Jahrestagung der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) e.V.
Die Möglichkeiten einer Personalisierung der Schmerzmedizin, aktuelle Strategien der Migräne- und Kopfschmerztherapie oder die analgetische Rolle der Opioide nach aktuellen Erkenntnisse: Das waren einige thematische Highlights des Deutschen Schmerzkongresses, der vom 21. bis 24. Oktober 2020 online stattfand.
„Da mit der Verwendung von Opioiden bei CNTS zahlreiche Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel und Müdigkeit einhergehen, und gleichzeitig die Wirkung bei CNTS bei vielen Patientinnen und Patienten nur gering ist, sollte ihr Einsatz kritisch hinterfragt und überprüft werden“, sagte bei einer Pressekonferenz zum Schmerzkongress Prof. Dr. Frank Petzke von der Abteilung Schmerzmedizin der Klinik für Anästhesiologie, Universitätsmedizin Göttingen. Das hätten beispielsweise Erfahrungen mit der Opioidkrise in den USA gezeigt, die durch die unkritische Verordnung medizinischer Opioide mit ausgelöst und unterhalten wurde.
Gerade weil in Deutschland im weltweiten Vergleich viele Opioidverordnungen durchgeführt werden, beobachten Schmerzexperten die Entwicklungen hierzulande mit einem kritischen Blick. Von einer Opioidkrise sei allerdings keine Rede, hieß es beim Deutschen Schmerzkongress – auch wenn Unter-, Fehl- und Überversorgungen im klinischen Alltag zu finden seien. „Damit die Gabe von Opioiden in geregelten Bahnen erfolgt, hat es sich die Deutsche Schmerzgesellschaft bereits früh zur Aufgabe gemacht, Einsatzgebiete und Grenzen einer Schmerztherapie mit Opioiden zu definieren und Vorschläge für eine gute klinische Praxis zu erarbeiten“, erklärte Prof. Petzke.
Bereits 2009 erschien die erste Version einer Leitlinie zur Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen nicht tumorbedingten Schmerzen (LONTS). Darin wurde darauf hingewiesen, dass Opioide im Durchschnitt nur geringe Wirkeffekte bei CNTS zeigen und dass deren Einsatz verantwortungsvoll erfolgen sollte. Zum Ausbleiben einer Opioidkrise in Deutschland trägt nach Einschätzung von Schmerzexperten zum einen diese Leitlinie bei, zum anderen auch das Gesundheitswesen: Hier werden auch Kosten für andere Schmerztherapien erstattet und Opioidverschreibungen reguliert.
Ein interdisziplinäres Team unter Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern aus 30 medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften sowie von zahlreichen Organisationen hat unter der Koordination der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. nun die dritte Version von LONTS erarbeitet. Die Expertinnen und Experten haben darin mögliche Indikationen, aber auch Kontraindikationen für Opioide bei CNTS definiert und Voraussetzungen für eine seriöse Entscheidungsfindung und Therapiebegleitungmgeschaffen. „In der überarbeiteten Leitlinie haben wir beispielsweise die Indikationen für eine Opioidbehandlung von mehr als vier Wochen bei chronischen Rücken- und Arthroseschmerzen weiter eingeengt“, sagte Prof. Petzke. Behandler und Patienten müssten demzufolge bereits vor Beginn der Behandlung gemeinsam Therapieziele definieren, als zukünftige Marker eines individuellen Therapieerfolgs. Zudem wurden in der Leitlinie diagnostische Kriterien zur Identifikation eines missbräuchlichen/abhängigen Gebrauchs von medizinisch verschriebenen Opioiden und Empfehlungen für Therapien erarbeitet.
„Die Leitlinie soll Therapeuten und Patienten bei der individuellen Entscheidung unterstützen, wann Opioide bei chronischen Schmerzen zum Einsatz kommen sollten und wann nicht“, fasste der Schmerzexperte zusammen.
Link: Leitlinie zur Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen nicht tumorbedingten Schmerzen (LONTS): https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/145-003.html