Händehygiene geht uns alle an

Millionen Fälle von schweren Infektionen könnten durch adäquate Händehygiene verhindert werden, betonen Intensivmediziner aus Anlass des „Internationalen Tages der Händehygiene“ am 5. Mai. Mediziner und Pflegepersonal, das Spitalsmanagement und nicht zuletzt die Patienten könnten wichtige Beiträge leisten.

Pro Jahr werden weltweit 31,5 Millionen Menschen wegen einer Blutvergiftung (Sepsis) in ein Spital aufgenommen. 19,4 Millionen erleiden gar eine schwere Sepsis oder einen septischen Schock. Die Sterblichkeit der Patienten im Spital beträgt dann bis zu 50 Prozent. Die Österreichische Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) warnt jetzt aus Anlass des „Internationalen Tages der Händehygiene“ (5. Mai) vor den Konsequenzen mangelnder Vorsorge auf diesem Gebiet. 

Dass Intensivmediziner sich besonders für dieses Thema engagieren, hat gute Gründe. „Wir betreuen auf unseren Intensivstationen häufig Menschen mit schweren Infektionen. Dazu gehören auch Patienten, bei denen diese Erkrankungen erst während des Krankenhausaufenthaltes entstanden sind und durch adäquate Hygienemaßnahmen vermieden werden könnten“, sagt Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder, für den Bereich der Intensivmedizin zuständiges Vorstandsmitglied der ÖGARI und Leiter der Abteilung für Anästhesie und operative Intensivmedizin am Krankenhaus St. Vinzenz in Zams.

Die Händehygiene im medizinischen und pflegerischen Bereich spielt in der Vorbeugung von Infektionen eine entscheidende Rolle. Deshalb wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) der „Internationale Tag der Händehygiene“ ins Leben gerufen. Alle Mitarbeiter in Krankenhäusern und sonstigen Gesundheitseinrichtung sollten den Tag zum Anlass nehmen, um sich ganz besonders über die Bedeutung und die praktische Durchführung der Händehygiene auszutauschen. Führungskräfte sind aufgefordert, mit positivem Beispiel voranzugehen und die Hygienemaßnahmen zur Vermeidung von Infektionen im Gesundheits- und Spitalsbereich (nosokomiale Infektionen) zu unterstützen.

Die Eckpunkte der Händehygiene sind im Grunde genommen einfach, nämlich durch Händedesinfektion

  • vor direktem Patientenkontakt (dazu zählt auch das Händeschütteln),
  • vor Tätigkeiten, die Sauberkeit bzw. Keimfreiheit erfordern, zum Beispiel Anhängen einer Infusion,
  • nach Kontakt mit potenziell infektiösen Materialien wie Blut, Speichel, Harn, Stuhl etc.,
  • nach direktem Patientenkontakt und
  • nach Kontakt mit der unmittelbaren Patientenumgebung, also zum Beispiel beim Verlassen des Krankenzimmers

die Übertragung gefährlicher Keime von Mensch zu Mensch zu verhindern!

Die Desinfektion mit der Anwendung vor allem alkoholischer Desinfektionslösungen ist simpel, wirksam und dauert 30 Sekunden. Das Benützen von medizinischen Handschuhen ersetzt nicht die Händehygiene.

„Die Übertragung von Keimen über Kontakt zwischen Menschen, insbesondere über die Hände, ist eine der wichtigsten Infektionsquellen für nosokomiale Infektionen. Durch eine konsequente Händehygiene vor und nach jedem Händekontakt kann man die Infektionsraten und damit auch die Sterblichkeit durch solche Infektionen drastisch senken“, sagt Prof. Hasibeder.

