Die intensivmedizinischen Fachgesellschaften in Deutschland (DIVI, DGIIN, DGAI und DGP) haben die erste Empfehlung zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19 veröffentlicht. Ziel ist es, Ärztinnen und Ärzten auf Intensivstationen, die an COVID-19 Erkrankte betreuen, eine Hilfestellung zu geben. Publiziert wurde die Empfehlung in “Medizinischen Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin”: https://link.springer.com/article/10.1007/s00063-020-00674-3
Der aktuelle intensivmedizinische Wissensstand bezieht sich überwiegend auf Beobachtungen aus China und Italien. Die neuen deutschen Empfehlungen behandeln die Unterbringung und Hygienemaßnahmen auf der Intensivstation, die Optionen der medikamentösen Therapie, Maßnahmen bei akuter hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz, Prozeduren, invasive Beatmung und adjuvante Maßnahmen.
Grundsätzlich empfiehlt die DIVI, sich in jedem Krankenhaus in einem multidisziplinären Team mit Intensivmedizinerinnen und -medizinern, Expertinnen und Experten aus der Infektiologie und Hygiene sowie Pflegkräften mit dem Thema COVID-19 zu befassen.
Diagnostik
Zur Diagnostik halten die Empfehlungen fest, dass der Nachweis des SARS-CoV?2 aus einem tiefen Rachenabstrich oder aus Rachenspülwasser mittels PCR erfolgt. Besonders hingewiesen auch darauf, dass im späteren Verlauf der Erkrankung der Rachenabstrich wieder virenfrei sein kann, obwohl noch infektiöse Viruslast in den unteren Atemwegen besteht. Hier wird auf die Option der Gewinnung von Tracheobronchialsekret hingewiesen.
Krankheitsbild
Die neuen Empfehlungen fassen Daten zusammen, die zuletzt wiederholt genannt wurden: Bei 81 Prozent der Erkrankten ist der Verlauf mild, bei 14 schwer und bei 5 Prozent führt die Infektion zu einer kritischen Erkrankung. Der Hauptgrund für die Aufnahme auf die Intensivstationen ist nach bisherigen Erfahrungen Dyspnoe mit erhöhter Atemfrequenz (>30/min). In der Bildgebung zeigen sich dann bereits pulmonale Infiltrate.
Unterbringung und Organisation
Für die stationäre Unterbringung von Erkrankten empfiehlt die deutsche Publikation vorzugsweise die Einzelbelegung von Isolierzimmern, im Epidemie- bzw. Pandemiefall sei eine Kohorten-Isolation anzustreben. Beschrieben werden auch detaillierte Empfehlungen zur Organisation (unter anderem bedarfsgerechter Personaleinsatz) und zur korrekten Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung – gestützt auf die diesbezüglichen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts.
Therapieerfahrungen und -empfehlungen
Die Empfehlungen betonten, dass für eine spezifische antivirale Therapie keine ausreichenden Daten vorliegen. Zu Therapieversuche mit einer Substanzen wie Hydroxychloroquin, Lopinavir/Ritonavir, Camostat oder Remdesivir heißt es im Papier wörtlich, dass deren Anwendung „unter Umständen nach einer Benefit-Risiko-Abwägung als Einzelfallentscheidung erwogen werden“ könne. Therapieversuche sollten, betonen die Empfehlungen „wenn möglich, im Rahmen von ‚Compassionate-Use‘-Programmen oder Studienprotokollen durchgeführt werden“. Abgeleitet von SARS- und Influenzaerfahrungen wird von einem routinemäßigen Einsatz von Steroiden bei ARDS abgeraten (Ausnahme: niedrig dosierte Hydrokortisontherapie bei septischem Schock ohne Ansprechen auf Flüssigkeits- und Vasopressortherapie).
Bei Verdacht auf eine Koinfektion solle, so die Empfehlungen, eine kalkulierte antibiotische Therapie frühzeitig eingeleitet werden, eine antibiotische Prophylaxe hingegen wird nicht empfohlen.
Des Weiteren beschreibt die Publikation im Detail:
- Maßnahmen bei akuter hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz
- Prozeduren an den Atemwegen
- invasive Beatmung
- adjuvante Maßnahmen.
Das Papier schließt mit den aktuellen Maßnahmen zum Management von Intensivkapazitäten: „Das ARDS-Netzwerk und die Sektion respiratorisches Versagen der DIVI betreiben zusammen mit dem RKI in Kürze eine Webseite zur Meldung aller freien Intensivkapazitäten in Deutschland“, heißt es in der aktuellen Empfehlung. (Redaktionsteam/BKB)