beiden Gruppen gleich (Remdesivir 14 Prozent; Kontrollen 13 Prozent). Keine Unterschiede gab es auch hinsichtlich der Notwendigkeit und Dauer einer Sauerstofftherapie, der Dauer des Hospitalaufenthaltes und Verteilung der Verlaufsparameterpunkte an vorher definierten Auswertungstagen. Es wurden keine zeitlichen Unterschiede in der quantitativen Virusbelastung des oberen und unteren Atemwegs während 28 Tagen gefunden.
In der Diskussion weist die Autorengruppe auf bessere klinische Verläufe bei jenen Redemsivir-Patienten hin, die sehr früh in die Studie inkludiert wurden. Bei frühzeitiger Therapie, innerhalb von 10 Tagen nach Symptombeginn, wurde der klinische Verlauf abgemildert und die Zeit der invasiven mechanischen Beatmung konnte verkürzt werden. Das Ergebnis war letztlich nicht signifikant. Allerdings war die Zahl invasiv beatmeter Patientinnen und Patienten (n=21) sehr gering.
Für mich persönlich kommen die Ergebnisse der Studie nicht unerwartet. Wird Remdesivir erst 10 Tage nach Symptombeginn verabreicht, dürfte die Phase der Virusreplikation pathophysiologisch nicht mehr im Vordergrund stehen. Ähnliche Ergebnisse lieferte eine Studie mit Ebola-Patienten aus dem Jahr 2019. In dieser Untersuchung wurden schwer erkrankte Patientinnen und Patienten in 4 Therapiegruppen randomisiert. Drei Gruppen erhielten verschiedene Antikörperpräparate, eine Gruppe erhielt Remdesivir. In einer Zwischenauswertung nach 400 inkludierten Erkrankten musste die Remdesivir-Gruppe und eine Antikörpergruppe wegen hoher Mortalität aufgegeben werden. Eine Unterscheidung der Patienten nach quantitativer PCR-Diagnostik in solche mit sehr hoher und niedriger Virusbelastung veränderte das Studienergebnis nicht. In beiden Gruppen war die Sterblichkeit mit Remdesivir am höchsten. In einem Nagetiermodell mit SARS-CoV-1 führt Remdesivir, 2 Wochen nach Infektionsbeginn verabreicht, weder zu einer Verbesserung des Krankheitsverlaufs noch zu einer verminderten Sterblichkeit. Ganz ähnlich verhält es sich in Tiermodellen der MERS-Erkrankung.
Das therapeutische Dilemma mit Virostatika, bei Erkrankungen mit länger dauernder Inkubationszeit, sind letztlich die pathophysiologisch zeitliche Abfolge der Ereignisse. Virostatika sind wirksame Substanzen und eine Gabe kurze Zeit nach Infektionsbeginn würde den Ausbruch klinischer Symptome entweder verhindern oder zumindest den weiteren Verlauf der Erkrankung mildern. Allerdings gibt es für diese Wirksamkeit der Virostatika wahrscheinlich eine kritische Zeitspanne, die erst einmal definiert werden müsste. Das Hauptproblem dabei ist, dass Patientinnen und Patienten zu dieser Zeit noch nicht wissen, dass sie erkranken werden.
Tissue Plasminogen Activator zur Behandlung des ARDS im Rahmen von COVID-19
Der gewebespezifische Plasminogenaktivator (tissue-type plasminogen activator, t-PA) wird aus den Endothelzellen freigesetzt und ist ein körpereigener Aktivator der Fibrinolyse. T-PA wandelt Plasminogen direkt in Plasmin um und hemmt auf diese Weise die Blutgerinnung. Die Studie von Choudhury R et al. (World J Emerg Surg 2020; doi: 10.1186/s13017-020-00305-4) berechnet anhand einer Modellanalyse mittels dem „Markov state transition model“ die möglichen Effekte einer Therapie mit t-PA bei schwerem ARDS auf die Patientenmortalität. Der Hintergrund für diese Analyse ist einerseits der massive Ressourcenmangel in den USA anlässlich der SARS-CoV-2 Pandemie, die das Land völlig unvorbereitet getroffen hat, und andererseits die extrem hohe Mortalität der Patientinnen und Patienten mit ARDS. Ausgangspunkt für die Simulation sind folgende Annahmen:
- Im schweren ARDS spielen Gerinnungsphänomene in der Lunge (Fibrinablagerungen in Lungenkapillaren) eine pathophysiologisch wichtige Rolle
- Die Gabe von t-PA verbessert, frühzeitig verabreicht, die Sauerstoffversorgung und die Prognose beim ARDS (Hardaway RM. Et al. Am Surg 2001;67:377-382)
- Patienten mit einem PaO2/FIO2 Gradienten < 60mmHg („salvage group“) erhalten sofort t-PA
Im Modell wurden 2 Gruppen zu je 50.000 Personen simuliert. Bei Patienten mit ARDS, die noch nicht die Kriterien der „salvage group“ erfüllen, reduziert die Gabe von t-PA die berechnete Mortalität nach 4 Wochen bei moderatem ARDS von 60,5% auf 15,2% und in der „salvage group“ von 71,4% auf 47,6%.
Das sind derzeit natürlich nur Modellberechnungen. Aber bei den wirklich schwer erkrankten COVID-19 Patientinnen und Patienten sprechen die hohen D-Dimer Serumkonzentrationen zusammen mit den milden bis moderaten Thrombozytenabfällen und dem klinischen Bild für eine beträchtliche Gerinnungsaktivierung, die pathophysiologisch an der Entstehung des Multiorgandysfunktions-syndroms beteiligt ist. In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals auf eine Arbeit hinweisen, die in den Literatur-Updates am 14. April bereits besprochen wurde. In einem Artikel von Ning Tang et al. (J Thromb Haemost 2020; doi: 10.1111/jth.14817) wurde gezeigt, dass Antikoagulation mit LMWH bei Patienten mit D-Dimer Werten über dem 6-fachen des Normalwerts die Mortalität signifikant von 52% auf 33% senkt. Auch wir haben unsere, am schwersten Erkrankten, frühzeitig nach Anti-Xa Spiegel antikoaguliert. Aus diesen Gründen würde ich eine vorsichtige Therapie mit t-PA bei den schwersten COVID-19 Erkrankungen nicht als „Hirngespinst“ abwerten. Allerdings fehlen, nach meinem Wissen, derzeit die klinischen Daten dazu.
Herzlichen Dank für den interessanten Artikel.
Könnte eine Therapie mit tPA bei COVID-19 auch kontraindiziert sein?
Elevated Plasmin(ogen) as a Common Risk Factor for COVID-19 Susceptibility
https://journals.physiology.org/doi/full/10.1152/physrev.00013.2020
Werter Kollege Hurwitz,
Die Frage kann ich nicht beantworten, da es derzeit keine Studie mit tPA bei COVID-19 gibt. Im J. Histopathology ist eine Arbeit erschienen, die bei Obduktionen von SARS-CoV-2 Patienten Mikrothrombosierungen in den Lungen Verstorbener, aber auch in anderen Organen nachweist. Zumindest theoretisch könnte eine vorsichtige Rescuetherapie mit rPA bei PatientInnen mit therapierefraktären Oxygenierungsproblemen helfen – zumindest wenn sie frühzeitig durchgeführt wird und der Patient anschließend therapeutisch antikoaguliert wird.