Händehygiene immer wichtiger

Dabei werden die Hygienemaßnahmen, darunter speziell die Händehygiene, in allen Gesundheitseinrichtungen – besonders aber in den Krankenhäusern – aus mehreren Gründen immer wichtiger, wie der ÖGARI-Experte betont. „Die Patienten, die wir auf unseren Intensivstationen betreuen, werden immer älter und fragiler. Das zunehmende Alter unserer Patienten führt an sich schon zu einer schlechteren Immunsituation. Hinzu kommen chronische Vorerkrankungen, wie zum Beispiel der Diabetes, welche zusätzlich die körpereigene Abwehr schwächen und Infektionskrankheiten begünstigen.“

„Wahrscheinlich könnte man 30 bis 40 Prozent der in Gesundheitseinrichtungen und Spitälern entstehenden Infektionen durch einfache Hygienemaßnahmen verhindern“, fügt Prof. Hasibeder hinzu. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass in Krankenhäusern die Beteiligung der Beschäftigung an den Maßnahmen zur wirksamen Händehygiene zwischen 40 und 80 Prozent schwankt. Laut dem Experten gibt es deutliche Hinweise darauf, dass Ärzte im Vergleich zum Pflegepersonal routinemäßig sogar weniger daran denken.

Besonders gefährdet, potenziell Opfer von Hygienemängeln im Spital zu werden, sind gerade Patienten auf Intensivstationen. „Wir durchbrechen mit unseren Maßnahmen oft die natürlichen Schutzbarrieren. Wir beatmen die Patienten künstlich. Das heißt, Keime können direkt in die Lunge gelangen. Wir legen sogenannte “zentralvenöse Katheter” an, um kontinuierlich Medikamente in den Blutkreislauf zu verabreichen zu können“, sagt Prim. Hasibeder. Werden hier Hygienemaßnahmen nicht strikt eingehalten, kann es rasch zu lebensbedrohlichen Infektionen kommen.

„Und dann haben wir auf Intensivstationen oft in einem Bett einen Patienten mit einer schweren Infektion, im nächsten Bett einen Schwerkranken ohne Infektion. Auch hier kommt es bei mangelhafter Hygiene rasch zur Übertragung von Infektionskrankheiten”, fügt Prim. Hasibeder hinzu.

Abwehr resistenter Keime

Eine ganz neue Dimension haben die Hygienemaßnahmen insgesamt und die Händehygiene im Speziellen mit dem Aufkommen von immer mehr Antibiotika-resistenten Keimen erhalten. Ihre Entstehung muss von Anfang an durch Hygiene und sparsamen sowie richtigen Einsatz der Antibiotika verhindert werden – ebenso ihre Weiterverbreitung von Patient zu Patient. Hier ist die wirksame Händehygiene ein (mit-) entscheidender Faktor.

Händehygiene ist aber nicht etwas, das „nur“ die Beschäftigten etwas angeht. Der oft beschworene „mündige Patient“ sollte aufmerksam sein und die Betroffenen durchaus darauf aufmerksam machen, wenn eine Händehygiene nicht erfolgt. „Herr Doktor, Sie haben sich aber nach dem letzten Patienten jetzt nicht die Hände desinfiziert …“ – Das ist kein Vorwurf, sondern ein Beitrag zu mehr Hygiene insgesamt und umso mehr ein Beitrag zum Selbstschutz.

Abgesehen von der Händedesinfektion im Gesundheitsbereich können wir alle im täglichen Leben zur Verhinderung der Übertragung von Keimen beitragen: durch regelmäßiges Händewaschen (unter Ablegen von Schmuck, mit Seife, gründlich und mindestens 30 Sekunden lang plus Abtrocknen). Das sollte vor dem Essen, nach jedem Toilettenbesuch, nach Husten, Schnäuzen etc. (natürlich auch vor und nach Kontakt mit einem Kranken) erfolgen. Händehygiene geht eben alle etwas an.

 

Aktionen in vielen Häusern – Beispiel Wilhelminenspital

In vielen österreichischen Krankenhäusern gibt es am Tag der Händehygiene spezielle Aktionen, die Aufmerksamkeit für das Thema schaffen sollen. So zum Beispiel im Wiener Wilhelminenspital.

Das Haus wurde mit dem Silberzertifikat der Aktion „Saubere Hände“ ausgezeichnet.

Im Vorfeld des Tages der Händehygiene organisieren die Hygiene-Expertinnen und -experten einen Informationsstand und laden Kolleginnen und Kollegen aller Fächer nicht nur zu Gesprächen und fachlichen Diskussionen ein, sondern auch zu Kaffee und den traditionellen “Handkeksen”.