Wie sich Ernährung im Spital auf Stürze oder Aufenthaltsdauer auswirken: Zusammenfassung österreichischer Beiträge beim 41. Jahreskongress der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism in Krakau.
Unter dem Motto „Nutrition – A Highway to Health“ fand vergangene Woche der 41. Jahreskongress der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism in Krakau statt. Auch Kolleginnen und Kollegen aus Österreich brachten sich dabei mit aktuellen Forschungsergebnissen ein. Hier eine Zusammenfassung ausgewählter Arbeiten.
Wie sich Ernährung auf die Dauer des Spitalsaufenthalts auswirkt
Noemi Kiss MSc. (MedUni Wien) und Kolleginnen und Kollegen untersuchte den Einfluss ernährungsbezogener Faktoren auf die Dauer der Hospitalisierung. Sie werteten dazu rund 105.000 internationale Patientendatensätze aus der nutritionDay-Datenbank aus und konzentrierten sich hier besonders auf jene drei Viertel der Patientinnen und Patienten (76.524 Personen), die innerhalb von 30 Tagen entlassen worden waren.
Fazit: Folgende Ernährungsfaktoren sind mit einer Verlängerung des Spitalsaufenthaltes assoziiert:
- Parenterale und enterale Ernährung oder eine Kombination aus beiden
- Untergewicht
- Patientinnen und Patienten, die ihre Hauptmahlzeiten nicht aufessen und zum Beispiel nur ein Viertel schaffen
- Nutrition Team im Spital
Auch einige nicht ernährungsbezogene Faktoren konnten identifiziert werden, die mit einem verlängerten Spitalsaufenthalt assoziiert sind, zum Beispiel:
- eingeschränkte Mobilität
- Alter 70+
- Patienten mit Komorbiditäten
- wenn Gehirn, Lunge, Knochen, Blut, Leber oder Haut von Krankheiten betroffen sind
- mangelnde Sekundärversorgung oder kulturelle Tendenz, Krankenhäuser als medizinische Hauptversorgungseinrichtung zu betrachten
- Aufnahme in geriatrischer oder psychiatrischer Abteilung
Mangelernährung begünstigt Stürze
Univ.-Ass.in Dr.in rer.cur. Doris Eglseer, BBSc MSc (MedUni Graz) analysierte den Zusammenhang zwischen Mangelernährung und Stürzen – denn oft geht Mangelernährung einher mit einer reduzierten Muskelmasse. Das könnte mit ein Grund sein für die erhöhte Sturzgefahr bei älteren Patienten. Daten aus 44 österreichischen Spitäler wurden ausgewertet und dabei über 3.700 Daten von Sturzpatienten mit Daten von Nicht-Sturzpatienten verglichen, die allesamt 65 Jahre oder älter waren. Die Prävalenz für Stürze im Spital lag bei 5,2 Prozent. Knapp ein Viertel der Patienten (24,3 Prozent) wies ein Risiko für Mangelernährung auf – diese Patienten stürzten signifikant häufiger im Spital. Besonders sturzgefährdet sind Frauen und Menschen, die an Demenz, einer Erkrankung des Nervensystems, Bewegungsapparats oder des Bindegewebes leiden. Auch hohe Pflegebedürftigkeit, höheres Alter und der Gebrauch von Psychopharmaka begünstigen das Sturzrisiko. Ältere Krankenhauspatienten brauchen daher Sturzpräventionsprogramme, die auch den Ernährungszustand bewerten und allenfalls Gegenmaßnahmen gegen Mangelernährung einleiten, so die Bilanz der Untersuchung.
Mit Leitlinien gegen Mangelernährung im Spital
Eine weitere Arbeit von Dr.in Doris Eglseer ging der Frage nach, inwieweit sich Krankenhäuser an Leitlinien gegen Mangelernährung orientieren und wie sich die Situation zwischen 2012 und 2017 entwickelt hat. Untersucht wurden Daten von 15 österreichischen Spitälern mit insgesamt 5.650 PatientInnen. Das erfreuliche Ergebnis: Verfügten 2012 nur magere 6,7 Prozent der teilnehmenden Spitäler über Leitlinien, waren es 2017 bereits 100 Prozent. Entsprechend nahmen auch die Interventionen gegen Mangelernährung zu: Am häufigsten wurden DiätologInnen zugezogen, die Ernährung angereichert und die Konsistenz der Lebensmittel angepasst. Der Anteil der Patienten, die keine Intervention erhielten, ging von 70 Prozent im Jahr 2012 auf 55,6 Prozent im Jahr 2017 zurück. Fazit der Studie: Stakeholdern, SpitalsmanagerInnen wie medizinischem Personal sollte es daher ein großes Anliegen sein, Leitlinien zu implementieren und PatientInnen eine evidenzbasierte Ernährung in Krankenhäusern ermöglichen.
Sarkopenie: Neue Konsenswerte unterschätzen Vorstufe
Julia Traub, BSc MSc (MedUni Graz) verglich die Definition von Sarkopenie bei zirrhotischen Patienten, und zwar in Hinblick auf die Europäischen Konsenswerte, die 2010 festgelegt und 2019 revidiert wurden. 99 PatientInnen mit Leberzirrhose wurden zwei Jahren lang prospektiv begleitet, ihre Muskelkraft untersucht und den Kategorien Nicht-Sarkopenie, Prä-Sarkopenie und Sarkopenie zugeordnet – und zwar gemäß der Definitionen von 2010 und von 2019. Diese Ergebnisse klafften weit auseinander: Gemäß der Definition von 2010 wurden bei mehr als doppelt so viele PatientInnen Sarkopenie festgestellt als nach der Definition von 2019. Unter „Prä-Sarkopenie“ fielen laut den Kriterien von 2010 29 PatientInnen, aber nur vier nach den Kriterien von 2019. Mit den revidierten Europäischen Konsensuswerten könnte also Prä-Sarkopenie bei Leberzirrhose unterschätzt werden.
