Ein Motorradunfall -ein Mann wird in die Notaufnahme eingeliefert. Er stöhnt, windet sich. Eine Sauerstoffmaske hilft ihm beim Atmen, der Kopf ist verbunden – Verdacht auf Schädel-Hirn-Trauma. Die Ärztinnen und Ärzte fragen ihn, wo er Schmerzen hat. “Am Kopf”, flüstert er. Plötzlich verstummt er und reagiert nicht mehr. Das Piepsen vom Monitor wird immer schneller und schriller -die Sauerstoffsättigung fällt rapide. “Wir müssen intubieren!”, ruft der Oberarzt. Der Pfleger bereitet alles vor, eine Ärztin tastet Bauch und Becken ab -alles druckstabil. Der Oberarzt intubiert. Geschafft! Das Piepsen wird leise und regelmäßig, der Blutdruck stabil, die Sättigung ist wieder bei 98. Die Ärztinnen und Ärzte haben ein Leben gerettet -könnte man meinen. Doch es ist nur eine Übung, der Patient eine “Puppe”, ein Patientensimulator. THEORIE UND PRAXIS Derartige Übungen finden in den niederösterreichischen Kliniken regelmäßig statt, etwa im Landesklinikum Wiener Neustadt. Dieses interdisziplinäre Schockraumtraining der Abteilungen für Anästhesie, Notfall-und Allgemeine Intensivmedizin, Unfallchirurgie und Radiologie wurde im Jahr 2018 als In-house-Training etabliert. Mittlerweile haben zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbei ter die Schulung absolviert. Im Theorieteil werden die Grundlagen einer strukturierten, Algorithmenbasierten Schockraumversorgung entsprechend internationalen Vorgaben besprochen. Darüber hinaus werden nicht-technische Fertigkeiten vermittelt -insbesondere Zusammenarbeit im Team, sichere und effiziente Kommunikation, Situationsbewusstsein und Entscheidungsfindung. Im Praxisteil werden typische Versorgungssituationen anhand unterschiedlicher Verletzungsmuster geübt. Der Simulationspatient wird vom Notarzt in den Schockraum des Klinikums gebracht, wo alle Abläufe realitätsnah nachgestellt werden – von der Übergabe an das Behandlungsteam, der Erstuntersuchung, der primären Stabilisierung der Vitalfunktionen, der Durchführung der sogenannten “Schockraumspirale” im CT bis hin zur Entschei dungsfindung über die weitere Behandlung. Im Anschluss an das Schockraumtraining wird an der Intensivstation trainiert. GROSSE EXPERTISE Das Team des NÖ Zentrums für medizinische Simulation und Patientensicherheit um Prim. Univ.-Prof. Dr. Helmut Trimmel, MSc und Oberarzt Dr. Daniel Csomor verfügt mittlerweile über eine 15-jährige Expertise in der medizinischen Simulation und führt interprofessionelles Teamtraining sowohl am Simulationszentrum am Landesklinikum Hochegg als auch vor Ort in Kliniken durch. So wurde etwa bereits mit Teams in niederösterreichischen Universitäts-bzw. Landeskliniken sowie in Wiener und oberösterreichischen Krankenhäusern trainiert. Im Rahmen dieser sogenannten In-house-Trainings werden die Trainingsräumlichkeiten – ganz gleich ob Schockraum, OP, Kreißsaal, Intensiv-oder Normalstation – mit einer Videoanlage ausgestattet und damit das jeweilige Trainingsszenario für alle Teilnehmenden verfolgbar gemacht. SICHER HANDELN Der große Vorteil eines In-house-Trainings ist die Möglichkeit, es für die Abteilung als “internes Audit” zu nutzen. Eigene organisatorische Vorgaben, Behandlungsalgorithmen, Ausrüstung wie auch der Personaleinsatz werden auf die Probe gestellt, ohne dass bei dem simulierten “kritischen Ereignis” Patientinnen oder Patienten Schaden nehmen. Bei der Nachbesprechung können alle das Erlebte diskutieren und gemeinsam lernen. Dabei wird besonderer Wert auf positive Elemente des beobachteten Verhaltens gelegt. Alle Trainingseinheiten werden mit einem anonymen Fragebogen evaluiert – und wurden bisher ausnahmslos positiv beurteilt. Besonders hervorgehoben wird die Möglichkeit zu interprofessionellem und interdisziplinärem Training, da stets Pflegekräfte und Ärztinnen und Ärzte gemeinsam üben; im Schockraumtraining wird auch die Radiologietechnologie aktiv miteinbezogen. Im Debriefing werden fachliche wie teambezogene Aspekte intensiv diskutiert, Strategien sicheren Handelns gemeinsam erarbeitet – und dies in absolut wertschätzender Atmosphäre. FOTOS: SIMTEAM NIEDERÖSTERREICH, ZUR VERFÜGUNG GESTELLT Im Universitätsklinikum St. Pölten fand ein interdisziplinäres Kreißsaal-Simulationstraining statt. Ärztinnen und Ärzte, Hebammen und Pflegekräfte der Klinischen Abteilungen für Gynäkologie und Geburtshilfe, Kinder-und Jugendheilkunde sowie Anästhesie trainierten Notfälle im Kreißsaal. Geschult wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vom Team des NÖ Zentrums für medizinische Simulation und Patientensicherheit. Vorbereitung zur Notfall-Laparatomie im Schockraum des Landesklinikums Wiener Neustadt Reanimation an der Intensivstation im Landesklinikum Wiener Neustadt
Gesund & Leben, 24.04.2023 (S. 48-49) |