Walter Hasibeder Abteilung für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Krankenhaus St. Vinzenz, Zams, Österreich
Originalpublikation
Reitz KM et al (2022) Association between time
to source control in sepsis and 90-daymortality.
JAMA Surgery. 157:817–26. https://doi.org/10.
1001/jamasurg.2022.2761
Die rasche chirurgische Sanierung eines septischen Fokus gilt als ein wichtiges Element in der Behandlung lebensbedrohlicher systemischer Infektionen. Dazu gehören unter anderem Abszessdrainagen, die
chirurgisch eSanierung eines septischen Abdomens, die Drainage infizierter Harnwege und die Entfernung infizierter Fremdkörper
wie z. B. Portsysteme. Ungefähr ein Drittel aller imKrankenhaus aufgenommenen Sepsisfälle benötigt eine chirurgische
Fokussanierung. Trotz der Empfehlung aller Sepsis-Guidelines, eine Fokussanierung möglichst rasch durchzufu?hren, gibt es keine
exakten Aussagen zum richtigen Zeitpunkt bzw. u?ber die Bedeutung von Zeitverzögerung auf das Patient:innen-Outcome.
In der vorliegenden, retrospektiven Studie wird der Zusammenhang zwischen Diagnosezeitpunkt, Fokussanierung und Patient:innenmortalität genauer untersucht.
Methodik
Retrospektive Auswertung einer Patient:innendatenbank von 14 Versorgungs- und akademischen Krankenhäusern im Zeitraum von 2013 bis 2017. Ausgewertet wurden Patient:innen >18 Jahre
mit außerhalb des Krankenhauses erworbener Sepsis und der Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffs zur Fokussanierung.
Bei den inkludierten Patient:innen wurden neben demografischen Daten Vitalparameter, SOFA-Score („sepsis-related organ
failure assessment“) 6 h nach der Hospitalisierung, Daten zu Vorerkrankungen, die aktuelle Verfu?gbarkeit chirurgischer Serviceleistungen und die exakten Zeiten zwischen Diagnosestellung und chirurgischem Eingriff erfasst. Primärer Outcome-
Parameter war der Zusammenhang zwischen dem Zeitinterval „Diagnosestellung zu chirurgischem Eingriff“ und der 90- Tage-Mortalität. Dazu wurden die Patient:innen (n= 4962) in zwei Gruppen eingeteilt. Chirurgische Herdsanierung innerhalb von 6 h nach Diagnosestellung (schnelle Interventionsgruppe; SIG; n= 1315) und chirurgische Versorgung nach 6 h (verzögerte Interventionsgruppe; VIG; n= 3647). Zusätzlich wurd der zeitliche Zusammenhang zwischen Sepsisbeginn und 90-Tage-Mortalitä pro Stunde evaluiert. Mittels Multivariatanalyse wurden Störeffekte (Alter Vorerkrankungen. . . ) auf die Beziehung zwischen Zeit bis zu Fokussanierung und Mortalität herausgerechnet.
Ergebnisse
Das mittlere Alter der Patient:innen betrug 62 Jahre, knappu?ber50%warenmännlich, der mittlere SOFA-Score 6 h nac Diagnosestellung betrug 3,8 und die mittlere Zeit zwische Diagnosestellun und chirurgischer Fokussanierung betrug 15,4 h. Zirka 46% der Patient:innen littenaneiner abdominalen Sepsis (Gastrointestinaltrakt Gallenwege, Pankreas und Leber), 21% an Infektionen der Weichteile, 14 an urologischen oder gynäkologischen Infektionen, 7% an thorakalen und 12 an orthopädischen und ZNS-Septikämien. Insgesamt wurden 45% der Patient:innen auf Intensivstationen aufgenommen. Die 90-Tage-Mortalität betrug 14,2%. Obwohl die unadjustierte Mortalität in den Gruppen ähnlich war (14 vs. 15%), zeigt die Multivariatanalyse eine signifikant verminderte Hospitalsmortalität (–24%) und 90-Tage-Mortalität sowie 1-Jahres-Mortalität (–34%) in der SIG verglichen mit der VIG. SIG-Patient:innen waren signifikant schwerer krank als jene in der VIG; SIG-Patient:innen hatten einen signifikant höheren SOFA-Score 6 h nach Diagnosestellung un mussten deutlich häufiger intensivmedizinisch behandelt werde (Beatmungs- und Vasopressortherapie).
Die risikoadjustierte Mortalität der Patient:innen nach 6 h lag bei 12,9%. Eine Reduktion der Zeit bis zur Fokussanierung auf 3 h verminderte di risikoadjustierte Mortalität auf 6,4 %. Eine fru?he Fokussanierung war am erfolgreichsten bei akuten abdominalen und Weichteilinfektionen.
Walter Hasibeder Abteilung fu?r Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Krankenhaus St. Vinzenz, Zams, Österreich