Ernährung bei Tracheostomie-Patienten verbessert
Die medizinische Versorgung bei PatientInnen mit Tracheostomie ist komplex, die Ernährungssituation bleibt häufig unbefriedigend. Vor fünf Jahren wurde für diese Patientengruppe erstmals eine interdisziplinäre Ambulanz ins Leben gerufen. Zwischen 2012 und Dezember 2018 wurden 144 Patientinnen und Patienten (111 Männer, 31 Frauen, zwei Kinder) unter anderem von einer Diätologin betreut, um ihre Ernährungsversorgung zu optimieren. Der Zustand der Patientinnen hat sich seither positiv verändert, hat Maria-Magdalena Wetzinger Msc (Landeskrankenhaus Feldkirch) in der 5-Jahres-Evaluation festgestellt. Das Gewicht der Patienten lag zu Beginn im Schnitt bei 69,32 kg, was einem durchschnittlichen BMI von 24,62 entspricht und in Normalbereich liegt. Aber: Eine knappe Mehrheit von 50,69 Prozent wies bei der ersten Untersuchung ein Ernährungsrisiko auf. Seit Beginn der Ernährungstherapie ist das durchschnittliche Gewicht der PatientInnen um 1,39 Kilo und der BMI von 23,62 auf 24,09 gestiegen. Der NRS-2002-Score zeigte eine positive Umverteilung des Ernährungsrisikos.
Parenterale Ernährung: Auswirkungen einer Kontroverse
Lange verabreichte man in Europa aufgrund der ESPEN-Richtlinien relativ früh parenterale Ernährung (PN) – doch 2011 ließ die großangelegte EPANIC-Studie einen späteren Start als vorteilhaft erscheinen und löste eine bis heute andauernde Kontroverse aus. Dr. Cecilia Veraar (MedUni Wien) untersuchte mithilfe der nutritionDay-Datenbank, inwieweit diese Kontroverse den Einsatz von PN und enteralen Ernährung (EN) verändert hat. Das Ergebnis: Zwischen 2007 und 2011 erhielten von 8.800 europäischen PatientInnen in Intensivstationen 37 Prozent eine EN und 14 Prozent eine PN. Zwölf Prozent wurden mit einer Kombination aus EN und PN versorgt. Zwischen 2007 und 2010 gab es keine Veränderungen beim PN-Beginn. 2011 hingegen verzögerte sich der Beginn abrupt um durchschnittlich fast sechs Tage, 2012 waren es noch fast fünf Tage und dann ging diese Verzögerung rasch wieder zurück: 2014 waren es nur mehr zwei Tage, 2015 ein Tag. Im Lichte weiterer Forschungsergebnisse gaben die Kolleginnen und Kollegen diese Zurückhaltung wieder auf. Ein vergleichbares Zeitprofil konnte auch bei der Kombinationsernährung entdeckt werden, bei der enteralen Ernährung zeigten sich keine Veränderungen.
Ultraschall zur Muskeldickemessung geeignet
CT-Aufnahmen in Höhe des dritten Lendenwirbels (L3) sind ein Goldstandard der Muskelmassemessung, denn dieser Muskelbereich korreliert sehr gut mit der Ganzkörpermuskelmasse. Muskeldickemessungen mit Ultraschall ergaben bislang im Vergleich zur CT-Messung bei Intensivpatienten nur eine schwache Korrelation. Doch wie schaut bei Patienten aus, die nicht kritisch krank sind? Dr. Arabella Fischer (MedUni Wien) hat die Ultraschall-Muskeldicke im Vergleich zum L3-Muskelgebiet in der Computertomographie bei 119 Patienten untersucht. Dazu wurde die Muskeldicke an zwei Punkten am Oberarm und an drei Punkten an jedem Oberschenkel mit Ultraschall gemessen und minimale Kompression angewandt. Die Ergebnisse wurden mit dem der CT-Messungen verglichen. Sie lassen die Schlussfolgerung zu, dass das so genannte USVALID Ultraschall-Verfahren mit leichter Kompression für die klinischen Beurteilung der Muskelmasse geeignet ist und eine bessere Korrelation zwischen Ultraschall-Muskeldicke und CT-L3-Muskelfläche zeigt als die Ultraschalltechnik von Paris et al.
Quellen:
ESPEN-Abstract OR38 N. Kiss et al: Nutrition-related Factors Associates with Length of Hospital Stay Following nutritionDay.
ESPEN-Abstract SUN-PO040: D. Eglseer et al, Malnutrition Risk and In-hospital Falls in Older Patients
ESPEN-Abstract SUN-PO213: D. Eglseer et al: Clinical Practice Guidelines for Malnutrition and Use of Nutritional Interventions: Changes over 6 Years.
ESPEN-Abstract SUN-PO066: J. Traub et al, Comparison of the Definition of Sarcopenia on Cirrhotic Patients Regard the European Consensus Values 2010 and 2019.
ESPEN-Abstract MON-PO491, M.-M. Wetzinger: Five Years of the First Interdisciplinary Specialized Clinic Dedicated to Tracheostomy Patients in Austria.
EPSEN-Abstract OR03: C. Veraar, Nutrition Day ICU: Annular Change in Onset of Parental Nutrition.
ESPEN-Abstract SUN-PO315: A. Fischer et al, Validation of Ultrasound Muscle Thickness in Comparison to L3 Muscle Area in Computed Tomography in 119 non-ICU patients: The prospective USVALID study.