Am 20. und 21. April 2018 trafen auf Einladung der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter in der Anästhesiologie und Intensivmedizin aus ganz Österreich in Anthering bei Salzburg zusammen, um zum ersten Mal als beratenden Gremium des ÖGARI-Vorstands über die strategische Ausrichtung des Faches und aktuelle Fragestellungen zu diskutieren. Themen der Strategieklausur 2018 waren die Einrichtung von Doppelprimariaten sowie die Delegation von dem Arzt vorbehaltenen Tätigkeiten an nichtärztliche Gesundheitsberufe.

Der vorliegende Text ist ein auf diesen Beratungen beruhendes Positionspapier des ÖGARI-Vorstandes.

Salzburger Positionspapier 2018: Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren für die Errichtung eines Doppelprimariates in der Anästhesiologie und Intensivmedizin

Einleitung

Die ÖGARI lehnt die Errichtung von Doppelprimariaten grundsätzlich ab, da diese in fachlicher, organisatorischer und personeller Hinsicht schwerer steuerbar sind als eine Abteilung an einem einzelnen Standort und zudem Karriereoptionen der Fachgesellschaftsmitglieder zunichtegemacht werden. Ist die Einrichtung eines Doppelprimariates nicht abwendbar, dann müssen zumindest die nachfolgend aufgelisteten Punkte berücksichtigt bzw. umgesetzt werden.

1.    Strukturqualitätskriterien

  • Die empfohlene Organisationsform des Doppelprimariates ist eine Abteilung an zwei Standorten.
  • Gemeinsame, tragfähige und starke strategische und organisatorische Vereinbarung der Träger bzw. Verwaltungsstrukturen beider Standorte. Ein starkes Committment durch die Träger stärkt auch die erfolgreiche Umsetzung des Doppelprimariates bei fachlichen, personellen und organisatorischen Herausforderungen.
  • Zwei fachlich und organisatorisch versierte, loyale Stellvertreter des Abteilungsleiters mit Führungserfahrung und Entscheidungskompetenz.
  • Essentiell ist ein klares Kompetenz- und Aufgabenprofil der Abteilungsleiterstellvertreter in beiden Standorten, in erster Linie erstellt durch den Abteilungsleiter
  • Effiziente IT-Unterstützung, um weitgehend gleiche, schriftlich festgelegte Standards für die Abläufe in beiden Standorten sicherzustellen. Identische IT-Programme (KIS, PDMS) in beiden Standorten bilden dabei die Basis.
  • Die Entfernung zwischen den beiden Standorten sollte gering sein, um die Wegzeiten zu reduzieren und damit die Präsenz der Abteilungsleitung zu erhöhen.
  • Planungsnotwendigkeit und Präsenz hinsichtlich Wochenplan, Information und Strategie sollen den Mitarbeitern Sicherheit geben. Abgestimmte Planungsstrukturen sind notwendig, d. h. präzise langfristige und abgestimmte kurzfristige Planung (Krankenstände). Ein der Abteilung zugeordnetes Sekretariat in jedem Standort ist dabei eine Grundvoraussetzung.
  • Bei der Implementierung eines Doppelprimariates muss die Positionen der Politik (Zielsetzung) klar dargelegt werden. Der Betriebsrat sollte bei der Umsetzung einbezogen werden.

2.    Personalorganisation

  • Zur Regeldienstzeit muss stets eine fachlich kompetente Leitung an beiden Standorten vorhanden sein.
  • Je kleiner ein Haus ist, umso mehr braucht es einen sogenannten „Playing Captain“, der fachlich und organisatorisch erfahren und dadurch stark eingebunden ist.
  • Organisatorische Herausforderungen, wie die Dienst- und Urlaubsplanerstellung müssen transparent gelöst werden; am ehesten nach verbindlichen, einheitlichen Regeln für beide Standorte.
  • Die Übernahme der Mitarbeiter mit allen bestehenden Ansprüchen ist zwingend nötig (AVRAG). Zum Zeitpunkt der Gründung eines Doppelprimariates müssen alle dienstvertraglichen Fragen der Mitarbeiter inklusive Dienstvertrag des Abteilungsleiters geklärt und schriftlich vereinbart sein. Möglichst große Transparenz in Bezug auf Sonderregelungen kann zwar zu Konflikten in dieser Phase führen, schafft aber langfristiges Vertrauen im Team.
  • Rotation der Mitarbeiter:
    • ist die Basis für das Funktionieren eines Doppelprimariates
    • sollte bei Mitarbeitern mit bestehenden Verträgen auf Freiwilligkeit beruhen, muss aber bei Mitarbeitern, deren Dienstverhältnis nach Gründung eines Doppelprimariates begründet wird, im Dienstvertrag klar vereinbart werden.
    • wenn das fachliche Spektrum in einer Abteilung erweitert wird, dann wird die Motivation zur Rotation steigen.
    • dabei spielt die Altersstruktur des Ärzteteams eine Rolle. Flexible organisatorische Lösungen sollen ermöglicht werden (z.B. Arbeitszeit von Müttern).

3.    Erfolgsfaktoren

  • Gemeinsame strategische Ziel für beide Abteilungen.
  • Für die Umsetzung eines gelingenden Doppelprimariates sind gemeinschaftliche, auch extramurale Aktivitäten von Seiten der Ärzteteams hilfreich.
  • Eine Begleitung des Prozesses durch externe Berater mit Schwerpunkt Organisationsentwicklung ist unabdingbar.
  • Je größer das Ärzteteam ist, umso mehr Managementfunktionen sind notwendig.
  • Die bestehenden Freiheitsgrade der Mitarbeiter sollen erhalten bleiben.
  • Den Mitarbeiter sollen durch die kontinuierliche Information die Sorgen und Ängste genommen werden (z. B. über den aktuellen Stand der Veränderungen im Sinne einer Organisationsentwicklung).
  • Die Motive und Erwartungen, an einem bestimmten Standort arbeiten zu wollen, sind sehr unterschiedlich: private, fachliche, finanzielle, organisatorische und kommunikative Motive können dabei Berücksichtigung finden.
  • Die Aufteilung der Sonderklassegebühren muss einvernehmlich erfolgen. Ein frühzeitiger und intensiver Gedankenaustausch mit der zuständigen Ärztekammer hilft, einen Konflikt zu diesem Thema zu vermeiden.
  • Wichtig ist die Integration der unterschiedlichen und wechselseitigen Annahmen/Vermutungen/Bilder über den jeweiligen anderen Standort.
  • Ausreichende Erfahrung in einer Leitungsfunktion vor der Übernahme eines Doppelprimariates ist sinnvoll.
  • Eine Kultur der offenen Informationsweitergabe soll etabliert sein.

Das Positionspapier als PDF