Am 17. und 18. Mai 2019 trafen auf Einladung der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter in der Anästhesiologie und Intensivmedizin aus ganz Österreich in Anthering bei Salzburg zusammen, um zum zweiten Mal als beratendes Gremium des ÖGARI-Vorstands über die strategische Ausrichtung des Faches und aktuelle Fragestellungen zu diskutieren. Themen der Führungskräfte-Klausur 2019 waren die Ausbildung im Fach Anästhesiologie und Intensivmedizin sowie die Frage von Spezialisierungen innerhalb des Faches. Der vorliegende Text ist ein auf diesen Beratungen beruhendes Positionspapier des ÖGARI-Vorstandes.
EINLEITUNG
In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die Zahl der in Österreich tätigen Fachärztinnen und Fachärzte für Anästhesiologie und Intensivmedizin verdoppelt, zumal sich das Tätigkeitsspektrum des Fachgebiets laufend erweitert. Zudem hat die Umsetzung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes zusätzlichen Personalbedarf geschaffen.
Es besteht breiter Konsens darüber, dass die Ausbildung von künftigen Fachärztinnen und Fachärzten für Anästhesiologie und Intensivmedizin in quantitativer wie qualitativer Hinsicht ein vordringliches Anliegen ist. Das Sonderfach Anästhesiologie und Intensivmedizin kann nur dann in seiner Vielfalt weiterbestehen und sich weiterentwickeln, wenn es vor allem hoch qualifizierten und ausreichend motivierten Nachwuchs gibt.
Maßnahmen im Sinne dieser Zielsetzung müssen auf den unterschiedlichen Ebenen gesetzt werden – von der gesundheitspolitischen Ebene über Krankenhausträger bis hin zu den einzelnen Abteilungen. Unser Ziel ist es nicht, die bewährten Qualitätsstandards in der Patientenbehandlung aufzuweichen oder auf einzelne Pfeiler des Sonderfaches, auch nicht in Teilen, zu verzichten.
GESUNDHEITSPOLITISCHE VERANTWORTUNG
Bei den gesundheitspolitischen Verantwortungsträgern muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass ein drohender Fachkräftemangel in der Anästhesiologie und Intensivmedizin auch massive Auswirkungen in der Patientenversorgung nach sich ziehen würde.
Gesundheitspolitische Aufgabe ist es, geeignete Rahmenbedingungen für eine ausreichende Zahl und eine attraktive Gestaltung von Ausbildungsstellen zu schaffen. Dazu müssen die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Ebenso sollte die Möglichkeit für Assistentinnen und Assistenten bestehen, im Rahmen der Ausbildung die gesamte Bandbreite der Versorgung im Sonderfach kennenzulernen (Vereinfachung der träger- und bundesländerübergreifenden Rotation).
AUSREICHEND VIELE AUSBILDUNGSSTELLEN
Auf der Ebene der Krankenhausträger sowie der einzelnen Krankenhäuser müssen ausreichend viele Ausbildungsstellen geschaffen und besetzt werden, auch mit Bedacht auf Voll- und Teilzeitmodelle, um den künftigen Bedarf an Anästhesistinnen und Anästhesisten zu decken. In den nächsten vier bis fünf Jahren erreichen jährlich zwischen 130 und 150 Anästhesistinnen und Anästhesisten das Pensionsalter. Im Moment sind fast 700 Kolleginnen und Kollegen in Ausbildung zum Facharzt, pro Jahr gibt es durchschnittlich 120 neue Facharztanerkennungen. Das reicht nicht einmal aus, um den Abgang zu kompensieren. Zusätzlich gibt es einen jährlichen Mehrbedarf an Anästhesistinnen und Anästhesisten von 50 bis 100. Nur wenn sich alle Abteilungen für Anästhesiologie und Intensivmedizin an der Ausbildung unseres Nachwuchses beteiligen, wird es möglich sein, den erwarteten Bedarf zu decken. Daher sind alle Abteilungen, auch in Sonderkrankenanstalten und Privatkrankenhäusern, aufgefordert, zumindest so viele Ausbildungsstellen einzurichten, dass sie ihren eigenen Bedarf zukünftig decken können.
AUSBILDUNG ATTRAKTIV GESTALTEN
Auf der Ebene der Abteilungen für Anästhesiologie und Intensivmedizin muss die Ausbildung strukturiert erfolgen und attraktiv gestaltet sein. Dazu trägt eine Reihe von Maßnahmen bei:
- Ausbildung muss eine definierte Aufgabe in der Abteilung sein, und es muss klare Verantwortlichkeiten dafür geben. Dem Abteilungsleiter bzw. der Abteilungsleiterin kommt hier eine wichtige Vorbildfunktion zu, aber Ausbildung ist eine Aufgabe aller Fachärztinnen und Fachärzte. Zudem müssen verbindliche und strukturierte Ausbildungskonzepte vorliegen, die laufend den Erfordernissen angepasst werden.
- Zur Schaffung einer Ausbildungskultur haben sich unter anderem Mentoring-Konzepte und Ausbildungsteams bewährt. Die regelmäßige Kommunikation mit den Assistentinnen und Assistenten in Ausbildung ist dabei von elementarer Bedeutung.
- Als hilfreich erweist sich auch der Einsatz generationsadäquater Instrumente in der Ausbildung, zum Beispiel Peer-to-Peer-Fortbildungen und elektronische Tools. Dabei müssen nicht unbedingt eigene E-Learning-Formate entwickelt werden. Es gibt bereits heute eine breite Palette an Angeboten, wobei den Assistentinnen und Assistenten eine Orientierung bezüglich der Qualität angeboten werden sollte.
- Die in der Österreichischen Ärztezeitung publizierten „Faktoren für eine gute Ausbildungsbewertung“ sollten bei der Ausbildung Anwendung finden (Huber, Ärzteausbildung: Luft nach oben. ÖÄZ 21 – 10.11.2017).
FAZIT
Es müssen Anstrengungen auf allen genannten Ebenen unternommen werden, um sicherzustellen, dass das Sonderfach Anästhesiologie und Intensivmedizin über eine ausreichende Anzahl an qualifiziertem Nachwuchs verfügt, damit die Versorgungsaufgaben ebenso wie die Weiterentwicklung des Faches sichergestellt sind. Die ÖGARI nimmt in diesem Zusammenhang ihre Aufgabe wahr und lädt alle Anästhesistinnen und Anästhesisten ein, an den oben genannten Aufgaben mitzuwirken, um den Bestand des Sonderfachs in seiner derzeitigen Breite zu sichern und dadurch auch die Sicherheit der Patientenversorgung zu gewährleisten. Die ÖGARI wird als Fachgesellschaft dazu weiter Unterstützung leisten und hat ein Projekt für eine demographische Analyse und Bedarfsrechnung der Anästhesie in Österreich initiiert. Damit wird eine noch bessere empirische Grundlage für die Diskussionen mit den Verantwortlichen geschaffen.